Beitragvon schwizermeischterfcz » 04.08.19 @ 13:24
Der FC Zürich muss sich bereits wieder fragen: Wer sind wir?
Die schwer erklärbare 1:3-Niederlage in Sitten spiegelt die Verunsicherung im FC Zürich. Und sie korrigiert fürs Erste das Selbstbild des Klubs.
Samuel Burgener, Sitten
4.8.2019, 12:30 Uhr
Die Saison 2019/2010 in der Schweizer Super League ist gut zwei Wochen und exakt drei Spiele alt, und der FC Zürich muss sich schon wieder fragen, wer er eigentlich ist und wohin er will.
Vor der Saison hatte der Präsident Ancillo Canepa wiederholt gesagt, der FC Zürich sei ein Spitzenverein und wolle die europäischen Plätze anvisieren. Nach dem 1:3 am Samstagabend im Tourbillon in Sitten lechzt der FCZ am Tabellenende. In drei Spielen hat er einen einzigen Punkt gewonnen, ein einziges Goal erzielt. Spitzenklub? Europacup? Tabellenletzter? Wo in dieser Skala liegt die Wahrheit?
Der FC Zürich verlor in Sitten ein Spiel, von dem der Trainer Ludovic Magnin im Anschluss sagte: «Ich habe jetzt drei Stunden Zeit, darüber nachzudenken, wie wir dieses Spiel verlieren konnten.» Magnin meinte die Busfahrt, die quälend lang gewesen sein muss. In der 70. Spielminute hätte der FCZ den Match entscheiden können, doch Benjamin Kololli verschoss einen Penalty. Als der Sittener Ayoub Abdellaoui just danach des Feldes verwiesen wurde, bot sich dem FCZ die nächste Chance. Doch er scheiterte wieder, wurde erdrückt vom Aufbäumen des FC Sion und den zwei Toren Pajtim Kasamis.
Der FCZ-Sportchef Thomas Bickel sagte nach der Partie: «Ich habe in der ersten Halbzeit viele gute Sachen gesehen. Ballbesitz, Pressing, Steilpässe. Aber uns fehlt die Basis. Uns fehlen Disziplin, Konzentration, Souveränität.»
Wo waren die Führungsspieler?
Wie sehr dem FCZ in der Schlussphase Umsicht und Ruhe abgingen, war eklatant. Da fehlte ein Spieler, der das Team mit auratischer Präsenz, natürlicher Autorität und starker Kommunikation hätte mahnen und antreiben können. Der den urplötzlichen Sittener Aufschwung mit einem Foul, einem Ballwegschlagen oder einem taktischem Geplänkel hätte ersticken können. Und der das Team schliesslich zu einem Sieg gegen die dezimierten Walliser hätte führen können.
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«Ab und zu fehlte es an Leadership», hatte der FCZ-Präsident Canepa vor der Saison gesagt. Deshalb habe man bei der Kaderzusammenstellung eine Achse mit erfahrenen Führungsspielern bilden wollen. Auf die Frage, ob der FC Zürich ausschliesslich Topspieler und Leader verpflichtet habe, sagte Canepa in einem Interview mit der NZZ: «Absolut. Das war die Vorgabe.» Doch die Wahrheit ist eine andere, mindestens vorläufig.
Der FC Zürich wirkt noch immer wie ein Kollektiv mit sehr flacher Hierarchie, wie ein fragiles Bündnis von durchaus begabten Fussballern. Als Captain steht der Goalie Yanick Brecher in der Verantwortung, der weiter im Durchschnitt verharrt und seinem Team gegen Sitten keine Hilfe war. Und: Die Geltung der neuen Spieler, dieser «Topspieler und Leader», ist gering.
Denis Popovic soll der neue Koordinator im Mittelfeld sein. Bickel sagte vor der Saison, man habe bewusst einen «ballsicheren und strategischen» Spieler verpflichtet. «Wir wollten keinen Abräumer à la Gennaro Gattuso.» Gattuso war mit der AC Milan italienischer Meister und Champions-League-Sieger und mit dem italienischen Nationalteam Weltmeister. Popovic hingegen sucht seine Form und die Anbindung ans Team. Er sagte nach dem Spiel in Sitten, er sei bei «70 oder 80 Prozent».
Der Stürmer Blaz Kramer spielte zuletzt bei den Reserven von Wolfsburg. Er verstolperte in Sitten mehrmals den Ball und blieb stets an den gegnerischen Abwehrspielern hängen. Anzahl Torchancen: Null. Der Aussenverteidiger Willie Britto kam im Sommer aus Abidjan in die Schweiz. Der FC Zürich ist seine erste Station in Europa. Gegen Sitten blieb er in der Offensive wirkungslos, und vor dem 3:1 durch den Sittener Pajtim Kasami missriet ihm eine Grätsche. Der Offensivspieler Mimoun Mahi schoss zwar das erste Saisontor des FCZ, hatte sonst aber kaum gute Aktionen. Und der Verteidiger Nathan, der mit einer Verletzung von GC zum FCZ stiess, ist erneut angeschlagen.
Bereits unter Druck
All diese Spieler brauchen Zeit für die Adaption an das Land, die Stadt, den Klub, die Teamkollegen, den Schweizer Fussball. Der Trainer Magnin braucht Zeit, um ihre Stärken richtig einzusetzen. Der FC Zürich als Ganzes braucht Zeit, sich zu finden. Es ist verwunderlich, dass sich die Klubführung diese Zeit rhetorisch nicht ausbedungen, dass sie vor der Saison so offensiv kommuniziert hat. Nach drei Spielen ist bereits eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem verlauteten Selbstbild des FCZ und der Wirklichkeit entstanden. Es ist die Geschichte der missratenen vergangenen Saison, dass sich der FCZ unaufhörlich besser machte, als er eigentlich war.
Der Sportchef Bickel sagte in Sitten: «Wenn man ein gutes Gefühl hat, darf man das sagen. Aber ich bin tendenziell immer zurückhaltend. Wie unser Präsident kommuniziert, muss er entscheiden.» Und der Trainer Magnin sagte: «Wenn wir weiter Fussball spielen, werden wir punkten.»
Nun folgen für den FC Zürich die Heimspiele gegen Xamax und St. Gallen. Dann muss er auswärts gegen den Meister YB antreten. Der FCZ ist, wie im Fussball gesagt wird, unter Druck
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