Beitragvon schwizermeischterfcz » 02.03.19 @ 23:03
Aus der NZZ:
Ich persönlich lese daraus kein baldiges Ende von Ludos Amtszeit ab, aber Aussagen sind ja bekanntlich nie viel Wert im Fussball
Der FC Zürich bleibt unter den Erwartungen
Der FCZ gilt mit dem Trainer Ludovic Magnin als Versprechen. In 16 Spielen seit Anfang November hat er aber nur viermal gewonnen. Wieso kommt das Team derzeit nicht auf Touren?
von Michele Coviello 2.3.2019
Thomas Bickel tritt ins Café vis-à-vis der FCZ-Geschäftsstelle und wirft den tropfenden Schirm auf einen Fauteuil. Draussen giesst es an diesem Freitagmorgen wie aus Kübeln, und drinnen ist das Licht schummrig. Während sich der Sportchef des FC Zürich hinsetzt, schaut er durch die Glasfassade und sagt: «Es passt zur Situation.»
Der FCZ war als Verheissung in die Saison gestartet, nun hat er eben gerade einen spielerischen Tiefpunkt erlebt. Am Vorabend ist er zwar in den Cup-Halbfinal vorgestossen. Gegen den Aussenseiter Kriens riskierte er aber eine Blamage. Bickel schreibt den versöhnlichen Ausgang der Partie einem Beistand von oben zu. «Er, sie oder wer auch immer hat uns im Spiel gehalten», sagt er und zeigt mit der Hand gen Himmel.
2:1 hatte der FCZ spät gewonnen, gegen einen Abstiegskandidaten aus der Challenge League. Einem Favoriten kann das passieren. Und das wäre auch nicht weiter der Rede wert, wenn das Spiel nicht die Fortsetzung einer biederen Serie gewesen wäre. In den letzten 16 Partien seit Anfang November siegte der FCZ nur viermal, davon zweimal gegen das schwache GC, gegen Luzern – und die Quasi-Amateure aus Kriens. Deshalb sagt Bickel: «Wir stehen zu Recht in der Kritik und sind sehr unzufrieden mit den letzten Resultaten.»
Ambitionierte Spiel-Idee
Der FCZ hatte sich mehr versprochen in der Super League als den derzeitigen 4. Rang. Aber die Statistik zeigt, dass es ein FCZ ist, der sich momentan im Schnitt der letzten Jahre bewegt (siehe unten). Dreissig Punkte ist der Leader YB entfernt, das Schlusslicht GC nur 11. Und vor dem FCZ steht der finanziell deutlich schwächere FC Thun – sieben Zähler mehr auf dem Konto. Die breite Öffentlichkeit und der FCZ selbst hatten sich das anders vorgestellt.
Denn die letzte Saison hatte Erwartungen geweckt. Im Februar 2018 ersetzte Ludovic Magnin den Trainer Uli Forte, und es schien eine neue Zeit angebrochen zu sein: die des Offensivfussballs im Stil des Sehnsuchts-Coachs Lucien Favre, die der Talente wie einst Blerim Dzemaili und Admir Mehmedi. Magnin transportierte Optimismus, hohe Ansprüche ans Spiel und drückte das Durchschnittsalter herunter. Er bekam mit dieser Strategie recht: Cup-Sieg, Europa-League-Gruppenphase überstanden, Leverkusen geschlagen.
Aber nun ist das passiert, was in jungen Mannschaften die Regel ist: Ihre Leistungskurven schwanken. Und diejenige des FCZ will sich seit längerem nicht nach oben biegen. Forte musste nach 22 Runden mit 32 Punkten und Rang 3 gehen. Magnin weist zum gleichen Zeitpunkt drei Punkte weniger vor.
Hohe Belastung
26 In so wenigen Tagen hat der FCZ in Meisterschaft, Europa League und Cup 8 Spiele absolviert und musste alle drei Tage antreten.
24,2 So tief ist der Altersdurchschnitt der Mannschaft Magnins. Sie ist nach GC das zweitjüngste Team der Super League.
32 Mit so vielen Punkten wurde Forte vor einem Jahr entlassen, Magnin hat zum gleichen Zeitpunkt drei weniger erreicht.
Die Entlassung Fortes stiess vielenorts auf Unverständnis. Auch er hatte den Cup gewonnen, er hatte das Team zum direkten Wiederaufstieg gecoacht und zurück in die Top 3. Aber die Entwicklung stagnierte. Die Klubführung traute ihm keinen attraktiveren Stil zu und warf ihm die zu knappe Einsatzzeit eigener Talente vor. Mit Magnin ist das anders. Bickel sagt: «Ich bin nach wie vor überzeugt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Im Verein herrscht keine Unruhe.»
Für Magnin sprechen nicht nur die Highlights in Cup und Europa League, sondern auch das Vertrauen in die Talente und die ambitionierte Spielweise. Und es gibt auch mildernde Umstände, wie die kräfteraubende Dreifachbelastung, das zweitjüngste Kader der Liga, die zahlreichen Verletzten – heute Sonntag gegen Lugano fehlen Magnin sieben Spieler, vielleicht sogar acht, falls sich Toni Domjoni noch nicht vom Schlag aufs Knie aus der Partie gegen Kriens erholt haben sollte.
Das sind Gründe, die für diesen Durchhänger herhalten könnten. Bickel will sie nicht gelten lassen. «Wir suchen keine Ausreden, wie etwa, dass das Team neu oder jung sei. Das darf nicht der Ansatz sein.» Er räumt ein, dass ein Quantensprung erst mit anderen finanziellen Mitteln möglich sei. Der FCZ will eigene Talente fördern und einmal Geld mit ihnen verdienen.
Und er kauft auch junge Spieler günstig aus anderen Vereinen oder gar dem Ausland ein, weil das dem eigenen Budget entspricht. Bezüglich Transferbilanz sei der FCZ mit dieser Politik im grünen Bereich, sagt Bickel. «Aber wenn wir einen Schritt nach vorne machen wollen, dann braucht es gute Arbeit und Investitionen in allen Bereichen.» Im Subtext scheint mitzuschwingen: Talente fördern und gleichzeitig Erfolg haben, geht nicht immer zusammen – siehe Basel.
Das ändert nichts daran, dass das derzeitige Kader mehr leisten müsste. «Von der Qualität bin ich überzeugt», so Bickel, «bezüglich Mut, Herzblut und Leidenschaft gibt es noch viel Potenzial nach oben.» Nun würden Leistungen nicht mehr erwartet, sondern gefordert. «Die Spieler stehen in der Verantwortung.» Dann kehrt Bickel in den Regen zurück.
Stabilität statt Reaktion
Man wirft Magnin vor, dass er bloss die laute Art kenne und keine Zwischentöne. Was er am Tag nach dem Kriens-Spiel sagt, beweist das Gegenteil. Noch immer findet er, dass es die schlechteste Partie seiner Trainerkarriere gewesen sei, was seinen Spielern nicht gerade schmeichelt. Aber er nimmt ihnen auch Druck. Er habe in letzter Zeit ständig Reaktionen gefordert, jetzt verlange er Stabilität. «Wir müssen zurück zur Basis und gut verteidigen», sagt er, «dann werden wir belohnt.»
Vor einer Woche wollte Magnin nach dem 1:1 gegen Luzern nicht über die Dreifachbelastung «jammern». Nun jammert er noch immer nicht, aber gesteht sich doch ein: «Der mentale Druck der letzten vier Wochen war gross.» Heute Sonntag spielt der FCZ innerhalb von 26 Tagen zum achten Mal. Nicht zwingend die Beine, aber vor allem der Geist wird müde, gerade bei den Jungen, die diese Kadenz noch nicht kannten. Gegen Lugano müsse das Team nochmals an die Grenzen, dann folgt erst eine Woche später die nächste Partie. Magnin könnte einen freien Tag einschalten. «Ich spüre, dass uns das guttun würde», sagt er.
Man kann sich auch fragen, ob Magnin seine Spieler mit vielen Systemwechseln und Rotationen überfordert. Magnin sagt: «Fussball bleibt gleich, unabhängig vom System.» Er sieht die Probleme im Kopf, in der Konzentration, im Umgang mit Kritik von aussen, an die sich die Spieler noch gewöhnen müssen. «Wir hatten ein gutes Jahr und stehen nun erstmals im Gegenwind», sagt Magnin. Die nächsten Wochen werden zeigen, wie standfest er und sein Team sind.
In der Meisterschaft sind noch viele Punkte zu holen, im Cup mit zwei Spielen ein Pokal und der Europa-League-Platz. «Die Saison kann noch überragend werden oder in der Sackgasse enden», sagt Magnin. Ob sie das Regenwetter wieder vergessen machen?
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