Kiyomasu hat geschrieben:https://www.tagesanzeiger.ch/als-haette-der-fc-zuerich-ploetzlich-ein-gewissen-113453356340
Kann jemand diesen Artikel posten? Man dankt :)
Erster FCZ-Saisonsieg
Als hätte der FC Zürich plötzlich ein GewissenDer FCZ schiesst gegen Vaduz vier Tore und gewinnt zum ersten Mal in dieser Saison. Auffallend ist vor allem, dass der neue Trainer Massimo Rizzo völlig andere Vorgaben gibt als sein Vorgänger.
Massimo Rizzo stand nach Spielschluss mit fader Miene an der Seitenlinie des Rheinpark-Stadions und erklärte, wie der FC Zürich zum 4:1 in Vaduz gekommen war. Er sprach klar, nüchtern, monoton über sein erstes Spiel als interimistischer Trainer des FCZ. Also genau so, wie seine Mannschaft gespielt hatte. In diesem kurzen Auftritt Rizzos vor den Medien war eine Demut zu sehen, zu hören, zu spüren. Die neue Demut des FCZ?
Der FC Zürich war aus 12 aufeinanderfolgenden Spielen ohne Sieg gekommen, hatte im vorangegangenen Spiel in Lausanne eine desaströse Leistung gezeigt und 0:4 verloren, hatte die Entlassung des Trainers Ludovic Magnin verkraften müssen. Der FCZ war Tabellenletzter gewesen, hatte Wochen und Monate der Konfusion hinter sich und zuletzt eine Corona-bedingte Absage des Spiels gegen den FC Basel. Rizzo, zuletzt Trainer der U-18-Teams, musste den FCZ aufrichten.
Rizzo erkannte, dass der FCZ derzeit zu wenig Selbstbewusstsein, Stabilität und spielerische Klasse hat, um sich der Idee des offensiven, mutigen, schönen Fussballs hinzugeben, die der Vorgänger Ludovic Magnin als Mantra rezitiert hatte. Rizzo erkannte auch, dass er dem Team über die taktische Ausrichtung eine Sicherheit vermitteln muss. So stellte er vier gelernte Innenverteidiger in die Viererkette. Lasse Sobiech und Nathan verteidigten im Zentrum, Becir Omeragic und der jüngst engagierte Fidan Aliti im Couloir. Sie hielten stand, sie wagten sich kaum je in die Offensive.
Rizzo sagte, er habe den FC Vaduz analysiert und das eigene Spielsystem angepasst. Er wollte die Aussenbahnen doppelt gesichert haben, und so hielten sich Benjamin Kololli und Aiyegun Tosin, die im Herzen immer stürmen, auf den Seiten des Mittelfelds zurück. Vor der Abwehr rannte und drängte der jüngst verpflichtete Ousmane Doumbia den Gegner ab – zwei seiner Ballraube führten zu Toren. Und neben ihm schien Toni Domgjoni mit jeder Minute an Selbstüberzeugung zu gewinnen. Es war, als habe er mit Doumbia plötzlich ein Gewissen neben sich.
Der Trainer Rizzo sagte nach dem Match, dass der Spielverlauf dem FCZ entgegengekommen sei. Durch das frühe 1:0 und das baldige 2:0 war das Spiel zur Pause entschieden. Und mit dem FC Vaduz hatten die Zürcher einen Gegner, der keiner war. Ein Gegner, der mit stupender Behäbigkeit und Langsamkeit und fehlender Inspiration irritierte. Die Leistung des FC Vaduz war auch ein Antrittsgeschenk an Rizzo.
Und doch war der deutliche Sieg des FCZ auch das Resultat einer neuen Haltung. Der selbst ernannte Spitzenclub, seit Februar 2018 und bis vor kurzem angetrieben vom lauten, vorlauten, selbstbewussten Trainer Ludovic Magnin, war plötzlich ergeben genug, den Aufsteiger Vaduz ernst zu nehmen. Ihn zu analysieren und die eigene Taktik anzupassen, ja gänzlich zu verändern. Der FC Zürich, der in der Vergangenheit so oft blind nach vorne rannte, verbarrikadierte sich plötzlich um den eigenen Strafraum.
Die Spieler verstanden und setzten um, was der Trainer Rizzo verlangt hatte. Lasse Sobiech sagte nach dem Spiel: «Wir wollten Sicherheit erlangen. Wir pressten zwar, aber nicht zu früh. Wir wussten genau, was wir taten.» Fidan Aliti sagte: «Wir wollten kompakt sein. Die Defensive hatte Priorität.» Und der Goalie Yannick Brecher sagte: «Wir kümmerten uns um die Basics und wollten Risiko vermeiden. Derzeit gilt Safety First. Das Spektakel muss warten.»
Rizzo, 46 Jahre alt, scheint ein Trainer zu sein, der sich und seine Wunschvorstellung von Fussball nicht zu wichtig nimmt. Darin ist er dem Vorgänger Magnin voraus. Es heisst von Rizzo, sein liebstes Spielsystem sei ein offensives 4:3:3. Doch zum Start liess er seine Spieler in einem altmodischen, kompakten, fast langweiligen 4:4:2-System spielen. Die Umstände hatten es verlangt.
Am Schluss wurde Rizzo gefragt, ob der Sieg auch ein Argument für eine Zukunft als fixer Trainer des FCZ sei. Derzeit ist offen, ob er noch Interimstrainer ist oder schon ein wenig mehr. Als Aushilfe arbeitete er bereits 2015 für den FCZ, für sechs Spiele. Und jetzt? Und Rizzo, der nebenher Assistenztrainer des U-18-Nationalteams ist, sagte: «Ich stelle keine Ansprüche. Ich will, dass wir gute Leistungen zeigen. Es geht nicht um mich, es geht um den FCZ.»
Der Präsident Ancillo Canepa sagte vor dem Spiel dem TV-Sender Blue, er wolle Rizzo und das Team ein paar Spiele beobachten und dann entscheiden. Im ersten Spiel mit Rizzo hat Canepa einen FCZ gesehen, der mindestens in Ansätzen eine Festigkeit und eine Ernsthaftigkeit erlangt hat. Und der eine Bewegung getan hat hin zu einem realistischeren Selbstbild.