Schöne Aussichten für den FCZ
Vor dem Saisonstart sagt Präsident Canepa, die neue Mannschaft sei besser als die Meister-Ausgabe. Bestätigen müssen dies jetzt allen voran Trainer Foda und die neuen Spieler.
Irgendwie schwebt Ancillo Canepa weiter, als wäre noch immer Frühling. Wenn er von diesen Tagen im Mai erzählt oder von der Begeisterung wegen der gewonnenen Meisterschaft, die im Umfeld des Vereins bis heute anhält, liegt ein breites Strahlen auf seinem Gesicht. Dann sprudelt es aus ihm, und er sagt: «So etwas habe ich in fünfzehn Jahren noch nie erlebt.»
So lange ist der 69-Jährige Präsident des FC Zürich, und er will es noch ganz lange bleiben. Zumindest sagt er, dass er und seine Frau Heliane keinen Zeitplan hätten. Sie machen einfach immer weiter, solange sie denken, sie könnten etwas bewegen, und solange sie motiviert sind.
Der jüngste Erfolg, dieser unerwartete Gewinn der Meisterschaft, hat mögliche Investoren auf den Plan gerufen, sie haben sich bei Canepa gemeldet. Aber der sagt: «Es gibt keinen Grund für eine Veränderung.» Er mag keines seiner 90 Prozent am FCZ abgegeben, auch nicht mit der verlockenden Aussicht auf frisches Geld.
Es sei nie gut, wenn zu viele reinreden würden, erklärt er, das zeige sich bei anderen Clubs. Damit muss er nicht einmal Basel meinen, er kann nur schon in die eigene Geschichte seiner Präsidentschaft schauen, die sehr turbulent war, als er und seine Frau noch nicht das uneingeschränkte Sagen hatten.
Breitenreiter als Massstab
Der Titel ist das, was dem FCZ und gerade Canepa den Antrieb gibt, alles dafür zu tun, damit auch diese Saison zum Erfolg wird. Canepa ist denn auch in munterer Verfassung an diesem Donnerstag, als er zuerst an der Medienkonferenz redet und danach noch weiter in kleiner Runde. Wobei er sich bei einer Frage mit einer kurzen Antwort begnügt, allerdings sagt auch das so viel aus. «Besser», sagt er auf die Frage, ob die Mannschaft besser, gleich gut oder schlechter sei als letzte Saison.
Besser, trotz der Abgänge von Ousmane Doumbia, dem Kraftwerk des Meisterteams? Von Assan Ceesay, dem 20-fachen Torschützen? Natürlich von André Breitenreiter, dem Trainer, der Wundersames bewirkte? Ja, findet Canepa also, weil sie ihre Hausaufgaben gemacht hätten. Hausaufgaben heisst: das Scouting, die Suche nach neuem Personal, das dem gewünschten Profil entspricht.
«Im Zentrum stand die Personalie des Trainers», sagt Sportchef Marinko Jurendic, «das war wichtig für die Stabilisierung.» Neben ihm sitzt dieser Franco Foda, der es sich zutraut, den FCZ in eine gute Zukunft zu führen. Canepa ist «ganz stolz», dass Foda da ist, der 56-Jährige Deutsche mit seiner langen Vergangenheit als Trainer in Österreich. Sie hätten viele andere haben können, sagt er. Aber sie wollten Foda unter anderem, weil er aus seinen Tagen bei Sturm Graz weiss, wie schwierig es ist, einen Meistertitel zu bestätigen.
Breitenreiter ist der Orientierungspunkt für das, was jetzt beim FCZ kommt. Ihm gelang alles, er machte alles richtig, zumindest alles Entscheidende, «Gott» nannte die Südkurve einen Mann, der sich in der Kommunikation auf hohem Niveau bewegte.
Das tiefrote Budget
Daran muss sich Foda messen lassen. Dass ihm das bewusst ist, machte er schon einmal bei seiner Vorstellung Anfang Juni klar. Über Wasser gehen könne er nicht, stellte er da klar. Das muss er auch nicht, er muss nur den FCZ in die Gruppenphase eines europäischen Wettbewerbs führen und am besten an der Tabellenspitze halten. Nur?
Die Qualifikation für eine Gruppenphase, egal ob Champions League, Europa League oder Conference League, ist wirtschaftlich von zentraler Bedeutung. Das Budget mit rund 22 Millionen Ausgaben schaue vorerst einmal noch «tiefrot» aus, sagt Canepa, und mit tiefrot meint er einen Betrag in der Grössenordnung von 5 Millionen. «Für ein ausgeglichenes Budget braucht man als Schweizer Club den Europacup oder Transfers», sagt er.
Wilfried Gnonto und Becir Omeragic sind die beiden jungen Spieler im Kader, die vor lukrativen Transfers stehen. Canepa fordert 10 Millionen für jeden. Nur ist noch kein Angebot in der gewünschten Grössenordnung eingetroffen – nicht für Gnonto, dem Jurendic zu einem zusätzlichen Jahr in Zürich raten würde, um hier zum Stammspieler zu werden, und nicht für Omeragic, der zuletzt wegen einer Meniskusverletzung drei Monate ausgefallen ist.
Die Grasshoppers sind am ersten Wochenende noch spielfrei. Der Grund dafür ist, dass der Rasen im Luzerner Stadion neu verlegt wird. Nachtragstermin ist der 10. August. GC wird am Sonntag in einer Woche in die Saison starten. Gegner im Letzigrund ist dann Cupsieger Lugano.
Für den FCZ geht die Saison stürmisch los. Am Samstag beginnt die Super League mit dem Spiel gegen die Young Boys, auswärts, auf dem ungeliebten Kunstrasen. «Wir hätten uns einen Meisterbonus gewünscht», sagt Jurendic mit einer Zurückhaltung, die Canepa fern ist. Der Präsident findet es «respektlos», dem FCZ diesen Match zuzuteilen, und respektlos findet er das, weil drei Tage später das erste Spiel in der Champions-League-Qualifikation ansteht.
Ein Match im Letzigrund ist nicht möglich, weil das Stadion besetzt ist, von «irgendeiner Jodlergruppe», wie Canepa sagt. Die Punker von den Toten Hosen wird es freuen, als Jodler bezeichnet zu werden. Wieso dann nicht zumindest ein Derby in Winterthur?, wendet Canepa ein, «das wäre super gewesen.»
Foda versteht die Ansetzung des Spiels in Bern auch nicht. Im Europacup gehe es auch um den Schweizer Fussball generell, sagt er, da brauche es doch die entsprechende Unterstützung. Die Realität ist, dass Jammern nicht hilft und der FCZ am Sonntag um 10 Uhr nach Baku abfliegt, in einem für 200’000 Franken gecharterten Flugzeug, das wegen des Ferien- und Flugchaos schwierig aufzutreiben war, und am Dienstag auf das unbequeme Qarabaq trifft.
In diesem Rhythmus geht es für den FCZ immer weiter, mit lauter englischen Wochen, bis er 13 Spiele in Meisterschaft, Europacup und als lockere Zugabe im Schweizer Cup absolviert hat. Ende August kann er einmal durchschnaufen und erste Bilanz ziehen.
Dann hat er vertiefte Erkenntnis, ob sein Kader wirklich so «kompetitiv» und «breit aufgestellt» ist, wie das Jurendic Stunden vor dem Saisonstart festhält. Alle finden sie warme Worte für die Neuen, Canepa, Jurendic und Foda. Das überrascht auch nicht weiter. Wer will schon seine Arbeit bei der Personalplanung selbst diskreditieren?
Selnaes’ Youtube-Künste
Neben dem Trainer sind es eben die vier verpflichteten Spieler, welche die Verantwortlichen so optimistisch auf die Saison blicken lassen. «So wie die Mannschaft teilweise neu aufgestellt ist», sagt Canepa, «können wir einen nächsten Schritt machen.»
Die Namen zu den Neuen sind: Cheick Conde, Ole Selnaes, Jonathan Okita und Ivan Santini. Conde, 21-jährig aus Guinea, hat zweieinhalb Jahre als defensiver Mittelfeldspieler im tschechischen Zlin hinter sich. «Sehr zweikampfstark, sehr aggressiv», sagt Foda über ihn, der laut Transfermarkt.de 500’000 Euro gekostet hat.
Selnaes ist 32-facher Nationalspieler Norwegens. Auf Youtube gibt es einen siebenminütigen Zusammenschnitt seiner besten Aktionen aus der Saison 2018/19 mit St-Etienne. Wer da seine Pässe sieht, oft in die Tiefe, selbst mit dem Aussenrist über 30, 40 Meter, kann für den FCZ hoffen, dass er in den letzten drei Jahren in China nichts verlernt hat.
Okita ist Flügelstürmer, 25, in Köln als Sohn von Kongolesen geboren. Er hat vier Saisons mit Nijmegen hinter sich, Foda lobt sein Dribbling und sein Spiel zwischen den Linien. Santini schliesslich ist der Routinier, 33 inzwischen, weit gereist und mit dem FCZ als elftem Club. Der Kroate ist der Typ Stossstürmer, der mit seinen 1,90 Metern Gefahr verbreiten soll. Letzte Saison in Saudiarabien begnügte er sich mit sechs Toren.
Jurendic fasst zusammen: «Das sind Spieler, die Qualität mitbringen. Jetzt müssen wir schauen, dass sie sich ins Gefüge einpassen und dass sie funktionieren.» Die Erwartungen, auch an sie, sind jedenfalls gross. Um die 9000 Saisonkarten hat der FCZ verkauft, doppelt so viele wie vor einem Jahr.
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