«Jetzt muss der FCZ sagen: Wir wollen Meister werden!»
Er war der Sportchef, als der FCZ 2006, 2007 und 2009 Meister wurde. Nun erklärt er den Höhenflug in dieser Saison.
Thomas Schifferle
Publiziert heute um 19:59 Uhr
«Dieser Wille, Glaube und Zusammenhalt»: Fredy Bickel über die grosse Stärke dieser FCZ-Mannschaft.
Foto: Jean-Guy Python (Keystone)
Wie ist der FCZ auf dem Weg zum Titel noch zu stoppen?
Gar nicht mehr, ausser er würde völlig den Boden unter den Füssen verlieren. Aber das ist bei diesem Trainer und diesem Teamgeist nicht möglich.
Nach dem 2:0 in Lausanne beträgt sein Vorsprung 11 Runden vor Schluss 15 Punkte. Wenn er da nicht Meister wird, ist er selbst schuld, oder?
Ja klar! Dann hätte der FCZ noch mehr Fehler gemacht, als es Basel und YB diese Saison gemacht haben. Nur: Ihm wird das nicht passieren.
Was zeichnet ihn aus?
Er hat genau den Trainer, den er gebraucht hat. Und zwar einen, der gut kommuniziert, der eine gute Rhetorik hat, sehr viel Empathie und eine grosse Sozialkompetenz. Genau das hat dem FCZ gefehlt. Dazu gibt es eine Mannschaft, die ich in meiner Zeit im Fussball, also seit über 30 Jahren, vielleicht einmal erlebt habe, beim Gewinn der Meisterschaft 2006. Auch da hatte sie einen unglaublichen Willen, Glauben und Zusammenhalt. Auch wenn man nicht Fan des FCZ ist: So etwas berührt und freut einen.
Diese berühmte Saison 2005/06 mit der 93. Minute von Basel…
Was auch eine Parallele zu heute ist: Auf dem Papier konnten wir damals ebenso wenig Meister werden wie der FCZ jetzt. Wirklich nicht! Basel war eine grosse Macht. Doch die Spieler sagten schon im Winter trotz acht Punkten Rückstand: «Wir wollen Meister werden.» Und als der FCB dann drei Tage vor diesem 13. Mai in Bern verloren hatte, war für alle klar: Wir werden in Basel gewinnen! Diese Mentalität, diesen unzerstörbaren Glauben sehe ich bei der Mannschaft von heute auch.
Präsident Ancillo Canepa macht zwei Baumeister für den Erfolg aus: den Trainer und vor allem Marinko Jurendic als Sportchef. Teilen Sie diese Einschätzung?
Beim Trainer ist es klar. Ich würde die Mannschaft aber ebenso hervorheben. Und wenn beides stimmt, dann muss der Sportchef alles richtig gemacht haben. Sein Wissen wird intern auch gerühmt, er müsste eigentlich einen Doktortitel haben.
Von 2003 bis 2012 erfolgreicher Sportchef beim FCZ: Fredy Bickel (56), heute Experte bei Blue.
Foto: Christian Merz (Keystone)
Wie sehen Sie die Rolle von Canepa?
Ich habe Freude, wie er sich angepasst hat. Ist anpassen das richtige Wort? Nein, wie er sich auf den neuen Trainer und die neue Situation eingestellt hat. Er spricht anders.
Das heisst?
Er hat seine Sprache eher dem Trainer angepasst. Er verhält sich ruhiger und hat das Gespür, dass er sich zurücknehmen muss, weil das Sportliche von selbst läuft. Das finde ich stark, wenn man seinen Charakter kennt, seine Persönlichkeit…
…und seine Emotionalität.
Und seine Emotionalität, genau.
Der FCZ profitiert allerdings auch von den Schwächen der Gegner.
Er macht vieles gut, ja. Aber was auch für ihn spricht: Er ist wirklich vom ersten Tag an bereit gewesen, um die Fehler der anderen auszunutzen. Und je mehr Punkte die Gegner liegen lassen, desto besser geht es ihm, desto grösser sind der Rückenwind und das Selbstvertrauen. Wenn er sieht, wie die anderen stolpern, gibt ihm das enorm Aufwind. Ich kann es so zusammenfassen: Die Gegner haben Zürich in der Rückrunde noch einmal stärker gemacht.
Was ist denn in Basel und Bern schiefgelaufen?
In Basel ist es hausgemacht. Da werden die Verantwortlichen noch sehen, dass sie mit der Art, wie sie den Verein führen, keinen Erfolgen haben werden. Und die Young Boys? Sie habe ich lange in Schutz genommen: neuer Trainer, viele Verletzungen… Selbst vor der Rückrunde glaubte ich noch, dass sie Zürich abfangen können. Aber was ich nicht verstehe, ist ihre Transferpolitik im Winter. Damit haben sie ihren grossen Vorteil vom qualitativ besten Kader aus der Hand gegeben (mit den Abgängen von Nsame, Aebischer, Martins und Hefti, die Red.) – und das ohne Druck. Und was die vielen Verletzten betrifft: Irgendwo muss es eine Erklärung dafür geben. Diese Häufung ist nicht einfach nur noch Pech.
Der FCZ hat in den letzten sieben Runden den Vorsprung gegenüber YB fast verdoppelt, von 8 auf 15 Punkte…
…ja, und stellen Sie sich die Situation im vergangenen Juli vor. YB lag in der Saison zuvor 31 Punkte vor Basel und 41 vor dem FCZ. Dann bleibt die Mannschaft mehr oder weniger zusammen. Nur der Trainer wechselt. Und jetzt? Jetzt liegt YB 15 Punkte zurück. Das heisst, es hat innert knapp acht Monaten 56 Punkte auf den FCZ verloren. Eigentlich ist das gar nicht möglich.
Wie lange kann der FCZ noch bei seiner defensiven Kommunikation bleiben und sagen, ach, wir nehmen Spiel für Spiel?
Sie war bis heute gut. Aber jetzt sind mehr als zwei Drittel der Saison gespielt. Und jetzt muss der FCZ sagen: Wir wollen Meister werden!