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Jure Jerković
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Re: Medien

Beitragvon Jure Jerković » 16.04.22 @ 11:08

Tagi, 16.4.

Dauerbrenner Fidan Aliti

Er wählte den ungewöhnlichen Weg – bis der FCZ anklopfte
In Zürich ist der 28-jährige Kosovare unangefochtener Stammspieler. Seine Reise aus dem Baselbiet zum FC Zürich war «nicht immer einfach, aber schön».


Es läuft die Schlussphase im Zürcher Derby, der FCZ liegt hinten und droht zum zweiten Mal innert drei Wochen zu verlieren. In der 82. Minute dann fällt der Ball Fidan Aliti vor die Füsse, er grätscht ihn ins Tor – 1:1. Ein wichtiger Punkt, vor allem gegen den Stadtrivalen. Dabei ist der Torschütze bei den Zürchern eigentlich nicht der Mann für die grossen Momente, es war sein erstes Tor in dieser Saison.

Aliti besticht mit seiner Konstanz und Beständigkeit – und mit seinem Einsatz. So passt dieses Tor eben doch ins Bild: Der FCZ hat sich den Ausgleich über die Spieldauer erarbeitet, und da gibt es keinen treffenderen Torschützen als ebendiesen Fidan Aliti.
Jenen Aliti, der in «jedem Spiel und jedem Training an seine Leistungsgrenze geht», wie André Breitenreiter über den Verteidiger sagt. Das lebe er der Mannschaft vor, und deshalb sei er ein sehr wichtiger Bestandteil des Teams, sagt der Trainer. Aliti selbst beschreibt sich als sehr ehrgeizig: «Ich habe einen grossen Willen und versuche, aus jeder Aktion das Maximum herauszuholen.»
Während er auf dem Platz laut und emotional ist, ist Aliti daneben ein anderer, ruhigerer Typ. Er ist ein Familienmensch, die Familie kommt bei ihm vor dem Fussball. Aus diesem Grund lebt er im Baselbiet. Das Ländliche und die Natur tun ihm gut: «Ich bin keiner, der im Mittelpunkt stehen muss, meine Privatsphäre ist mir sehr wichtig. Deshalb halte ich meine Frau und meine Familie grösstenteils aus der Öffentlichkeit raus.»

Mit Kosovo in Zürich nur auf der Bank

Alitis Eltern stammen aus Kosovo, sie kamen vor dem Krieg in die Schweiz. Zuerst der Vater, rund zwei Jahre später auch die Mutter. «Aus wirtschaftlichen Gründen und wegen der besseren Perspektive», sagt Aliti. Er wurde 1993 in Binningen geboren. Gemeinsam mit zwei älteren Schwestern und zwei jüngeren Brüdern ist er hier aufgewachsen. Zu Hause sprachen die Alitis immer Albanisch, die Muttersprache ist ihm auch heute noch wichtig.
Darum macht es ihn stolz, für Kosovo zu spielen. 40 Einsätze für das Nationalteam hat er schon bestritten. Gleichzeitig hat auch die Schweizer Mentalität einen grossen Einfluss auf ihn gehabt: «Es ist etwa 50:50.» So hätte das Freundschaftsspiel im März zwischen der Schweiz und Kosovo im Letzigrund auch für ihn ein besonderes werden sollen. 90 Minuten sass er unter dem neuen Trainer Alain Giresse nur auf der Bank. Natürlich war er enttäuscht, aber das hat er schnell abgehakt. «Nach dem Spiel war der Fokus direkt wieder beim FCZ.»

Diese positive Denkweise und der Blick aufs Hier und Jetzt würden Aliti ausmachen, sagt Breitenreiter. Der Spieler sieht es pragmatisch: «Im Fussball interessiert keinen, was vor einer Woche war.» In dieser Saison fällt der Optimismus beim FCZ leichter als in den vergangenen Jahren, Aliti fühlt sich in seinem zweiten Jahr in Zürich sehr wohl. Mit 28 Jahren scheint er im Fussball angekommen zu sein, sein Weg hierher war aber alles andere als gewöhnlich.

Schritt ins Unbekannte

Aliti wurde einst beim FC Basel ausgebildet. Über die Old Boys kam er zum FC Luzern, wo er im Alter von 20 Jahren in der Super League debütierte. 2015 wechselte er ins Ausland, zu Sheriff Tiraspol. «Es war ein spezieller Wechsel, da der Verein damals noch relativ unbekannt war», sagt er. «Aber es ist ein sehr interessanter Club, der mir den nächsten Schritt ermöglicht hat. Im Nachhinein habe ich die richtige Entscheidung getroffen.»

In Transnistrien blieb er nur eine Saison, bevor er nach Kroatien zu Slaven Belupo ausgeliehen wurde. Dort war er erstmals Stammspieler und zog nach einem Jahr trotzdem weiter. In Albanien wurde er mit Skënderbeu Meister und spielte international. In der Europa League traf Skënderbeu unter anderem auf YB, mit fünf Punkten schied der Club als Gruppenletzter aus.

Sportlich war es für Aliti ein weiterer Fortschritt. Die Zeit im Ausland prägte ihn aber auch als Person. «Wenn man in der Schweiz auf die Welt kommt und aufwächst, ist man einen gewissen Lebensstandard gewöhnt», sagt er. «Doch wir wissen gar nicht, wie gut es uns hier geht, bis wir gesehen haben, wie es in anderen Ländern ist.» Die Zeit im Ausland war nicht immer einfach für ihn. Aber eines hat sie ihn gelehrt: «Noch stärker zu schätzen, was die Schweiz uns als Familie gegeben hat und welche Möglichkeiten wir hier haben.»
Nach anderthalb Saisons wechselte Aliti Anfang 2019 erneut den Verein. Diesmal zog es ihn nach Schweden. «Schweden ist sehr ähnlich wie die Schweiz, und ich wollte zurückkehren zu dem, was ich aus meiner Jugend kenne.» Es war seine vierte Station im Ausland – vorerst seine letzte.

Während seiner zweiten Saison bei Kalmar bekam er das Angebot vom FC Zürich. Lange musste er nicht überlegen, obwohl er noch zwei weitere Offerten hatte: «Für mich war klar, dass ich in die Schweiz kommen will, und ich setzte alles daran, dass der Wechsel zustande kommt. Ich wollte unbedingt zum FCZ, weil es einer der Top-3-Clubs in der Schweiz ist und man stolz sein kann, für diesen Club zu spielen.»

Der Wechsel hat sich für beide Seiten gelohnt. Aliti ist seit seiner Ankunft unangefochtener Stammspieler in der Zürcher Verteidigung. In dieser Saison absolvierte kein Feldspieler mehr Ligaminuten als er. Selbst nach der schwierigen letzten Saison mit dem Kampf gegen den Abstieg war er überzeugt, dass der FCZ mit dieser Mannschaft etwas erreichen kann. Darauf angesprochen, was die Unterschiede zum Vorjahr seien, kommt er sehr schnell auf André Breitenreiter zu sprechen. Er erwähnt die hohe Intensität im Training und das noch stärkere Zusammenwachsen der Mannschaft. «Der Trainer sieht sehr gut, was ein Spieler braucht. So hat er jeden Einzelnen besser gemacht.»

Der erste Meistertitel seit 2009 rückt immer näher. Sieben Spiele stehen noch aus, am Samstag empfängt der FCZ die Young Boys. Als Aliti nach Zürich wechselte, sprach er von der Zeit in Skënderbeu als sportlich erfolgreichster seiner Karriere. Wird dies am 22. Mai nach dem letzten Spieltag immer noch so sein, Fidan Aliti? «Hoffentlich nicht.»
RIP Jure. Du warst einer der Besten, die je für den FCZ gespielt haben!


schwizermeischterfcz
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Re: Medien

Beitragvon schwizermeischterfcz » 16.04.22 @ 23:16

Dijbril Sow: „Steven Zuber spielt auch mit mir in Frankfurt, aber der ist ein Hopper, das machts etwas schwierig“

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tadaeus
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Re: Medien

Beitragvon tadaeus » 16.04.22 @ 23:44

[quote="schwizermeischterfcz"]Jemand mit NZZ-Magazin Abo?

INTERVIEW
«Anfangs haben wir uns nicht als ernsthafte Band gesehen, es war ein Witz»
Die Hip-Hop-Band Radio 200000 war in den 2000er Jahren eng mit dem FCZ und der Südkurve verknüpft. Zwei Bandmitglieder sagen, warum heute vieles anders ist.

Christine Steffen, Stephan Ramming
16.04.2022, 16.16 Uhr
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Radio 200000 ist beim letzten FCZ-Meistertitel auf dem Helvetiaplatz aufgetreten – vor 13 Jahren. Jetzt sieht es nach dem nächsten aus. War es ein langes Warten?

Daniel Nzekwu: Lustigerweise nicht. Was in den 2000er Jahren war, ist noch total präsent.
Ettore De Giovanni: Ich erschrak, als ich kürzlich merkte, wie lange es her ist. In meinem Gefühl ist es nicht so.

Warum nicht?

Nzekwu: 2006 war es einfach ein derart krasser Flash, das bleibt. Der zweite und dritte Titel sind verschwommen, aber vom ersten weiss ich noch jedes Detail.
De Giovanni: Wir hatten vorher lange nichts. Der Moment war so intensiv, er gab dir so viel, dass noch 30 Jahre nichts passieren könnte, und du würdest immer noch davon zehren.

Das Interessante ist, wie bei Ihnen Musik mit Fussball zusammenkam. Was ist da passiert?

Nzekwu: Unsere Musikanfänge sind bei den anderen beiden Bandmitgliedern Redl und Jet Domani. Die waren vorher in der Hip-Hop-Band Primitive Lyrics, einer der ersten Sprechgesang-Bands der Schweiz.

Und der Switch zum Fussball?

De Giovanni: Der lief über Hallygally. Zur Erklärung: Das ist so ein Bubenverein, den wir gründeten. Er steht ursprünglich für Brettsport, Surfen, Skaten. Aber wir waren immer auch Sympathisanten des FCZ. Als wir etwas älter wurden und nicht mehr so viel surfen und skaten gingen, wurde Fussball wichtiger.

«Irgendwann dachten wir, machen wir mal eine CD.» Radio 200000 machten Rap aus der Südkurve.
«Irgendwann dachten wir, machen wir mal eine CD.» Radio 200000 machten Rap aus der Südkurve.
Radio 200 000
Und Sie haben das Fussballumfeld als kreativen Freiraum entdeckt?

De Giovanni: Es war ein Ort, an dem Kultur entstand.
Nzekwu: Wichtig war auch die Flachpass-Bar, die Stadionbeiz im Letzigrund. Dort gab es zum Beispiel Rhyme-Battles. Radio 200000 hatte nie ein Konzept. Es ist alles passiert. Anfangs dachten wir, uns kann gar niemand lustig finden, weil vieles nur für Insider verständlich war. Wir haben uns nicht als ernsthafte Band gesehen, es war ein Witz. Doch plötzlich fanden uns immer mehr Leute lustig. Es hiess: «Ihr müsst neue Lieder schreiben.» Irgendwann dachten wir, machen wir mal eine CD.

Auch wenn Sie es lustig fanden: Ihre CDs sind State of the Art. Wenn man schaut, was in den 2000er Jahren im Mundart-Hip-Hop interessant war, sind Sie sicher unter den Top 3.

De Giovanni: Das ist der Aussenblick. Aber wir dachten nie daran, eine Musikkarriere zu starten.

Aber Sie haben Ehrgeiz entwickelt.

De Giovanni: Logisch. Wir wurden im Proberaum schon kreativ. Wir investierten viel Zeit. Wenn heute einer aus der Kurve hinaus Musik machen will, geht er ganz anders an die Sache heran. Wir stellten uns nicht vor, dass wir Erfolg haben können. Wir hatten Jobs, arbeiteten normal.

Nzekwu: Ich hatte lange das Gefühl: «Ihr seid doch nicht ganz dicht.» Wir geben 20 000 Franken aus, um in ein Studio zu gehen? Wir hatten das Geld ja gar nicht. Ein Kollege hat es uns vorgeschossen. Ich dachte immer, das sei Wahnsinn. Am Ende stehen wir mit 2000 CDs und 20 000 Franken Schulden da. Jet Domani sagte, wir würden dann eine Plattentaufe in der Roten Fabrik machen. Ich dachte immer, er rede vom Klubraum, aber er meinte die Aktionshalle.
De Giovanni: Die Aktionshalle war dann ausverkauft. Nach dem Abend wussten wir, die Leute haben einfach wahnsinnig Freude.

Sie sagen, heute laufe es anders in der Südkurve. Was kommt aus ihr heraus?

De Giovanni: Weniger einzelne Sachen, die dann gross werden, aber es passiert viel. Ich glaube, es ist heute wichtiger, mitzumachen, zur Kurve zu gehören, als ein Künstler zu sein, der aus dieser Kurve hinauswächst.
Nzekwu: Der FCZ selbst ist auch wichtiger geworden. Schaut Euch den Pfosten dort am Strassenrand an: Ich sehe neun FCZ-Kleber. Früher ging doch keiner zum Fussball.

Seltsamerweise wurde der FCZ Anfang der 2000er Jahre plötzlich hip – trotz notorischer Erfolglosigkeit.

Nzekwu: Ich verstehe es heute noch nicht. Völlig unabhängig vom sportlichen Erfolg fanden es viele Leute plötzlich lustig, in den Letzigrund zu gehen.

Hat Sie Fussball überhaupt interessiert?

Nzekwu: Mich schon. Aber viele andere nicht. Es war ein Begegnungsort. Ich lernte in der Südkurve Leute kennen, die ich sonst nie im Leben getroffen hätte. Auch solche, von denen ich dachte, mit denen will ich nichts zu tun haben. Es gab Alte, die schon lange in der Kurve waren, die waren gar nicht auf unserer Wellenlänge, sie waren gegen Ausländer, Schwule. Anfangs wurde mir fast schlecht, wenn ich denen zuhörte. Aber auch sie haben sich mit der Zeit verändert.
De Giovanni: Es sind sich Menschen nähergekommen, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben wollen.
Nzekwu: Es war eine interessante Zeit. Der Fussball war das Gefäss. Doch was inhaltlich stattfand, ging weit darüber hinaus.

Sie waren die inoffizielle Hausband des FCZ. War das auch eine Last?

Nzekwu: Es war Segen und Fluch. Wir wurden oft auf den FCZ reduziert. Gleichzeitig war es die beste PR-Strategie, die es gab. Wir haben sie nie bewusst eingesetzt, es ist einfach passiert. Wir thematisierten, was uns beschäftigte. Das ist im Hip-Hop zentral. Ich kann keinen Rapper ernst nehmen, der irgendwelche Geschichten erzählt, nur weil sie gut tönen. Es war einfach eine Zeit, in der viel passiert ist, auch in der Stadt.

Sie sagen, es sei viel passiert. Wie hat sich Zürich seit den 2000er Jahren verändert?

Nzekwu: Wenn wir vom Nachtleben reden: Früher war vieles selbst gemacht, es ging weniger ums Konsumieren. Du musstest vernetzt sein, um eine gute Party zu finden. Man konnte Dinge entdecken oder einfach machen. Das war auch der Groove bei Radio 200000 – einfach mal machen. Heute kannst du am Wochenende zwischen 20 Partys wählen. Sicher auch cool – aber halt nicht mehr so spannend.
De Giovanni: Wegen Fluch und Segen: Wir haben einen Abschnitt unseres Lebens in Lieder verpackt. Und die Leute aus der Kurve haben uns brutal unterstützt. Das war das Positive.
Nzekwu: Die Riesenbasis hat uns gegenüber anderen Bands bevorteilt. Einmal sprangen wir auf Vermittlung eines FCZ-Fans als Vorband des deutschen Musikers Gentleman in Lörrach ein. Wir hatten noch nicht einmal eine CD.
De Giovanni: Es war ungefähr mein drittes Konzert. Wir spielten vor 2500 Leuten, ich dachte, ich sterbe.
Nzekwu: Aber auch dort: Zwei Cars kamen aus Zürich. In der ersten Reihe Südkurvenfähnli. Da wusste ich: Schön, ich bin safe.
De Giovanni: Viele Dinge, die passiert sind, hatten mit dem Netzwerk der Südkurve zu tun.

Der FCZ und die Kurve hatten eine ziemlich grosse Bedeutung in Ihrem Leben.

Nzekwu: Er war schon zentral. Eine Zeitlang ging ich auch an alle Spiele, egal wo. Einmal war Match in Thun, wir mieteten einen Car, wir waren vielleicht 30 Leute. Aber ich dachte: «Wow, so viele Leute, die auswärts an ein Spiel gehen!»

Der Fussball war Anlass, um etwas zu erleben, das nicht im engen Sinn Sport war.

Nzekwu: Du hast sicher nicht Thun – FCZ geschaut, weil es toller Fussball war. Oder bist an Heimspiele gegangen, wo du gegen Yverdon verloren hast mit 1800 Zuschauern oder so.
De Giovanni: Das Stadion war ein Ort, an dem man auch einmal Dampf ablassen konnte. Wir haben nie schlimme Dinge gemacht, aber wir waren laut, haben gesungen. Es war ein Ventil.

Ist die Attraktivität für die jungen Leute heute die gleiche?

Nzekwu: Ich glaube, es ist anders. Ich unterrichte an einer Schule für Jugendliche, die überall hinausgeflogen sind. Dort hat es viele, die an die Spiele gehen. Ich würde nie für alle Leute in der Südkurve reden. Aber meine Kids wollen Action, es ist mehr so ein Gang-Ding. Es kann jederzeit etwas passieren. Ich verstehe ihre Motivation, wahrscheinlich wäre ich gleich, wenn ich 18 wäre.

Warum gab es diese Entwicklung?

Nzekwu: Es ist alles grösser geworden. Und ein Knackpunkt war sicher die Euro 2008 in der Schweiz. Sie hat alles verändert, weil alles professionalisiert wurde. Plötzlich gab es diese modernen Stadien mit den Einlasskontrollen. Für die Ultras hiess es, sie müssen auch professioneller werden. Ich bin froh, habe ich andere Zeiten erlebt. Damals hat es die Öffentlichkeit überhaupt nicht interessiert, was in den Stadien geschieht.

Die Fankurven sind heute ein Dauerbrenner.

Nzekwu: Sie sind die grössten Jugendhäuser der Schweiz und das Fantum ihre grösste Subkultur. Dort finden die Jugendlichen noch etwas Unberechenbares; alles andere ist reglementiert. Wenn du heute in den Ausgang willst, musst du erstens Geld haben. Zweitens musst du vielleicht noch gut aussehen oder die richtigen Leute kennen, damit du in einen Klub kommst. Es ist lässig, ist so viel passiert in der Kultur, aber das heisst nicht, dass es automatisch allen zugänglich wäre. Damals war es offener. Und als Jugendlicher will man ja eine Identität bilden – da ist eine Kurve natürlich super. Du brauchst kein gesellschaftliches Standing, um dazuzugehören. Jeder kann mitmachen.

Die Südkurve vor dem historischen Spiel zwischen dem FC Zürich und dem Grasshopper Club Zürich. (30. April 2006)
Die Südkurve vor dem historischen Spiel zwischen dem FC Zürich und dem Grasshopper Club Zürich. (30. April 2006)
Alessandro Della Bella / Keystone
Was bedeutet Ihnen der FCZ heute?

Nzekwu: Meine Stimmung wird immer noch stark beeinflusst von seinem Abschneiden. Ich freue mich eine Woche lang, wenn wir gegen YB gewonnen haben.

Der Verein und der Fussball haben sich stark verändert. Die Spieler kommen und gehen. Können Sie sich noch identifizieren?

De Giovanni: Alles ist professioneller. Ich nehme das hin.

Hat der Klub ein Bewusstsein für die kulturellen Aspekte des Fussballs?

Nzekwu: Ich finde, der FCZ macht es gut. Es gibt immer noch einen regelmässigen Austausch zwischen den Offiziellen und Leuten aus der Kurve. Und der FCZ ist doch immer noch Old School: Ancillo Canepa ist ein klassischer Patron. Da gibt es keinen Riesenunterschied zu Sven Hotz. Bei uns gibt es keine Chinesen und undurchsichtige Strukturen. Ich identifiziere mich mit dem Verein.
De Giovanni: Ancillo Canepa hat sich auch ein bisschen zurückgenommen. Das war wichtig und hat dem Klub gutgetan.
Nzekwu: Nostalgie geht mir eigentlich ab. Aber klar: Ich schaue jedes Schrottspiel im Fernsehen, es kann auch dritte deutsche Liga sein. Wenn ich dann eine Kurve von 20 Schnäuzen sehe, werde ich schon auch nostalgisch. Dann denke ich: Es wäre schön, einer von denen zu sein. Der Underdog, den niemand ernst nimmt. Du bist einer von wenigen, es ist völlig irrelevant, was passiert. Mir gefällt das. Das ist heute in der Südkurve nicht mehr so.
De Giovanni: Im Moment brodelt es sehr in der Stadt. Klar: Wir stehen wahrscheinlich kurz vor dem Meistertitel. Die Präsenz in der Stadt ist enorm. Ich bin gespannt, was passiert, wenn der FCZ Meister wird.
Nzekwu: Mein Gefühl ist nicht annähernd vergleichbar mit dem von 2006.
De Giovanni: Was wir damals in Basel in der 93. Minute erreicht haben, ist nicht zu toppen.
Nzekwu: Mir war an diesem 13. Mai schon völlig klar, dass es nie mehr besser wird. Aber das ist auch okay. Ich bin froh, war ich dabei.

Zur Person
Ettore De Giovanni
Ettore De Giovanni
De Giovanni (46) arbeitet als Projektleiter im Marketing von SRF. In der Band trat er unter dem Namen Krasseranz auf.
Zur Person
Daniel Nzekwu
Daniel Nzekwu
Nzekwu (46) ist Lehrer. Bei Radio 200 000 war er als Sgoing Erlöst oder Okocha unterwegs.
Fussball und Musik: Als die Zürcher mit Alex Frei rappen sollten
Hip-Hop, Rap, Street-Art, Sprayen, Skateboarden, Party machen und einiges mehr, was jüngere Menschen so umtreibt – nach der Jahrtausendwende mischt sich die veränderte Jugendkultur allmählich auch in das Brauchtum der Fankurven in den Schweizer Fussballstadien.

Die Zürcher Hip-Hop-Crew Radio 200 000 machte damals die bis heute virulente Kulturalisierung rund um den Fussball exemplarisch sichtbar. Siebzehn Jahre nach der Veröffentlichung zeigt das Album «Installation», dass der Nährboden Fussball in seiner sozialen und gesellschaftlichen Dimension zu künstlerisch Bleibendem führen kann. Das Wiederhören von «Installation» und auch des Nachfolgers «Aktuelle Hits» (2008) macht immer noch Freude.


Freude, weil es auch, aber letztlich nur am Rand, um Fussball geht, wenn die vier Rapper ihre Verse über Beats reimen. Die Zürcher Langstrasse bekommt ein Porträt der späten 1990er Jahre, wie es für die 1950er Jahre der Regisseur Kurt Früh in seinen Filmen gemacht hat. Das traditionsreiche Züri-Fäscht erfährt eine Umdeutung in die Gegenwart. Die Entstehung der S-Bahn-Schweiz wird thematisiert. Und da ist immer auch Platz für Humor – bis heute weder im Fussball noch im Hip-Hop eine geläufige Eigenschaft.

Für den raffinierten Reim-Mix aus Gassenslang, Worterfindungen und dem unvermittelten Gebrauch von angestaubten Sprachwendungen interessieren sich schon damals Mundartforscher, wegen der eklektischen Beats spricht die Musikkritik von Radio 200000 als den «Schweizer Beastie Boys». Der clevere Mix hat auch damit zu tun, dass mit Redl und Jet Domani zwei Mitglieder schon Erfahrungen gemacht haben mit den Schweizer Rap-Pionieren Primitive Lyrics.

Nach deren Ende haben die beiden den Faden wieder aufgenommen, als im Umfeld des FCZ ein frischer Wind zu wehen begann. Mit Krasseranz und Okocha liefern sie über Radio 200000 den Soundtrack, der weit über FCZ- und Fussballkreise hinaus geschätzt wird. Ihre Konzerte sind gut besucht, die Präsenz in den Medien ist hoch.

Sogar eine Werbeagentur in Hamburg fragt an, ob Radio 200000 den WM-Song eines Kartoffelchips-Produzenten schreibe, in dem Alex Frei die Hauptrolle spielt, der gerade zum FC Basel gewechselt hat. Entsetzt lehnen die Zürcher ab. Frei lässt sich zum Sound der längst vergessenen Basler Crew «Bandit» als Chips-Rapper inszenieren.

Für Radio 200000 endet der Weg in den frühen 2010er Jahren. Doch ihr Status als Legenden und Wegbereiter bleibt; vielleicht gerade deshalb, weil sie in einem Umfeld gewirkt haben, in dem sie ohne grosses Kalkül ihrer Lebenswelt zwischen Fussballfan, Partygänger und Musikliebhaber Ausdruck verliehen haben. Wer sich heute durch das aktuelle Hip-Hop-Schaffen hört, stösst immer wieder auf Fussball-Anleihen und -Referenzen. Nur selten aber sind Reime und Beats beseelt von der eleganten Leichtigkeit, die Radio 200000 auszeichnet.

Das hat wahrscheinlich damit zu tun, dass die Zürcher Formation im Umfeld der Stadiongänger zusammengefunden hat und nicht umgekehrt als Band ein oder zwei Lieder über den Fussball oder ihren Klub geschrieben hat. So war es beispielsweise bei den Fussballfreunden von Züri West und ihrem «Hütt hei sie wieder mau gwunne», so war es bei Baschis «Bring en hei», oder so war es schon im letzten Jahrtausend bei «Nume GC» von Nöggi.

Radio 200000 steht für ein jüngeres Phänomen, das die Fussballanhänger selbst als eigenständige kreative Kraft ins Zentrum rückt – mit allen Risiken und Nebenwirkungen, die dazugehören.

Es ist keine neue Erkenntnis, dass Fussball und Musik Geschwister sind. Der Schriftsteller Karl Ove Knausgård hat dies unlängst im Interview mit der «Süddeutschen Zeitung» so beschrieben: «Musik ist etwas Ungeheures. Sie schafft auf der einen Seite ein Band zwischen Individuen. Sie ruft Kollektive ins Leben. Und sie eröffnet auf der anderen Seite eine Möglichkeit der Individuation. Fussball ist etwas Ähnliches.» Radio 200000 sind ein schönes Beispiel für diesen Gedanken – auch wenn Knausgård wohl nie gehört hat von den Zürcher Legenden.

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laissa
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Re: Medien

Beitragvon laissa » 17.04.22 @ 0:29

Dieser Text geht runter wie Honig.
Danke, 1a

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Dieter
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Re: Medien

Beitragvon Dieter » 17.04.22 @ 4:44

laissa hat geschrieben:Dieser Text geht runter wie Honig.
Danke, 1a


Wirklich grossartig

Nzekwu: Er war schon zentral. Eine Zeitlang ging ich auch an alle Spiele, egal wo. Einmal war Match in Thun, wir mieteten einen Car, wir waren vielleicht 30 Leute. Aber ich dachte: «Wow, so viele Leute, die auswärts an ein Spiel gehen!»


Und dann de Banner liege lah ;))
Gruss an die Milchtrinker
Zuletzt geändert von Dieter am 18.04.22 @ 8:28, insgesamt 1-mal geändert.

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Hugo_Bengondo
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Re: Medien

Beitragvon Hugo_Bengondo » 18.04.22 @ 5:23

Fände ich sehr geil wenn die Jungs von R200k noch mal auftreten würden!
Das isch d'Hose wo muesch loße!
I däre graue chline Stadt bisch du s'gröscht!

Kollegah
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Re: Medien

Beitragvon Kollegah » 22.04.22 @ 13:19



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