Sonntag, 06. November 2011, pli
Ancillo Canepa in der Sonntagszeitung
FCZ-Präsident Ancillo Canepa hat für die heutige Ausgabe der Sonntagszeitung den folgenden Beitrag verfasst:
„Was seid ihr für Barbaren in der Schweiz“
Der FC Zürich wollte nach Rom reisen und fussballerisch eine tolle Visitenkarte abgeben. Das haben Trainer und Mannschaft auch getan. Dass der Aufenthalt in Rom trotzdem zum Tiefpunkt meiner bisherigen Amtsperiode geworden ist, haben wir unseren sogenannten Fans zu verdanken. Denjenigen, welche Pyros und Knallpetarden gezündet und geworfen haben. Aber auch denjenigen, welche dies einmal mehr zugelassen und Täter unterstützt und gedeckt haben. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich mich geschämt, Zürcher oder Schweizer zu sein. „Was seid ihr für Barbaren in der Schweiz“, musste ich mir anhören lassen. Ein unschuldiger Ballbub der Lazio Rom musste mit schwerem Hörschaden ins Spital überliefert werden. Der Kollege des an der Hand schwer verletzten FCZ-Fans verweigerte die Angabe der Personalien, welche für die Bestimmung der Blutgruppe überlebenswichtig gewesen wäre. „Sonst bekommt er nur ein Stadionverbot“, war seine Antwort bevor er sich verzog, um ein weiteres Bier zu holen. All das hat mit Fankultur oder gar mit zivilisiertem Verhalten nichts mehr zu tun. Dass die heimkehrenden Fans dann im Bahnhof Zürich nochmals Feuerwerke gezündet haben, schlägt dem Fass nun endgültig den Boden aus. Mit ihrem Auftritt in Rom haben sich die Fans einen Bärendienst erwiesen. Wer will nach den Ereignissen in Zürich beim Derby und nun in Rom noch Partei für die Fans ergreifen. Auch ich bin gegen Sippenhaft. Aber wenn es um die Konsequenzen, um das Image für den FC Zürich geht, unterscheidet auch niemand mehr zwischen den sogenannten „normalen Fans“ und den anderen. Der FC Zürich, der ansonsten in der Schweiz und auch international einen tadellosen Ruf geniesst, ist wegen seiner Fans in Verruf geraten und auch in der UEFA auf der schwarzen Liste gelandet. Hohe Bussen und möglicherweise ein Ausschluss aus dem europäischen Wettbewerb sind die Folge davon. Der Zeitpunkt ist jetzt unwiderruflich gekommen, dass sich die „normalen Fans“ klar und deutlich gegen jede Art von Gewalt aussprechen. Nicht mit Worten, sondern mit Taten. Auch sind wir beim FC Zürich masslos enttäuscht über das uneinsichtige Verhalten eines Teils der Fanschaft, die Fankultur mit rechtsfreiem Raum verwechselt und dabei auch kriminelle Elemente schützt und deckt.
Der FC Zürich hat in den letzten Jahren grosse Anstrengungen unternommen, eine positive Fussballkultur zu schaffen. Wir haben die FCZ-Geschichte aufarbeiten lassen, ein Museum eröffnet, in den Fanshop investiert, wohltätige Veranstaltungen für Behinderte durchgeführt und zu jedem Spiel Sozialbenachteiligte eingeladen. Auch haben wir uns für Stehplätze, getrennte Fan-Sektoren und andere Anliegen der Fans eingesetzt. Wir lassen uns den Club aber vom Umfeld und von unbelehrbaren Individuen nicht kaputt machen. Dass wir unsere Position deshalb jetzt neu überdenken, ist klar. Es ist jetzt auch absehbar, dass die vielen selbsternannten Fan- und Sicherheitsexperten einmal mehr die Verantwortung auf die Vereine abschieben und rigorose Massnahmen fordern werden. Ich bleibe dabei: Wir unternehmen alles, was in unserer Macht steht, um unsere Verantwortung auch wahrzunehmen. Wir haben hunderte von Stunden in den Dialog mit den Fans investiert, wir finanzieren Fanbegleiter, wir finanzieren Fan-Projekte, wir sprechen Stadionverbote aus, wir intervenieren, wenn die Identifizierung und Verfolgung von Tätern nur schleppend vorangeht. Das alleine genügt aber nicht, denn wo wir aber an unsere „verfassungsmässigen“ Grenzen stossen, ist dort, wo staatliche und politische Institutionen gefordert wären. Wir vom FCZ können das Letzigrund-Stadion nicht sicherheitstechnisch umbauen oder Zutrittskontrollen durchführen. Auch können wir keine Fans verhaften oder Rayonverbote aussprechen und deren Einhaltung kontrollieren. Wir können keine Gefängnisstrafen aussprechen, wir können den Polizeikorps nicht die fehlenden Ressourcen beibringen. Auch können wir nicht fehlende oder untaugliche gesetzliche Grundlagen einführen oder anpassen. Nur wenn alle Beteiligten, also Stadt, Polizei, Justiz, Politik und Club ihre Pflichten konkret und effizient wahrnehmen, werden wir diese unselige und auch für das Schweizer Image schändliche Situation bewältigen und meistern können. Der FCZ ist mehr denn je bereit dazu.
Ancillo Canepa