Christian Zürcher
Es ist ein Nachmittag, bei dem die Nachteile überwiegen, auch bei Blerim Dzemaili.
Blerim Dzemaili – Der laute Grantler
Im Mittelfeld des FCZ gibt es zwei Spieler, die mit ihrer Stimme erhöhte Dezibelwerte erreichen. Einer ist Antonio Marchesano, man hört ihn, vor allem dann, wenn er seine Mitspieler lobt. «Bravo, bravo, bravo», ruft er zum Beispiel nach dem ersten Tor. Und dann gibt es Blerim Dzemaili, dieser hört man meist dann, wenn es nicht läuft, und noch mehr, wenn es ihm persönlich nicht läuft. Und gegen Luzern tut es das oft. Dzemaili hadert und reklamiert.
Dzemaili kann sich noch eine Minute später über Entscheide aufregen und die Offiziellen an der Seitenlinie anpflaumen: «Das ist Eckball gewesen, hey, Eckball!» Als Schürpf verwarnt wird, ruft er: «Endlich mal!» Und als er ein weiteres Mal den vierten Offiziellen angrantelt, bekommt er seine bereits fünfte Gelbe Karte für den Tatbestand Reklamieren in dieser Saison.
Die Balance im Mittelfeld mit den Kollegen Marchesano und Doumbia stimmt zudem häufig nicht. Das hängt auch damit zusammen, dass Dzemaili im Zentrum oft den riskanten Pass sucht und den Adressaten nicht immer findet. Dass er vorne das Pressing auslöst, aber häufig nicht zurückeilt. Es entstehen sehr ungemütliche Situationen für seine Kollegen und dann auch ziemlich verhängnisvolle. Er ist der Mann, der vor dem 1:2 den Ball verliert. Er ist der Spieler, der kurz darauf den eigenen Kollegen Fabian Rohrer von den Beinen holt und damit die Niederlage einleitet.
Natürlich, Dzemaili macht auch gute Dinge, es gibt die positiven Aspekte. Er ist derjenige Spieler, den man am besten spürt, der am meisten gewinnen will. Ihm gelingen ein paar gute Pässe und Freistösse, er löst Pressingsituationen aus. Bloss werden diese Dinge übertüncht vom Negativen.
Massimo Rizzo – Kann er Feuer machen?
Der Trainer hat seit dem YB-Spiel das System gewechselt. Statt mit dem 4-2-3-1 und einer Doppelsechs, agiert der FCZ mit einem 4-1-4-1 und bloss einem Mann vor der Abwehr, gegen Luzern war das Ousmane Doumbia. Vor diesem spielen Blerim Dzemaili und Antonio Marchesano. Das zeugt von Rizzos Mut. Einerseits greift der FCZ damit den Gegner früher an, hinterlässt andererseits aber hinter den auf Pressing spielenden Akteuren grössere Räume. Beim frühen 1:0 durch Aiyegun Tosin geht Ersteres auf. Louis Schaub fehlen die Anspielstationen und er entscheidet sich zu einem verhängnisvollen Ball in die Mitte, der zum Fehlpass wird.
Es ist ein System mit Tücken, vor allem wenn Blerim Dzemaili wie Blerim Dzemaili spielt, siehe auch oben. Es gibt dem Gegner Überzahlsituationen, wenn einmal die erste Zürcher Welle überwunden ist. Captain Yanick Brecher sieht das ganz pragmatisch: «Wir sind seit dem Winter in der Defensive sehr anfällig, das hat nicht mit dem neuen System zu tun.»
In anderen Worten: Das System ist nicht schuld an der Niederlage. Rizzo spricht nach dem Spiel von Details, vom fehlenden Erzwingen des eigenen Glücks, auch bekannt als Wille, Kampf und Trotz. Eigentlich Grundtugenden im Abstiegskampf. Der FCZ lässt dies vor allem in der zweiten Halbzeit vermissen. Und wenn dann Rizzo nach dem Spiel wie ein Häufchen Elend vor den Journalisten sitzt, mit bedienter Miene und leiser Stimme, fragt man sich: Wer entfacht bei dieser Mannschaft das seit Wochen vermisste Feuer?
Fabian Rohner – Wie drei Gläser Champagner
Sein Drang nach vorne und seine Finten sind in der ersten Halbzeit wie drei Gläser Champagner: sehr belebend. Doch weil auf Rohners Funktionsbeschrieb Rechtsverteidiger steht, offenbaren die Aktionen häufig auch die fehlende Balance im Zürcher Spiel. Wiederholt sichert niemand für den nach vorne preschenden Rechstverteidiger ab, stets entstehen gefährliche Räume für Luzern.
Es ist kein neues Problem. Die rechte Seite ist so etwas wie die Sollbruchstelle der Zürcher Defensive. Seit Monaten ist sie die Schwäche im Abwehrverbund, seit Monaten auch greifen die Gegner am liebsten über dieses Zürcher Couloir an. So überrascht nicht, dass Luzern über Rohners Flanke durch Ndiaye den Ausgleich schiesst. Einen Angriff lang haben die Luzerner sehr viel Zeit, am Schluss sieht auch Goalie Brecher nicht sehr glücklich aus.
Rohner passt sich dann in der zweiten Halbzeit seinen Kollegen an, er kann offensiv kaum mehr Akzente setzen. Drei Gläser Champagner sind einfach nicht genug.
Aiyegun Tosin – Einmal mehr das Huhn-Ei-Problem
Er durchlebte zuletzt eine Zeit der Formlosigkeit, nun aber nehmen seine Leistungen wieder Form an. Tosin trifft wieder regelmässig. Wie er beim 1:0 den Ball übernimmt und zielstrebig den Weg zum Tor sucht, wie er aus vollem Lauf abschliesst, und wie er es schafft, den Ball punktgenau im Ziel zu versorgen, das ist ausserordentlich.
Ausserordentlich ist auch, dass es ein seltener Aufblitzer seiner Klasse bleibt. Die Ursachensuche ist eine weitere Variante des an dieser Stelle bereits durchdeklinierten Huhn-Ei-Paradoxons (lesen Sie dazu mehr hier). Liegt es an Tosin, dass er anschliessend viel zu wenig seine Geschwindigkeit ausnutzen kann? Oder eher daran, dass ihn seine Kollegen viel zu wenig in Szene setzen?
Fakt ist, dass der FCZ nachlässt und nach der Pause wieder sonderbar passiv wird. Und so verlässt sich der FCZ darauf, dass die Konkurrenten Sion und Vaduz im Abstiegskampf ähnlich inaktiv bleiben im Kampf um Punkte. Besonders nachhaltig scheint das nicht.
Blaz Kramer – Wenigstens fair
Zugegeben, er hat es nicht leicht gegen die Abwehr des FC Luzern. Doch er macht auch wenige Dinge wirklich gut. Entweder schliesst er zu spät ab, kommt bei einer vielversprechenden Flanke zu spät, oder er ist schlicht zu langsam auf den Beinen. Er bräuchte ein Erfolgserlebnis, er bräuchte etwas Selbstvertrauen – solange er am Mangel dieser Sachen leidet, sieht sein Gehen über den Platz immer auch ein wenig nach Irrlichtern aus.
Und so muss man es schon an als Erfolg werten, dass Kramer nach einem Schiedsrichterball eben diesen Ball dem Gegner überlässt und die Grundsätze des Fairplays nicht aushebelt. Das ist, zugegeben, nicht sehr viel.