Beitragvon fischbach » 20.04.20 @ 12:15
«Tages-Anzeiger»
«Das ist eine weltfremde Erleichterung»
Fussball Die Sorgen des FCZ-Präsidenten Ancillo Canepa haben seit Donnerstag «massiv» zugenommen. Könne bis Ende Jahr nicht mit Zuschauern gespielt werden, überlebe der FCZ die Krise nicht, sagt er.
Vor zwei Wochen sagten Sie, dass Sie sich sorgen. Wie geht es Ihnen heute?
Nicht gut. Überhaupt nicht gut. Die Sorgen haben massiv zugenommen. Wieder sind zwei Wochen vergangen, in denen nichts passiert ist. Am Donnerstag wurde wieder nichts beschlossen, an dem wir uns hätten orientieren können.
Das heisst?
Es fehlen die Perspektiven. Wir befinden uns im luftleeren Raum. Wir können nicht planen, haben keine Einnahmen, aber laufende Kosten – es ist ein Rattenschwanz.
Sie sind nicht der Einzige, dem es so geht.
Das stimmt. Es geht allen Schweizer Clubs so. Und auch vielen anderen Gewerbetreibenden. Alle sind davon betroffen. Darum sorge ich mich je länger, je mehr.
Mit welchem Szenario rechnen Sie persönlich bis Ende Juni?
So wie ich die Signale aus Bundesbern interpretiere, ist man offenbar bereit, zuzuwarten, bis die meisten Clubs tatsächlich in unmittelbare Zahlungsunfähigkeit geraten. Dann ist es auch zu spät, die in Bundesbern in Aussicht gestellten Kredite zu beantragen. Was offenbar unterschätzt wird: Allein die Swiss Football League generiert eine jährliche Wertschöpfung für andere Branchen und Unternehmen von rund 800 Mio. Franken. Damit verbunden sind auch rund 4000 Arbeitsplätze.
Es deutet vieles darauf hin, dass man – wenn überhaupt – die Saison ohne Zuschauer zu Ende spielen muss. Wie gross ist der Ausfall für den FCZ bei einem zuschauerlosen Spiel?
Der Einnahmeausfall ist die eine Seite, die andere die hohen Kosten, die auch bei Geisterspielen anfallen werden. Pro Spiel geht es um einen mittleren sechsstelligen Betrag.
Bei 13 verbleibenden Spielen fehlen dem FCZ also geschätzte fünf Millionen Franken. Kann das der Club verkraften?
Noch dramatischer wird die Situation, wenn wir wie von Bundesbern angekündigt bis Ende Jahr ohne Zuschauer spielen müssten. Kein Club kann ein solches Szenario verkraften.
Wer sagt, dass bis Ende Jahr ohne Zuschauer gespielt wird?
So deute ich die Aussagen von Alain Berset vom Donnerstag.
Angenommen, es darf erst Ende 2020 mit Zuschauern gespielt werden. Was bedeutet das für den FCZ?
Aus heutiger Sicht und ausgehend von den aktuellen Rahmenbedingungen ist das ein Worst-Case-Szenario, das wir und viele andere Clubs nicht überleben würden. Fehlende Umsätze, auch in den Bereichen Werbung und Sponsoring, führen zu massiven Verlusten, dadurch wird das Eigenkapital aufgebraucht. Das heisst, es drohen Überschuldung und Illiquidität. Erschwerend kommt hinzu, dass wir die Ersten waren, die den Geschäftsbetrieb einstellen mussten. Und wahrscheinlich die Letzten sein werden, die wieder auf Normalbetrieb umschalten dürfen.
Ab wann wird die Situation für den FCZ existenziell bedrohlich?
Das will ich im Moment nicht kommentieren.
Es wird Ihnen Ende Saison viel Geld fehlen. Wer kommt für eine Kapitalerhöhung auf, um eine Überschuldung zu vermeiden?
Wenn ich das wüsste. Aus meiner Sicht nicht diejenigen, die diese Situation nicht verursacht haben. Die Familie Canepa hat bereits einmal mehr Zuschüsse und Bürgschaften geleistet. Aber für uns persönlich ist irgendwann das Ende der Fahnenstange erreicht.
Der Bund wird kaum Ihre Verluste decken. Er hat aber beschlossen, dass Firmen nicht Konkurs anmelden müssen, wenn sie Ende 2019 finanziell gesund waren. Hilft Ihnen das?
Das ist eine weltfremde Erleichterung, denn eine zweite Bedingung ist, dass die Überschuldung bis zum 31. Dezember 2020 wieder behoben werden kann. Ich frage mich, wie man ohne erfolgswirksame Erträge eine solche Überschuldung bis Ende Jahr beheben soll. Mit den bereits vorher erwähnten in Aussicht gestellten Bundesdarlehen gelingt das auf jeden Fall nicht, da es sich um Fremdkapital handelt.
Wenn Sie bestimmen könnten: Wie sähe Ihre Lösung für den Schweizer Fussball aus, um aus dem Lockdown zu kommen?
Im Idealfall setzen wir die Meisterschaft Anfang Juni zumindest mit Geisterspielen fort, das heisst, wir würden Mitte Mai wieder mit dem Mannschaftstraining beginnen. Und was die neue Saison betrifft, hoffe ich, dass wir wieder vor Zuschauern spielen können. Aus heutiger Sicht würden wir Mitte August/Anfang September die neue Saison starten.
Das Interview wurde schriftlich geführt.