Zhyrus hat geschrieben:Züri Live hat geschrieben:Der FCZ lässt nicht wirklich mehr gegnerische Chancen zu, als letzte Saison. Aus der Grafik geht hingegen ganz klar hervor, dass die Offensive das Problem ist. Es werden deutlich weniger gute Chancen erarbeitet.
Das zeigt für mich aber hauptsächlich die begrenzte Aussagekraft dieser “expected goal” Statistik. Der FCZ lässt sehr wohl sehr viel mehr zu, weil selbst ungefährliche Angriffe liederlich verteidigt werden.
«Liederlich verteidigen» ist ein subjektiver vielleicht auch emotionaler Eindruck. Es wirkt «liederlich», weil mehr Gegentore fallen. Wenn der Gegner eine grosse Torchance vergibt und der FCZ am Schluss noch gewinnt, dann vergisst man das liederliche Verteidigen sehr schnell. Dann sieht die Welt rosa aus, im Sinn von «alles richtig gemacht». So war es letzte Saison häufig.
Zhyrus hat geschrieben:Das beste Beispiel sind die Defensivstandards, die einen irrelevanten Beitrag zu den “expected goals” stellen, die bei uns regelmäßig unsauber verteidigt wurden. Die hohe Anzahl der Gegentreffer deutet auf ein systematisches defensives Problem hin und wird in den “expected goals” schlicht nicht erfasst.
Die Standards haben überhaupt nicht einen «irrelevanten Beitrag». Sie werden bei den «Expected Goals» genauso erfasst wie Situationen aus dem Spiel. Ein Penalty als Extrembeispiel hat einen Expected Goals-Wert von 0,75 – weil drei Viertel der Penaltys reingehen.
Übrigens hatte der FCZ letzte Saison nach gleich vielen Spielen (18) genau gleich viele Standardgegentore kassiert, wie diese Saison. Weil es etwas weniger Gegentore waren, war der Anteil der Standardgegentore also sogar noch etwas höher. Eckballgegentore waren gleich viele (3), man hatte eines weniger bei den FReistössen (1 statt 2) und einen Penalty mehr (2 statt 1). Wenn man nur Eckbälle und Freistösse rechnet war es letzte Saison einer weniger, aber anteilsmässsig etwa gleich viel wie heute.
Die Xhaka-Freistösse waren übrigens sehr schwierig zu verteidigen. Das war einfach Weltklasse gespielt, muss man neidlos anerkennen. Auch der Males-Corner und derjenige von Bodö waren sehr gut ausgeführt und schwierig zu verteidigen (am nahen Pfosten). Ich würde sagen letzte Saison gab es da deutlich schlechter verteidigte Defensivstandards, wo die Qualität des gegnerischen Standards tiefer war, und man trotzdem ein Gegentor kassierte.
Zhyrus hat geschrieben:Es ist meines Erachtens trügerisch und eine nutzlose Spielerei aufgrund dieser Statistik bspw. gegen Basel von Ebenbürtigkeit zu reden oder die Defensive bei 9 Gegentoren in 3 Spielen aus der Kritik zu nehmen (“die Offensive sei das Problem”).
Niemand nimmt die Defensive aus der Kritik. Ganz im Gegenteil: so ziemlich alle, angefangen bei Foda, haben ständig über die defensiven Fehler gesprochen, obwohl in der Realität die Stürmer in dieser Saison sowohl bezüglich Chancenkreierung wie auch -verwertung das grössere Problem waren.
Die Expected Goals-Statistik ist alles andere als nutzlos, ganz im Gegenteil. Um sich zu verbessern, ist ganz entscheidend, dass man dort ansetzt, wo das Problem ist.
Und vor allem: dass man nicht aus lauter Aktionismus Dinge verändert, die eigentlich funktionieren – und damit die Lage nur noch schlimmer macht. Das ist eines der Phänomene einer Abwärtsspirale. Man wird hektisch und ändert auch Dinge, die eigentlich gut sind. Genau in solchen Momenten braucht es Daten als Hilfsmittel, und einen kühlen Kopf. Daten können nicht alles, aber sie haben den Vorteil, dass sie unabhängig sind von Vorurteilen und fussballerischen «Bauernregeln».
Zhyrus hat geschrieben:Wer in regelmäßigen Abständen einfachste Fehler begeht, der unterliegt völlig zurecht, auch wenn es wenig gefährliche Situationen für viele Gegentore bedurfte. Die Opferhaltung, dass der Fußballgott weitergezogen ist, ist kurzsichtig, genauso das Attestieren von guten Leistungen bei einer Bilanz von 2 Punkten aus 8 Meisterschaftsspielen.
Es geht nicht um den Fussballgott, sondern wenn ich viele gute Torchancen erarbeite und daraus zu wenig Tore mache, dann sollte ich an der Chancenverwertung arbeiten. Und nicht mein ganzes Spiel auf den Kopf stellen. Sonst erarbeite ich zusätzlich zur schlechten Chancenverwertung womöglich auch noch weniger Chancen und dann wird die Situation noch schlimmer.
Nach 18 Spielen war das Torverhältnis letzte Saison 46:26. In dieser Saison ist es 26:32. Bei den Gegentoren ist der Unterschied also deutlich kleiner. Selbst wenn man die sechs Tore Differenz zwischen «Solothurn» und «Cham» rausrechnet, war es letzte Saison immer noch 40:26. Vierzehn Tore Differenz auf der Plusseite, nur sechs auf der Minusseite. Und dann kommt eben noch dazu, dass die Gegner gleich viele Torchancen haben wie letzte Saison. Sie verwerten diese Chancen einfach häufiger. Gegnerische Chancenverwertung hat (wenn über viele Spiele gerechnet) weitgehend mit dem eigenen Torhüter zu tun. Zum Beispiel: die Gegner kommen aus der gleichen Situation / Position zehn Mal zum Abschluss und in Saison 1 geht einer davon rein, in Saison 2 aber drei. Dieser Unterschied von zwei Gegentoren hat dann nichts mit der Verteidigungsarbeit der Mannschaft zu tun, denn diese hat die Gegner ja in beiden Fällen zehn Mal aus dieser Position zum Abschluss kommen lassen. Wenn man nur wenige Spiele anschaut, kann noch ein gewisser Zufall mitschwingen: die gegnerischen Stürmer waren ausgerechnet gegen den FCZ alle grad besonders gut oder schlecht im Abschluss. Aber bei 18 Spielen und mehr kann man solche Glücksfaktoren praktisch ausschliessen.
Zhyrus hat geschrieben:Die Offensive hat in den letzten Meisterschaftsspielen immerhin 5 Tore erzielt. Ich gehe grundsätzlich mit dir einig, dass auch in dieser Zone Vieles im Argen liegt, aber es ist Wahnsinn, dass 5 Tore in 3 Spielen nicht für einen Punkt reichen.
Drei Spiele sagen wenig aus. Aus so einer Momentaufnahme eine Analyse zu machen, hat wenig Aussagekraft.
Zhyrus hat geschrieben:Dass man aber nicht gewinnt, liegt in erster Linie an denjenigen Spielern, die fürs Toreschiessen zuständig sind. Denn der Spielaufbau von hinten heraus und im Mittelfeld ist ganz ordentlich. Aus guten Ausgangspositionen kreieren sie keine Torchancen (beispielsweise wegen ungenügender Entscheidungs- und Handlungsschnelligkeit). Und die Torchancen, die sie kreieren, nutzen sie nicht. Der Fokus auf die "individuellen Fehler" ist falsch. Nicht die Defensive ist das Hauptproblem.
Ich finde unseren Aufbau nicht gut. Die begrenzte Handlungsschnelligkeit zieht sich meiner Einschätzung durch die ganze Mannschaft hindurch.
Krasniqi ist ein extrem handlungsschneller Spieler. Marchesano auch überdurchschnittlich. Dzemaili ist langsam. Selnaes zu Beginn der Saison auch, er steigert sich langsam.
Zhyrus hat geschrieben:Oben konstatierst du ja selber, dass wir deutlich weniger Chancen kreieren als früher,
Im Ansatz sind es viele Torchancen. Aber Tosin, Gnonto, Okita und Co. machten aus Situationen rund um den Strafraum, die zu klaren Torchancen hätten führen müssen, viel zu wenig. Da fehlt die Handlungsschnelligkeit und Zielstrebigkeit bei den Stürmern. Lieber noch ein Haken, querlegen, abbremsen,….
Zhyrus hat geschrieben:Ich widerspreche der Darstellung, dass wir “nur” in der Schlussphase Tore kassieren.
Sagt ja auch niemand. Aber es gibt ein Muster von spät kassierten Gegentoren aufgrund des Risikos, welches die Mannschaft eingeht, weil man vorher offensiv zu wenig zustande gebracht hat. Die beiden Gegentore gegen Lausanne in der Schlussminute und in der Verlängerung als typische Beispiele. Viel zu viel Risiko genommen. Und zwar von Okita und Selnaes, nicht von Verteidigern. Oder gegen Lugano, als Foda für die Schlussphase das System umstellt von drei auf zwei Innenverteidigern, weil er unbedingt noch gewinnen will und man dann im Abwehrzentrum mit zwei Zürchern gegen drei Luganesi in Unterzahl gerät und so Lugano den Siegtreffer ermöglicht.
Zhyrus hat geschrieben:Wir haben in den letzten 3 Spielen ganze 7 Tore bereits vorher gefressen.
Nein, es waren vier Gegentore vor der Schlussphase. Das liegt unter dem Ligaschnitt. Zwei waren in der letzten Minute. Und eines in der Verlängerung aufgrund eines Last Minute-Treffers.
Zhyrus hat geschrieben:Die Konzentrationsschwächen sind im Gros nicht aus einer Erschöpfung heraus entstanden.
Sage ich ja auch nicht. Sondern weil man Risiko eingegangen ist.
Zhyrus hat geschrieben:Nein. Der Fokus aus defensive Fehler ist genau richtig. Das heisst im Übrigen nicht, dass damit nur die Verteidiger gemeint sind.
Abgesehen davon, dass die Daten zeigen, dass die Gegentreffer nicht das Hauptproblem sind, ist der Fokus auf defensive Fehler auch psychologisch falsch. Und genau das Gegenteil von dem, was Breitenreiter gemacht hat. Der hat die Spieler nicht an ihren (durchaus auch zahlreichen) Fehlern runtergezogen, sondern sie aufgrund ihrer Stärken und einzelner guter Aktionen aufgebaut. Fokussiert man auf defensive Schnitzer, dann passieren sie erst recht. Menschen ziehen das an, worüber sie viel nachdenken. Sich dauernd zu sagen «ich sollte diesen Fehler NICHT machen» hat fast die gleiche Wirkung, wie wenn man sich sagt «ich sollte diesen Fehler machen». Man sollte die positiven Dinge visualisieren. Ausserdem führt es zu einer negativen Gruppendynamik, wenn man auf Fehler fokussiert: gegenseitige Schuldzuweisungen und jeder versucht sich aus der Verantwortung zu stehlen, um nicht selbst am nächsten Fehler beteiligt zu sein.
Zhyrus hat geschrieben: die Abschlusseffizienz der Gegner in Spielen gegen den FCZ deutet auf eine verschlechterte FCZ-Torhüterleistung hin. Über viele Spiele gegen verschiedene Gegner hinweg ist der eigene Torhüter derjenige Faktor, der weitgehend eine hohe oder tiefe Abschlusseffizienz der Gegner erklärt. Letzte Saison war in der Liga die Abschlusseffizienz der Gegner tief bis durchschnittlich - jetzt sehr hoch. Erwartbare Gegentore liegen bei 1,4 pro Match (gleich viele wie letzte Saison), die tatsächlichen aber bei 2,4 (letzte Saison: 1,3)!
Das ist eben nicht primär Brecher, sondern die Verteidigung, die viel zu viele individuelle Fehler macht und teilweise Abschlüsse auf dem Silbertablet serviert.
Die Daten sagen was anderes. Letzte Saison hat die Mannschaft den Gegnern gleich viele Abschlüsse auf dem Silbertablett serviert, aber die Gegner haben diese Möglichkeiten seltener verwertet. Unter anderem deshalb sah die Welt damals rosa aus…