Beitragvon Tschik Cajkovski » 23.07.17 @ 10:52
NZZaS:
Thomas Bickel: «Ich kann auch fordern»
Thomas Bickel sagt, er habe sich in seinem ersten Jahr als sportlicher Leiter des FC Zürich bewusst zurückgehalten - der Klub brauchte Ruhe für den Wiederaufstieg. Nun will er das Tempo erhöhen.
von Michele Coviello und Flurin Clalüna 22.7.2017
NZZ am Sonntag: Thomas Bickel, vor einem Jahr wurden Sie sportlicher Leiter des FCZ und sagten, Sie würden ins kalte Wasser springen. Wie ist die Temperatur heute?
Thomas Bickel: Ich habe das Gefühl, alles im Griff zu haben. Ob es so ist? Es soll nicht arrogant wirken, aber es kann mich nichts erschüttern. Inzwischen musste ich schon einige schwierige Transfers tätigen.
Welcher war der Schwierigste?
Einer, bei dem wir nahe dran waren, der aber nicht funktionierte.
Wie hat sich dieses Team verändert, das am Sonntag im Derby in die Meisterschaft startet?
Es gab keinen extremen Schnitt. Wir haben laufende Verträge. Einige, die ausgelaufen sind, haben wir nicht ersetzt. Weitere werden im kommenden Jahr enden. Ein Gleichgewicht ins Team zu bringen, von der Mentalität, von den Charakteren, von der Spielstärke her - das konnten wir nicht innerhalb eines Sommers.
Trotz Aufstieg verlief in der vergangenen Saison nicht alles nach Ihren Vorstellungen.
Ich hoffe, dass ich bald nach einem Spiel vollkommen zufrieden sein kann, dass mir der Auftritt gefallen hat, das Resultat stimmt, wir effizient waren und den Fussball gespielt haben, den wir uns vorstellen. Das hat in der letzten Rückrunde zum Teil gefehlt. Um wirklich zufrieden zu sein, braucht es Zeit.
Wann wird das der Fall sein?
Wenn wir eine eigene Identität haben. Wir verpflichten mehrheitlich Spieler, die technisch versiert sind, dynamisch, schnell, bereit in der Mentalität. Das ist schon mal wichtig. Dann muss man mit ihnen arbeiten, um unsere Spielweise weiterzuentwickeln, taktische Varianten zu beherrschen, um sich je nach Situation anpassen zu können.
Der FCZ hatte diese Identität einst und wurde lange nach dem Weggang des Trainers Lucien Favre mit dessen Fussball in Verbindung gebracht.
Das muss unser Ziel sein. Doch auch bei Favre ging das nicht in wenigen Monaten. Es muss alles rundherum danach ausgerichtet sein. Wir haben die Challenge League hinter uns. Das Team war für den Aufstieg zusammengestellt worden. Jetzt muss man es wieder neu einstellen. Es ist wichtig, diese erste Saison solid zu bestreiten, bescheiden und bodenständig.
Und in welchem Rang soll der FCZ landen?
Ich will nicht bei der Tabelle beginnen. Vielmehr soll man eine klare Handschrift erkennen. Wir wollen Spieler weiterentwickeln, ihre Qualitäten nutzen, Fähigkeiten maximieren und Junge einbauen - all das, womit wir in der letzten Saison begonnen haben. Wenn wir fünf oder sechs Teams hinter uns lassen, haben wir gut gearbeitet.
Sie haben mit Andris Vanins einen neuen Captain bestimmt, wieso?
Gilles Yapi kann zwar noch gut mithalten, wir sehen ihn aber vor allem als Back-up. Es ist naheliegend, dass Vanins der neue Captain ist. Er ist ein Typ, hat Erfahrung und ist ein absoluter Profi.
Aber nicht der beste Kommunikator.
Das sagen Sie. Kommunikation geschieht nicht nur durch Worte. Vanins ist ein Vorbild für alle und von allen im Team in dieser Rolle akzeptiert - das ist das Wichtigste.
Man sagte dem Abstieg eine reinigende Wirkung nach. War das tatsächlich so?
Ich finde, dass alle sehr selbstkritisch gewesen sind, auch der Präsident Ancillo Canepa. Sie haben ihre Entscheidungen infrage gestellt, haben überdacht, wie der Verein aufgestellt ist. Es war ein Neuanfang.
Mit Ihrer Position als grösste Neuerung.
Ich hoffe, dass ich auf meine Art Einfluss nehmen konnte. Ich nehme mich nicht so wichtig. Der Verein ist mir wichtig und dass wir umsetzen, was wir diskutiert haben. Dort hapert es nämlich meistens. Meine Führungskultur ist die der Zusammenarbeit. Man soll sich nicht in den Vordergrund stellen, sondern in den Dienst des Vereins.
Man nannte Sie den netten und zurückhaltenden Herrn Bickel. Haben Sie an Profil gewonnen oder kennt man Sie heute einfach besser?
Es interessiert mich weniger, wie mich die Öffentlichkeit wahrnimmt. Ich kenne mich und meine Stärken und Schwächen. Jetzt weiss ich aber besser, wer wie im Verein funktioniert und kann auch richtig wirken. Klar, ich brauchte Zeit, um mich zurechtzufinden und habe gemerkt, dass es eine sehr komplexe Herausforderung ist.
Sie wurden als sportlicher Leiter eingesetzt. Werden Sie inzwischen als Sportchef wahrgenommen?
Das überlege ich mir nicht. Ich sehe es in der täglichen Arbeit. Wenn etwas sein muss, dann sage ich: «Machen!» Ich kann auch fordern. Wir müssen ein hohes Tempo gehen, das erwarte ich von allen Mitarbeitern. Es ist unbestritten, dass wir uns verbessern müssen. Stagnieren ist das Schlimmste, das haben einige bereits gespürt. In der ersten Saison habe ich mich aber noch zurückgehalten. Man musste die Situation beruhigen, sonst hätte man etwas auslösen können. Es war einfach zu wichtig, Harmonie und Ruhe zu haben.
"we do these things not because they are easy, but because they are hard" jfk