Der FC Zürich befindet sich auf der Suche. Wieder einmal. Fünf Monate lang nur durfte Massimo Rizzo offizieller Cheftrainer sein. Jetzt muss er seinen Posten bereits wieder verlassen, obwohl er erst an Heiligabend einen Vertrag bis Juni 2022 unterschrieben hat.
Es ist trotzdem keine Überraschung, dass Rizzo das Vertrauen entzogen wird. Zu schwach waren die Auftritte und die Resultate unter seiner Führung im Jahr 2021. Zu ausweichend beantwortete Ancillo Canepa bereits nach dem 0:4 in Basel Fragen nach der Zukunft seines Trainers.
Der Trainer allein ist nicht das Problem
Natürlich wäre es ein grosser Fehler, die enttäuschende Saison des FCZ allein an Rizzo festzumachen. Der 47-Jährige hinterliess stets den Eindruck eines ernsthaften, aber glücklosen Arbeiters. Gleichzeitig wirkte er nie wie einer, der die Kraft hat, eine launische Mannschaft nachhaltig aufzurütteln.
Vermutlich hätte er die auch gar nie entwickeln können. Was daran liegt, wie dieser FC Zürich funktioniert. Beim FCZ kreist alles um Ancillo Canepa als Clubbesitzer, Geldgeber und Präsident, ohne den keine Entscheidungen getroffen werden.
Der FCZ setzt sich die Latte gerne sehr hoch. Und rennt dann mit Anlauf untendurch.
Auf Canepa kommt es also an, wenn es darum geht, den elften Trainer seiner knapp 15-jährigen Amtszeit zu finden. Nach dem gesicherten Ligaerhalt versprach der 68-Jährige eine «ruhige Analyse».
Will der FCZ wieder weiter oben mitspielen als in den letzten drei Jahren, dann muss diese Analyse den gesamten Club betreffen. Diesmal reicht es nicht, die arbeitslosen Trainer zu sondieren – und sich dann vielleicht doch wieder im eigenen Nachwuchs zu bedienen.
Nein, erst muss sich der FCZ schonungslos eingestehen, was er in den letzten Jahren war: ein Club, der sich jeweils die Latte gerne sehr hoch setzt – um dann mit Anlauf untendurch zu rennen.
Das liegt nicht nur an den Trainern, die in Zürich gearbeitet haben. Wobei Canepas Trefferquote in den letzten Jahren bemerkenswert tief war.
Sami Hyypiä war der vermutlich unqualifizierteste Coach, der je beim FCZ an der Seitenlinie stand. Rizzo, Ludovic Magnin und Rolf Fringer gehören alle zu den Trainern mit dem schlechtesten Punkteschnitt in der Clubgeschichte. Und Uli Forte wurde fortgejagt, obwohl das Team mit ihm im Cup-Halbfinal und auf Rang drei der Liga stand.
Als Canepa vor dem Saisonstart von dieser Zeitung gefragt wurde, ob der FCZ noch immer ein Spitzenclub sei, reagierte er mit Gegenfragen: «Wo waren Sie in den letzten 15 Jahren? Hatten Sie einen anderen Beruf?» Und natürlich hat er recht, wenn er auf die Strukturen seines Clubs verweist, auf seine historischen Erfolge und die Nachwuchsabteilung.
Aber jetzt ist es an der Zeit, aus den Träumen einer glorreichen Vergangenheit aufzuwachen. Fussball ist kein Geschäft, in dem sich der Erfolg aufbewahren lässt. Er muss ständig neu erarbeitet werden.
Der FCZ droht den Anschluss zu verpassen
Und derzeit droht der FCZ ganz objektiv den Anschluss zu verpassen. Der Stadtrivale GC mag zwar nach seinem Aufstieg noch keine Mannschaft und keinen Trainer haben. Aber er hat chinesische Geldgeber, die von Titeln reden.
In Lausanne deckt der Chemiegigant Ineos mal eben so eine Lücke von über neun Millionen Franken im Budget. Servette hat dank Rolex Stabilität gefunden. Luzern und St. Gallen haben zwar kein Geld – dafür entwickeln sie eine fussballerische Identität.
Natürlich kann der FCZ die Kraft entwickeln, sich diesen Kontrahenten entgegenzustellen. Aber dann muss er sich jetzt fragen, ob er ein klares Konzept hat. Und vor allem, ob er dieses auch konsequent umsetzt.
Fragen, die nur Ancillo Canepa beantworten kann
Für welchen Fussball soll der Club stehen? Decken sich die Vorgaben, die im Nachwuchs gelten, mit jenen, die in der ersten Mannschaft umgesetzt werden? Passen die Spieler in der ersten Mannschaft zum angestrebten Spielstil? Und dann erst: Welcher Cheftrainer kann das alles erfolgreich im Profiteam umsetzen?
Und nicht zuletzt: Erhalten alle Clubmitarbeiter auch die Kompetenzen, um ihre Aufgaben selbstständig zu erfüllen? Duldet Canepa nebst seiner Ehefrau Heliane weitere starke Menschen in seinem Verein? Ist er daran interessiert, herausgefordert zu werden, und bereit, auch einmal eine andere Meinung als die seine als gleichwertig zu anerkennen?
Das sind viele Fragen, die nur Ancillo Canepa beantworten kann. Mit seiner frühzeitigen Entscheidung gegen Rizzo hat er sich und dem Club zumindest ein kleines Zeitfenster gegeben, um daran zu arbeiten.
Kann Canepa mit jemandem arbeiten, der mit einem eigenen Machtanspruch in den Club kommt?
Anders als im letzten Sommer, als er die eigentlich unvermeidbare Trennung von Magnin nicht mit dem Saisonende vollzog. Und so den Stolperstein für eine Spielzeit legte, die im Abstiegskampf endete.
Namen potenzieller Rizzo-Nachfolger gibt es viele. Bei den meisten stellt sich die Frage: Können sie sich vorstellen, unter Canepa zu arbeiten? Oder umgekehrt: Kann der FCZ-Präsident mit jemandem arbeiten, der mit einem gewissen eigenen Machtanspruch in den Club kommt?
Mit René Weiler etwa, der in Belgien und Ägypten Meister geworden ist. Der aber auch den Ruf eines sehr eigenständigen Denkers hat – und seine Meinung gerne öffentlich kundtut. Oder mit Bruno Berner, der als FCZ-Nachwuchstrainer nicht nur begeistert gewesen sein soll ob der Einflussnahme des Präsidenten. Oder mit Mauro Lustrinelli, dem Trainer der Schweizer U-21.
Für wen auch immer sich der FCZ entscheidet: Ein weiterer Fehlgriff ist verboten. Sonst wird das Wort Spitzenclub durch einen unschönen Begriff ersetzt: Abstiegskandidat.
Quelle: Tagi