züri fan hat geschrieben:wieso in gottes namen hat vaduz ein megaphon?!
Tagi vom 3.11.2008:
Das Eigenleben im Vaduzer Fansektor
Von Bernhard Brunner, Zürich
Betritt man diesen hermetisch von der Welt abgeschirmten Teil im Stadion, fühlt man sich zunächst einmal als Fremder – umgeben von kaltem Beton und den rostigen, massiven Gitterstäben. Der sektorverantwortliche Steward hat die Kappe tief ins Gesicht gezogen und ist auf einen ruhigen Abend eingestellt. Das Spiel GC gegen die Gäste aus Vaduz gilt als «Norm Minus», wie Alex Sauber, verantwortlich für den Spielbetrieb beim Grasshopper- Club, in der VIP-Loge nach dem Spiel erklärt. Das bedeutet tiefste Gefahrenstufe, sowohl von der Anzahl wie auch vom Sicherheitsaspekt her. Noch selten ist dieser Sektor leerer und verlassener gewesen als an diesem Samstagabend. Das Ganze hat etwas Geisterhaftes.
Bereits fünfzehn Minuten sind gespielt, als die junge Gruppe von 35 jugendlichen – so genannten Hardcore-Fans – verspätet im Stadion eintrifft (der Bus ist im Verkehr hängen geblieben), übermütig sind die Vaduzer Jungs, von den Sicherheitsleuten in Kampfmontur vorerst am ganzen Körper abgetastet: Hände hoch, Beine auseinander, Fahnen ausrollen, alles auspacken, «los» . . . Die Szenerie gleicht Abläufen in einem Gefängnis nach einem Urlaub – ausser dass der Zwangskontext wegfällt.
Iknapp 36 000 Einwohner.
Unten hat die jugendliche Gruppe, die wilde Fraktion, mittlerweile alles Material ausgepackt und sich installiert. Sie singen alle zusammen, angeleitet durch eine Stimme aus einem scheppernden Megafon, die rituellen Parolen reichen von «Scheiss GC vom See», über «nur ein Karneval sein», bis zu «Come on Vaduz», und eine Zeile auf sie selbst bezogen, besonders laut in den Nachthimmel gedonnert, lautet: «Sieger für immer.» Sie stehen ganz nahe beieinander, suchen immer wieder in einer Art wirrem Tanz Körperkontakt. Die Sehnsucht, berührt zu werden.
Dem Journalisten, der im Vorfeld um ein Gespräch nachgefragt hat, erteilen sie am Freitagabend eine Absage, und als er sich ihnen in der Pause nähert, redet man darüber, warum sie nicht reden. Das Ich erliegt der Gruppe, die sich selbst schützt, einige möchten schon reden, etwas von ihrem Leben erzählen, sie dürfen aber nicht.
Die Presse «verzerrt und verdreht alles», sagen sie unisono aufgebracht, sie fotografieren den Eindringling, den mittlerweile nur Dastehenden mit dem Handy, imitieren die Überwachung, die sie von überall her nur allzu genau kennen. Und einer raunt mit grimmigem Blick: «Merkst du, dass du hier störst, ja!»
Einige kommen nachträglich ohne Aufforderung und versichern, dass sie «ja eigentlich schon gerne reden möchten». Aber die Gruppe zählt mehr, ist ihr Halt, ist unantastbar. Man fühlt sich jetzt Peter Landolt, dem suspendierten Sicherheitschef im Letzigrund, ein wenig näher, spürt intuitiv, wie schmal der Grat ist zwischen Nähe und Distanz, Vertrauensvorschuss und Instanz. Einfach so, selbstverständlich nach den Regeln ausserhalb des Sektors, geht hier gar nichts.
Das Geschehen auf dem Rasen ist eher beiläufig, variiert die Rituale in die eine oder andere Richtung. 0:1, 0:2, am Ende 0:3 – es ist nicht wirklich das Spiel, das die Jugendlichen unten an der Bande antreibt. Es wirken ganz andere Kräfte, weit weg von einem Resultat eines Fussballspiels. In anderen Sektoren, fern dieser Realität, versteht man im Normalfall wenig
davon.