fischbach hat geschrieben:«Tages-Anzeiger»
Ambivalente Phase
Der Aufsteiger hat sich bislang souverän geschlagen. Doch Euphorie ist nicht ausgebrochen. Von Christian Zürcher
Eigentlich sind es die Journalisten, die Fragen stellen. Nicht so bei Uli Forte. Der Trainer des FC Zürich fragte vor der Saison: «Wer sind wir denn?» Seine Frage zielte auf die Erwartungen an den Club. Der FCZ wird an seiner Vergangenheit gemessen, an jener kurzen Zeit, in der er den attraktivsten Fussball des Landes gespielt hat. Daran auch, dass der Verein über ein Budget von mehr als 22 Millionen Franken verfügt. Uli Forte aber möchte, dass man seine Mannschaft auch daran misst: Sie ist auf diese Saison hin aufgestiegen. Ganz im Gegensatz zu Präsident Ancillo Canepa übrigens.
Uli Forte sagt, man müsse sich stets bewusst sein, woher man komme. Genau: aus der Challenge League, aus der Provinz. Heute steht der FCZ zur Winterpause auf dem dritten Rang und dank einer inspirierenden Aufholjagd gegen Thun im Cup-Halbfinal. Das ist mehr als nur respektabel und konform mit dem Saisonziel: Platz vier und europäisches Geschäft. Es läuft also, doch die grosse Euphorie ist nicht ausgebrochen. Nicht bei den Fans, nicht auf dem Spielfeld. Es ist eine ambivalente Phase, in der sich der FCZ befindet.
Die Mannschaft ist erfolgreich, sammelt Punkt für Punkt, trotzdem wächst der Eindruck: Die könnte ja noch mehr. Dann betrachtet man das Matchblatt und sieht bis zu sieben Defensivspieler auf dem Platz. Man lauscht dem Trainer nach dem Spiel gegen YB und hört den Satz: Er habe nicht 1:6 verlieren wollen und darum mit einem defensiven Block gespielt. Das zeigt die taktische Flexibilität der Zürcher, doch zeugt von wenig Mut. Die Vereinsleitung hat Fortes Aussage kritisch aufgenommen und angesprochen. Die DNA des FCZ soll anders aussehen.
Doch der Club war bisher genau dann am erfolgreichsten, wenn er aus sicherer Defensive agierte. Dann bekam er kaum Gegentore und gewann auch knappe Spiele. Der neue Verteidiger Thelander war in diesen Partien eine Verstärkung und Bangura erreichte endlich sein Niveau als Abwehrchef. Selbst den Ausfall des besten Stürmers Dwamena konnte der FCZ verkraften, weil Frey für zwei kämpfte.
Sobald aber die Solidarität beim Verteidigen fehlt, sobald der FCZ den Gegner ausspielen will und seine Abwehr auf Höhe der Mittellinie stellt wie beim 1:5 gegen Lausanne, dann schwimmt er, dann werden die Verteidiger überlaufen. Es ist ein Spiel, das er noch üben muss.
Wenn Sportchef Thomas Bickel in diesen Tagen gefragt wird, was die Höhepunkte der Hinrunde waren, antwortet er, ihm komme eher das Negative in den Sinn. Bickel ist das kritische Gewissen des Vereins – und damit auch der Kontrolleur des Fortschritts. Er hat in den vergangenen 18 Monaten Konzepte erstellt – für den Nachwuchs, für die erste Mannschaft, für die Spielkultur. Nun müssen diese umgesetzt werden.
Allerdings scheint es, als wäre der Club damit etwas im Rückstand. Von den Jungen hat bisher einzig Kevin Rüegg den Durchbruch geschafft. Den anderen Talenten Aliu, Rohner und Haile-Selassie fehlt es laut Forte am nötigen Biss. Das Kader ist mit 27 Spielern nach wie vor gross, der Altersschnitt mit 25,4 eher hoch. Und die Spielweise hat den Hang zum Konservativen, doch dieses Konservative hat den FCZ auf den dritten Platz gebracht – als Aufsteiger. Abstiegssorgen kennt man nicht. Andere wären froh darum.
Nun, die Situation ist ambivalent, beim FCZ bleibt die Sehnsucht nach mehr.
https://www.tagesanzeiger.ch/sport/fussball/Ambivalente-Phase/story/15153202
Zurück zu „Fussball Club Zürich“
Mitglieder in diesem Forum: 18_FCZ_96, Cavusevic21, chiiswaerch, s'Efeu, tadaeus, Vapor, yellow und 637 Gäste