Beitragvon gecko » 24.05.11 @ 7:38
Tagi: Di. 24.5.11
--------------
«Am Donnerstag geht die Sonne auf»
Urs Fischer will morgen mit dem FCZ Meister werden, aber es gibt für ihn ein Leben neben dem Fussball.
Von Peter Bühler, Zürich
Pfeifend schlendert Urs Fischer zum Pressetermin, er begrüsst jeden der zwei Dutzend Reporter mit Handschlag, setzt sich lächelnd hin, schaut in die Runde und bemerkt: «Wenn so viele Leute zum FCZ kommen, dann muss ein besonderes Spiel bevorstehen.»
Der Trainer ist vor der letzten Runde der Super League und der Partie gegen Thun ruhig, gelassen, entspannt. Und er verstellt sich dabei nicht, das tut er nie. Er ist einfach nur gut drauf, und die Fragerunde leitet er gleich selbst mit einem Statement zu seiner Befindlichkeit ein: «Mir geht es hervorragend.»
Seit dem 5:0 gegen Luzern ist eine Nacht vergangen. Fischer hat gut geschlafen. Nicht wegen des Kantersiegs. Er schläft immer tief und gut, lässt sich vom Fussball und seinem Job nicht auffressen. Das drückt er am Montagmittag mit einer Aussage besonders schön aus: «Am Donnerstag geht die Sonne auf – egal, ob am Mittwoch der FCZ oder der FCB Meister geworden ist.»
Allerdings verhehlt er nicht, wie gut der Mannschaft und ihm dieser Erfolg gegen Luzern nach dem 1:3 im Derby und nur zwei Punkten aus drei Spielen getan hat. «Wir sind wieder da, wir sind wieder im Rennen um den Titel», sagt Fischer. Er lacht dazu und findet das «super», weil die Mannschaft einmal mehr alle überrascht habe, ihn eingeschlossen. Also erklärt er stolz: «Dieses Team hat Charakter, es steht immer wieder auf, auch in vermeintlich hoffnungslosen Situationen.»
Ein lebensfroher Stadtzürcher
Wer den vor Optimismus und Lebensfreude strotzenden Stadtzürcher Fischer auf seinem Plastiksessel in der kargen Saalsporthalle vor sich sieht, der spürt: Die Hoffnung lebt beim FCZ, die Hoffnung auf den 13. Meistertitel, die Hoffnung auf ein Straucheln der Basler gegen Luzern. Und dazu kommt die Zuversicht, den eigenen Teil zu einer allfälligen Sensation beizutragen. Fischer sagt: «Die Thuner sind ein harter Brocken, aber es steht ausser Frage, dass wir gegen sie die Hausaufgaben machen und gewinnen müssen. Und danach schauen wir auf den Totomat.»
Urs Fischer, wie viel Spass kann es machen, vom Resultat eines anderen Spiels abhängig zu sein? Der Trainer zuckt die Schultern und entgegnet. «Ich kann das nicht ändern, also verschwende ich darauf auch keine Energie.» Und auf eine Analyse, in welcher Partie der FCZ jenen Punkt verloren haben könnte, mit dem der FCB im Vorsprung liegt, lässt er sich nicht ein. Das 2:2 gegen Bellinzona? Das 2:2 in St. Gallen? Das 2:2 gegen den FCB? Das 1:3 gegen GC? Fischer winkt ab, über verpasste Siege mag er nicht jammern, vielmehr erklärt er: «Am Schluss der Saison steht jeder Klub dort, wo er es verdient.» Und wenn der FCB dann in der Tabelle zuoberst sei, dann gratuliere er ihm als Erster.
Klar ist, dass er das vermeiden möchte. Er geht davon aus, dass sich die Luzerner gegen Basel für «die Klatsche» gegen den FCZ rehabilitieren wollen und nochmals alles geben werden. «Für sie geht es um die Ehre, aber auch noch um den Europacup.» Für die Qualifikation für die Europa League genügt der 5. Platz, falls Sion den Cup gewinnt. Fischer sagt: «Sie wissen auch in Luzern, dass Sion keinen seiner elf Cupfinals verloren hat.» Und lächelnd fügt er an, was einer seiner Vorgänger, Lucien Favre, immer so gern betonte: «Im Fussball ist alles möglich.» Mit Favre gewann der FCZ den sensationellsten seiner 12 Meistertitel. Fischer erzählt, er sei an jenem für seinen Klub historisch gewordenen 13. Mai 2006 in seiner Stube in Zürich-Affoltern bereits resigniert im Sofa versunken. «Und dann kam Flo Stahels Flanke und Filipescus Tor.» Der FCZ gewann im Basler St.-Jakob-Park in der legendären 93. Minute 2:1. Und der Jubel im Hause Fischer war grenzenlos.
Das Gespür der Familie
In seinem Eigenheim und bei seiner Familie findet der Trainer in diesen turbulenten letzten Tagen der Meisterschaft Ruhe und Kraft. Seine Frau Sandra und die Töchter Riana und Chiara helfen ihm, die Bedeutung von Sieg und Niederlage zu relativieren. Er sagt, sie hätten ein feines Gespür, wenn er Unterstützung brauche. Bei ihnen könne er abschalten, Distanz zur Hektik im Beruf finden. Der Vollblut-Trainer Fischer sagt: «Ich will nicht 24 Stunden am Tag über Systeme und Taktik nachdenken. Es gibt ein Leben neben dem Fussball.»
Zuletzt geändert von
gecko am 25.05.11 @ 8:00, insgesamt 1-mal geändert.