Internet-Pranger: Der falsche Weg

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Zürcher Südkurve
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Internet-Pranger: Der falsche Weg

Beitragvon Zürcher Südkurve » 26.08.11 @ 13:01

Die Zürcher Südkurve versteht die Haltung des FCZ gegenüber Knallpetarden. Wir sind jedoch schockiert über die Methoden, derer sich unser Verein in diesem Zusammenhang bedient.

Die Zürcher Südkurve hat sich schon des Öfteren gegen die Verwendung von Knallpetarden ausgesprochen und dies in der Vergangenheit auch so kommuniziert. Die strikte Haltung des FCZ zur „Knallerfrage“ erscheint uns vor diesem Hintergrund nachvollziehbar. Nichts desto trotz schockiert uns die Methode, mit welcher der FCZ nun gegen mutmasslich fehlbare Fans vorgeht zutiefst. Auch wenn sich der so genannte „Internet-Pranger“ zur Zeit in einem allgemeinen Popularitätshoch zu befinden scheint, lehnt die Zürcher Südkurve dieses Mittel aufs schärfste ab.

Bereits das Zurschaustellen überführter Täter wirkt befremdend und weckt Erinnerungen an den Geschichtsunterricht, Schwerpunkt Mittelalter. Mit der Internetfahndung werden nun Personen der Öffentlichkeit präsentiert, bevor deren Schuld gerichtlich nachgewiesen ist. Befürworter dieser Fahndungsmethode argumentieren, dass die Polizei und die Staatsanwaltschaft an strenge Voraussetzungen gebunden sind und das Verhältnismässigkeitsprinzip zu beachten haben. Die Behörden, so die Befürworter, müssen erst alle anderen Fahndungsmittel ausschöpfen und würden schon Augenmass walten lassen. Oder, wie der Journalist Benno Gasser im Tages-Anzeiger meinte: „Wer sich dagegen ausspricht muss den Beamten abgrundtief misstrauen.“

Nun, als Fussballfans haben wir gewisse Erfahrungen gemacht und wissen, dass Ausdrücke wie „strenge Voraussetzungen“ und „Verhältnismässigkeitsprinzip“ sehr dehnbare Begriffe sein können. Wie viele von der Stadtpolizei Zürich verfügte Rayonverbote mussten etwa schon vor einer gerichtlichen Instanz aufgehoben oder eingeschränkt werden, weil die Voraussetzungen oder das Verhältnismässigkeitsprinzip nicht erfüllt waren? Sind Hausdurchsuchungen durch 6 Polizeibeamte wegen dem Zünden einer Fackel verhältnismässig? Auf welche „strengen Voraussetzungen“ stützten sich die Polizisten, die am Istanbuler Flughafen die Pässe angereister Fans fotografierten? Oder die StaPo, als sie vor dem Lüttich-Spiel über 30 Leute präventiv verhaftete? Die Liste könnte noch lange weitergeführt werden, doch soll sie vor allem eines illustrieren: Es sind uns sehr viele Fälle bekannt, in denen Polizei und Staatsanwaltschaft das erwähnte Augenmass nicht walten liessen und an rechtsstaatlichen Grundsätzen zumindest ritzten. Und wer wie die Befürworter der Pranger-Methode davon ausgeht, dass die Behörden ständig korrekt und mit Fingerspitzengefühl operieren würden, ist nett ausgedrückt einfach naiv. Polizisten und Staatsanwälte sind auch nur Menschen und haben wie alle anderen auch eigene Weltbilder, persönliche Aversionen, Druck Ergebnisse vorzuweisen etc. Aus diesem Grund muss alles getan werden um Missbräuche zu verhindern. Rayonverbote können immerhin von gerichtlichen Instanzen überprüft und aufgehoben werden (was uns noch lange nicht zu Befürwortern solcher Massnahmen macht). Ein Bild im Internet aber geht seine eigenen Wege. Einmal da, kann kein Richter seine Verbreitung verhindern. Und das Image als „Hooligan“ oder „Chaot“ bleibt sehr lange an einer publizierten Person haften. Viele Arbeitgeber dürfte nicht interessieren, „dass die Unschuldsvermutung noch immer gilt und diese Personen ja noch nicht verurteilt sind“.

Die Öffentlichkeit weiss indes nicht, ob sich die abgebildeten Personen tatsächlich strafbar gemacht haben (oft sieht man ja einfach nur - vermummte oder unvermummte - Gesichter) und falls ja, welche Delikte von den Einzelpersonen überhaupt begangen wurden. Denn selbst wenn es zu gröberen Ausschreitungen durch mehrere Fans kam, kann der Beitrag einer Einzelperson daran unbedeutend oder gar nicht vorhanden sein. Vielleicht stand diese Person aber am falschen Ort und war besser erkennbar als jemand anders, der vielleicht gar eine schwerere Tat verübt hat. Was die „Schwere des Delikts“ betrifft so wurde die Schwelle, die eine Publikation erlaubt mit der neuen Strafprozessordnung herabgesetzt, was unabhängig von allfälligen Missbräuchen die Frage nach der Verhältnismässigkeit aufwirft. Ist z.B das Demolieren eines Eingangstors wirklich ein Delikt, das die Publikation des vermeintlichen Täters im Internet rechtfertigt? Die Öffentlichkeit kann zudem auch unmöglich nachprüfen, ob tatsächlich „sämtliche anderen Fahndungsmittel“ (auch das ein dehnbarer Begriff) ausgeschöpft wurden.

Es braucht nicht erwähnt zu werden, dass die Missbrauchsgefahr noch ungleich grösser ist, wenn Private zu solchen Methoden greifen. Das Vorgehen des FCZ scheint widerrechtlich, es ist nicht einmal klar ob von den mutmasslichen „Petardenwerfern“ eine Straftat verübt wurde. Ob im konkreten Fall jemand verletzt wurde und ob Knaller tatsächlich unter das Sprengstoffgesetzt fallen ist nicht klar und selbst dann dürfte nur der Staat zu solchen Methoden greifen. Vor allem aber ist das vom FCZ ausgesendete Signal fatal: Wo soll so etwas hinführen? Wird nun bald auch eine Firma wie die DELTA SECURITY AG zu solchen Methoden greifen? Oder der Präsident von Xamax Neuchatel?

Die Tatsache, dass der FCZ die Bilder nach kurzer Zeit wieder entfernte, lässt vermuten, dass er sich bei seinem Vorgehen nicht ganz wohl fühlte. Wir hoffen, dass so etwas nicht wieder vorkommt und würden es sehr begrüssen, wenn der FCZ von dieser Methode öffentlich Abstand nehmen würde.

Der FCZ und insbesondere Ancillo Canepa haben in der Vergangenheit viel Vernunft und Rückgrat bewiesen, wenn es um so genannte „Sicherheitsfragen“ ging. Weder die Propagandamaschine KKJPD noch der immer lauter werdenden Lärm in den Medien liess ihn vom Weg der Vernunft abkommen. Er sollte diese Linie beibehalten – auch wenn sie ihm Mut abfordert und eventuell auch Popularität kostet.


ZÜRCHER SÜDKURVE


Roger Kundert
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Re: Internet-Pranger: Der falsche Weg

Beitragvon Roger Kundert » 28.08.11 @ 21:55

Ich finde die Stellungnahme der SK lobenswert. Doch wer Canepa auf der Tribüne schäumen gesehen hat, ist nicht sonderlich überrascht, dass er mit seinem emotionellen Drang, diesen Weg gewählt hat; auch wenn einige rechtliche Fragen offenstehen.

Doch mir scheint mehr, dass "genug ist genug", in dieser Situation für den Vereinspräsidenten mehr zählt: und das ist gut so.

Als einmalige Abschreckungsgeschichte glaube ich, dieses Vorgehen gutzuheissen und zu verstehen, auch wenn es für die Involvierten nicht einfacher wird...

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Ensis
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Re: Internet-Pranger: Der falsche Weg

Beitragvon Ensis » 29.08.11 @ 16:58

Was mir in der Stellungnahme der SK fehlt: Es wird nur gesagt, was alles nicht getan werden soll, um Täter zu finden (Internetpranger), bzw. gefundene Täter von Wiederholungstaten abzuhalten (Rayonverbote). WAS sollen denn die Behörden (und auch der FCZ) unternehmen, um solche Knallpetardenwerfer zu identifizieren bzw. solche, die sich nicht benehmen können, von den Spielen abzuhalten??? Oder möchte man etwa von SK-Seite aus gar nicht, dass solche Leute identifiziert werden bzw. nicht mehr an die Spiele gehen können? Wenn ich mich richtig erinnere, ist aber auch die SK gegen Knallpetarden.

Damit man mich nicht falsch versteht: Ich befürworte private Internetpranger auch nicht (also z.B. von FCZ-Seite). Bei den Behörden sieht es für mich dagegen anders aus, denn diese müssen vor Veröffentlichung prüfen, ob ein dringender Tatverdacht vorliegt oder nicht (d.h. entweder hat man eindeutige, konkrete Bilder, die jemanden überführen, oder nicht). Tun sie das nicht, machen sie sich allenfalls des Amtsmissbrauchs strafbar.

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chnobli
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Re: Internet-Pranger: Der falsche Weg

Beitragvon chnobli » 29.08.11 @ 23:46

Ensis hat geschrieben: Tun sie das nicht, machen sie sich allenfalls des Amtsmissbrauchs strafbar.


Ein grosser trost wenn durch dein internetbild dein leben zerstört wurde weil du per zufall dummerweise an einem fussball match warst.

argus

Re: Internet-Pranger: Der falsche Weg

Beitragvon argus » 30.08.11 @ 17:47

ich bin mit vielem in der SK-Stellungnahme einverstanden. Einen entscheidenden Punkt sehe ich anders.

ich bin einverstanden, dass ein privater Internet-Pranger gar nicht geht und denke, dass man sich rechtlich auf sehr sehr dünnem Eis bewegt hat.

Hingegen bin ich einverstanden, wenn die zuständigen Behörden als ultima ratio und unter Wahrung der Verhältnismässigkeit zu einem solchen Mittel greifen. Ein vermummter begeht aus der Anonymität der Masse heraus eine feige Straftat, welche andere Menschen an Leib und Leben gefährdet. Was wiegt jetzt schwerer? Der Persönlichkeitsschutz des Täters oder der Anspruch der Öffentlichkeit auf angemssene Sicherheit und Bestrafung. Da habe ich eine klare Meinung: wer andere vorsätzlich gefährdet, kann ruhig etwas härter angefasst werden. Paradoxerweise sind es genau solche Typen, welche sich in der Folge mimosenhaft heulend auf ihre (vermeintlichen) Rechte berufen. Klar sind Unbeteiligte nach Möglichkeit zu schützen. Aber ich finde, man sollte nich auf solche Massnahmen verzichten, nur weil Kollateralschäden nicht zu 100% ausgeschlossen werden können.

Ich habe Vertrauen zu unseren Behörden. Klar sind immer Menschen am Werk, welche Fehler machen können. Aus beruflichen Gründen reise ich sehr viel. Wenn ich sehe, was an anderen Orten abgeht, lerne ich immer wieder erneut, unseren letztlich recht gut funktionierenden Rechtsstaat zu schätzen. Wer jetzt einfach auf Polizei und Staatsanwaltschaften einprügelt und diese als unfair, parteiisch, dumm usw. bezeichnet, der macht es sich etwas zu einfach. Am Anfang steht immer eine Straftat..

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sub
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Re: Internet-Pranger: Der falsche Weg

Beitragvon sub » 30.08.11 @ 19:10

argus hat geschrieben:ich bin mit vielem in der SK-Stellungnahme einverstanden. Einen entscheidenden Punkt sehe ich anders.

ich bin einverstanden, dass ein privater Internet-Pranger gar nicht geht und denke, dass man sich rechtlich auf sehr sehr dünnem Eis bewegt hat.

Hingegen bin ich einverstanden, wenn die zuständigen Behörden als ultima ratio und unter Wahrung der Verhältnismässigkeit zu einem solchen Mittel greifen. Ein vermummter begeht aus der Anonymität der Masse heraus eine feige Straftat, welche andere Menschen an Leib und Leben gefährdet. Was wiegt jetzt schwerer? Der Persönlichkeitsschutz des Täters oder der Anspruch der Öffentlichkeit auf angemssene Sicherheit und Bestrafung. Da habe ich eine klare Meinung: wer andere vorsätzlich gefährdet, kann ruhig etwas härter angefasst werden. Paradoxerweise sind es genau solche Typen, welche sich in der Folge mimosenhaft heulend auf ihre (vermeintlichen) Rechte berufen. Klar sind Unbeteiligte nach Möglichkeit zu schützen. Aber ich finde, man sollte nich auf solche Massnahmen verzichten, nur weil Kollateralschäden nicht zu 100% ausgeschlossen werden können.

Ich habe Vertrauen zu unseren Behörden. Klar sind immer Menschen am Werk, welche Fehler machen können. Aus beruflichen Gründen reise ich sehr viel. Wenn ich sehe, was an anderen Orten abgeht, lerne ich immer wieder erneut, unseren letztlich recht gut funktionierenden Rechtsstaat zu schätzen. Wer jetzt einfach auf Polizei und Staatsanwaltschaften einprügelt und diese als unfair, parteiisch, dumm usw. bezeichnet, der macht es sich etwas zu einfach. Am Anfang steht immer eine Straftat..



Wo und wann wurden Leute an Leib und Leben bedroht durch diese Böller? Nicht mal das idiotische Verhalten der Basler gefährdete irgendwelche Leben. Daher Verhältnismässigkeit bereits grob verletzt (in beiden Fällen).
Deine Begründung von wegen in anderen Ländern ist es noch schlimmer deshalb ist es bei uns gut, kotzt mich an.
Bei Fussballfans ist die Justiz und der ganze Staatsapparat inkl. Medien einseitig und absolut nicht neutral. Wer das nicht sieht ist blind.
Dä chunnt no!

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Ampulle
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Re: Internet-Pranger: Der falsche Weg

Beitragvon Ampulle » 30.08.11 @ 19:28

sub hat geschrieben:
argus hat geschrieben:ich bin mit vielem in der SK-Stellungnahme einverstanden. Einen entscheidenden Punkt sehe ich anders.

ich bin einverstanden, dass ein privater Internet-Pranger gar nicht geht und denke, dass man sich rechtlich auf sehr sehr dünnem Eis bewegt hat.

Hingegen bin ich einverstanden, wenn die zuständigen Behörden als ultima ratio und unter Wahrung der Verhältnismässigkeit zu einem solchen Mittel greifen. Ein vermummter begeht aus der Anonymität der Masse heraus eine feige Straftat, welche andere Menschen an Leib und Leben gefährdet. Was wiegt jetzt schwerer? Der Persönlichkeitsschutz des Täters oder der Anspruch der Öffentlichkeit auf angemssene Sicherheit und Bestrafung. Da habe ich eine klare Meinung: wer andere vorsätzlich gefährdet, kann ruhig etwas härter angefasst werden. Paradoxerweise sind es genau solche Typen, welche sich in der Folge mimosenhaft heulend auf ihre (vermeintlichen) Rechte berufen. Klar sind Unbeteiligte nach Möglichkeit zu schützen. Aber ich finde, man sollte nich auf solche Massnahmen verzichten, nur weil Kollateralschäden nicht zu 100% ausgeschlossen werden können.

Ich habe Vertrauen zu unseren Behörden. Klar sind immer Menschen am Werk, welche Fehler machen können. Aus beruflichen Gründen reise ich sehr viel. Wenn ich sehe, was an anderen Orten abgeht, lerne ich immer wieder erneut, unseren letztlich recht gut funktionierenden Rechtsstaat zu schätzen. Wer jetzt einfach auf Polizei und Staatsanwaltschaften einprügelt und diese als unfair, parteiisch, dumm usw. bezeichnet, der macht es sich etwas zu einfach. Am Anfang steht immer eine Straftat..



Wo und wann wurden Leute an Leib und Leben bedroht durch diese Böller? Nicht mal das idiotische Verhalten der Basler gefährdete irgendwelche Leben. Daher Verhältnismässigkeit bereits grob verletzt (in beiden Fällen).
Deine Begründung von wegen in anderen Ländern ist es noch schlimmer deshalb ist es bei uns gut, kotzt mich an.
Bei Fussballfans ist die Justiz und der ganze Staatsapparat inkl. Medien einseitig und absolut nicht neutral. Wer das nicht sieht ist blind.


Das ist aber jetzt nicht dein Ernst? Du hast gesehen, was mit dem passiert ist, der eine Sitzschale auf den Kopf bekommen hat. Und die Absperrungen und Container sind sicher noch mal ein ganz kleines bisschen schwerer als eine Sitzschale.
-Im Herzen brennt bengalisches Feuer-


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