Beitragvon DJ Danny Walter » 19.09.20 @ 10:03
Der neue FCZ-Sportchef Marinko Jurendic sagt: «Ich bin die richtige Person für diesen Job»
Er will den FC Zürich zu alten Erfolgen zurückführen. Im Interview sagt Marinko Jurendic, die Aufgabe als FCZ-Sportchef sei für ihn mehr als eine Arbeit – sie sei eine Berufung.
Flurin Clalüna, Christine Steffen 19.09.2020, 04:30 Uhr
Marinko Jurendic, wie viel Macht braucht ein Sportchef?
Das ist eine gute Frage. Ich kann sie noch nicht beantworten. Ich bin als Sportchef des FC Zürich erst 45 Tage im Amt. Wenn ich auf diese letzten Tage schaue, bin ich zufrieden. Ich habe mit meinem Team Kompetenzen bekommen, um unsere Ideen umzusetzen. Wie haben Sie es genannt?
Macht, Einfluss. Wie Sie wollen.
Die Machtfrage ist für mich absolut in Ordnung.
Sie sind ausgebildeter Primarlehrer, haben einige Semester Wirtschaft und Recht studiert und für eine Stiftung im Bereich der Ausbildung gearbeitet. Was hat Sie zum Fussball zurückgebracht?
Ich war nie ganz weg aus dem Fussball. 2005 hatte ich als Profi aufgehört. Ich hatte ein Teilzeitpensum als Primarlehrer und lernte zufällig den Unternehmer Otto Ineichen und seine Stiftung kennen. Er war eine beeindruckende Persönlichkeit. Er hat mich geprägt, und ich durfte dank ihm Erfahrungen machen, die bis in den Bundesrat führten. Fast hätte es mich in die Politik verschlagen. Otto sagte mir, ich müsse für den Nationalrat kandidieren. Zu diesem Zeitpunkt kam auch das Angebot des Schweizerischen Fussballverbandes, in der Sportdirektion zu arbeiten. Da habe ich mich für den Fussball entschieden.
Aber Sie könnten heute einen guten Job als Primarlehrer haben.
Das könnte ich, ja. Und ich könnte 13 Wochen Ferien geniessen. Aber ich will lieber für den FCZ arbeiten. Es macht mich stolz. Es ist ähnlich wie ein politisches Mandat, es ist eine Berufung. Weil ich die Überzeugung habe: Jetzt klappt’s. Das hatten viele vor mir wahrscheinlich auch. Aber jetzt kommt es gut. Ich spüre, dass wir etwas bewirken können beim FCZ. Ich glaube, es gibt keine Zufälle.
Sie sagten einmal, in der Berufswelt sei jeder ersetzbar, man dürfe sich nicht so wichtig nehmen. Spielt es also gar keine so grosse Rolle, wer Sportchef ist beim FCZ?
Ich hatte keinen Einfluss darauf, wer Sportchef beim FCZ wird.
Aber Sie wollten es werden.
Ich habe es nicht gesucht. Es war nie meine Ambition, Sportchef zu werden. Als die Anfrage kam, fragte ich mich: Kannst du das? Ist das etwas für dich?
Und?
Am Ende kam ich zu dem Schluss, dass die verantwortlichen Führungspersonen im FCZ gewisse Qualitäten in mir sehen, die dem Klub helfen könnten. Ich glaube, ich bin im Moment die richtige Person für diesen Job. Ich bin überzeugt, dass die Aufgabe meinen Kompetenzen und Erfahrungen entspricht. Aber allein kann ich nicht viel bewirken. Es gibt zum Glück viele gute und kompetente Mitarbeiter beim FCZ, die mich unterstützen.
Ist es also nur Zufall, dass Sie jetzt Sportchef sind?
Ich hatte keinen Karriereplan. Aber ich war offenbar auf dem Radar des Präsidentenehepaars Heliane und Ancillo Canepa.
Man bezeichnet Sie oft als einfühlsamen Menschen. Haben Sie auch eine harte Seite?
Zunächst finde ich es schön, dass ich so beschrieben werde. Die Leute um mich herum sollen sich wohl fühlen. Ich bin geduldig und gesprächsbereit. Und wenn ich Entscheidungen treffen muss, bin ich auf der Sachebene konsequent. Aber ich will, dass die Leute informiert und involviert sind. Es gibt nichts Schlimmeres für mich, als über die Köpfe hinweg zu entscheiden. Ich hasse es, wenn es heisst: Die da oben haben wieder etwas im stillen Kämmerlein gemacht.
Sie sind neben den Profis der ersten Mannschaft auch für die Frauen und den Nachwuchs zuständig. Sind die Bereiche für Sie alle gleichwertig?
Die Abteilungen sind alle gleich wertvoll. Aber Priorität in meiner Arbeit hat die erste Mannschaft. Das ist unser Flaggschiff. Wir müssen alles daransetzen, schnell wieder in die Spur zu kommen.
Die erste Mannschaft des FCZ bleibt das Aushängeschild des Vereins. An ihren Resultaten wird auch Ihre Arbeit gemessen werden.
Mir ist bewusst, dass sich der Erfolg der ersten Mannschaft auf alles andere auswirkt. In Sachen Transfers konnte ich bisher noch nicht sehr viel Einfluss nehmen, weil ich zu wenig Vorlaufzeit hatte. Aber wir haben klar definiert, welches Anforderungsprofil wir zum Beispiel in der Innenverteidigung benötigen. Lasse Sobiech vom 1. FC Köln entspricht diesem Profil genau. Er spricht Deutsch und kann die Mannschaft führen. Wir haben jüngst in der Trainingsarbeit den Fokus noch mehr auf die defensive Stabilität gelegt. In den Testspielen haben wir diesbezüglich sukzessive Fortschritte erzielt.
Im Cup gegen Chiasso war nichts davon zu sehen. Der FCZ verlor 2:3.
Das war ein Rückschlag und eine Enttäuschung, die wir so nicht erwartet hatten. Eine Stunde vor dem Spiel hatte ich noch mit Ancillo Canepa telefoniert und ihm gesagt, dass ich ein gutes Gefühl habe. Aber es fügt sich ins Bild: Letzte Saison gelang der Saisonstart mit vier Spielen und nur zwei Punkten nicht, auch der Beginn der Rückrunde misslang mit zwei Punkten aus sechs Spielen. Die Mannschaft hatte in den letzten Monaten öfter ein Problem mit dem Start. Das müssen und wollen wir ändern.
Und jetzt ist ihr das schon wieder passiert. Kommt man da nicht auf den Gedanken, dass alle Analysen nichts gebracht haben?
Es wäre vermessen, aufgrund eines Spiels einen solchen Schluss zu ziehen. Wir waren nicht parat. Aber wir haben in den Analysen festgestellt, dass die Mannschaft und die Spieler Qualität und Potenzial haben. Ich glaube an sie.
Wenn man es brutal ausdrücken möchte, könnte man also sagen: Es muss ein Problem des Trainers Ludovic Magnin sein.
Es wäre vermessen, über eine Person öffentlich zu reden. Wir müssen das auf einer anderen Ebene diskutieren und nicht personalisieren. Die Mannschaft arbeitet im Training unheimlich gut. Und man muss auch sagen: Die Entwicklung von Becir Omeragic, Simon Sohm, Kevin Rüegg oder Toni Domgjoni zeigt, dass der Trainer gute Arbeit leistet.
Und wie sehen Sie denn die Entwicklung der Mannschaft unter Magnin?
Ich hoffe, Sie verstehen, dass ich nicht zurückschauen will. Das wäre nicht fair. Mein Fokus gilt der Gegenwart und der Zukunft.
Der FC Zürich ist kein einfacher Klub. In letzter Zeit gab es einen Graben zwischen Anspruch und Wirklichkeit.
Wenn man zurückschaut, ist der FCZ ein Verein mit viel Tradition, vielen Meistertiteln, Cup-Siegen, Europacup-Teilnahmen. Der Hunger nach Erfolg treibt jeden Einzelnen an. Das sind Ambitionen, die der FC Zürich in dieser Stadt und in diesem Umfeld hat und haben muss. In den letzten zwei Jahren sind wir diesen Ansprüchen leider nicht gerecht geworden. Deshalb hat der Verein sich reorganisiert: in der Überzeugung, dass es besser wird. Dass wir heute noch nicht dort sind, wo wir sein möchten, ist uns bewusst.
Was sind die Ziele für nächste Saison?
Für einen ambitionierten Verein wie den FCZ muss der Europacup das Ziel bleiben. Das sieht übrigens auch die Mannschaft so.
Hat der FCZ genug Leader in der Mannschaft?
Wir waren zuletzt nicht in der Lage, einen Match von der ersten bis zur neunzigsten Minute stabil zu spielen. Die Verantwortung dafür muss man auf möglichst viele Spieler verteilen, auf Leader wie den Goalie Yannick Brecher, Becir Omeragic, Antonio Marchesano oder Benjamin Kololli. Der verletzungsbedingte Ausfall von Aiyegun Tosin hat uns nach der Corona-Pause geschmerzt. Er ist ein Schlüsselspieler. Stellen Sie sich vor, man nähme dem FC Barcelona Messi weg oder Juventus Ronaldo.
Ein Messi ist Tosin aber schon nicht ganz.
Natürlich nicht. Aber man muss es im Verhältnis zu unserer Liga und unserer Mannschaft sehen. Für uns ist er sehr wertvoll.
Muss der FCZ künftig realistischer spielen? Auch wenn der Fussball dem Präsidenten Canepa dann vielleicht nicht mehr so gefällt?
Das Wichtigste ist, dass wir erfolgreichen Fussball spielen. Aber attraktiver und erfolgreicher Fussball schliessen sich nicht aus. Und wir müssen uns fragen: Wozu ist die Mannschaft fähig, welchen Fussball kann sie spielen? Man hat bei den Spitzenteams letzte Saison gut gesehen, welchen Stil sie pflegen.
Beim FCZ viel weniger.
Phasenweise schon. Aber nicht oft genug. Das schnelle Umschalten hat uns in den guten Phasen ausgezeichnet. Das wollen wir am Samstag gegen YB zeigen.
Der FCZ-Präsident Ancillo Canepa meint, das Kader sei «eher ein bisschen stärker als im Vorjahr»
ram. Vor dem Meisterschaftsstart in Bern gegen YB ist nach dem Ausscheiden im Cup in Chiasso: «Natürlich war die Enttäuschung riesig», sagte der FCZ-Präsident Ancillo Canepa am Freitag im FCZ-Museum. Canepa hatte sich nach dem Dämpfer im Tessin für die Medienkonferenz dem neuen Sportdirektor und dem Trainer Ludovic Magnin zur Seite gestellt, nachdem das Trio bereits vor einigen Tagen auf die neue Saison geblickt hatte – wohl nicht zuletzt, um zu signalisieren, dass auch die Niederlage im Tessin nichts daran ändert, dass der FCZ-Trainer Magnin heisst. Er sehe, dass im Training gut gearbeitet werde, die Jungen Fortschritte machten und auch der Zusammenhalt in der Mannschaft nach den schwierigen Corona-Monaten gewachsen sei, sagte Canepa. Er schätze das Kader «tendenziell eher ein bisschen stärker» ein im Vergleich zum Vorjahr. Popovic und Mahi hiessen damals die Hoffnungsträger – beide enttäuschten. Lasse Sobiech, ein 29-jähriger Innenverteidiger, heisst nun der Hoffnungsträger. Gesucht wird noch ein Linksverteidiger. Sonst ist die Planung beendet.
Lulululululu!