Beitragvon Tschik Cajkovski » 04.12.16 @ 10:07
aus derNZZaS über den Alain:
Alte Schule, gute Manieren
Alain Nef ist einer der reifsten Spieler im FC Zürich. Mit seiner Erfahrung soll er beim Wiederaufstieg helfen – und einen neuen Stil prägen.
Von Michele Coviello
Sein erstes Spiel als Profi liegt so weit zurück, dass selbst die eigene Erinnerung streikt. Während das Internet eine Partie gegen Luzern festhält, hat Alain Nef einen anderen Gegner gespeichert: «War es nicht Lugano?» Nein. Eine Recherche bei der Swiss Football League bestätigt: FC Zürich - FC Luzern. 1. Dezember 2001. Der 19-jährige Nef darf für den FCZ in der 89. Minute den Rasen des Letzigrunds betreten. 1:1 das Resultat.
15 Jahre ist das her – in diesem Spiel ist das eine ganze Ära. Meistertitel, Cup-Siege, Champions League und Abstieg. Der FCZ hat seither alle Gefühle erlebt. Und während der Fussball schneller wird, rennt Nef etwas langsamer. Dafür haben seine Füsse in Italien und Spanien an Gespür gewonnen und sein taktisches Verständnis an Schärfe. Er ist kein wilder Aussenverteidiger mehr, sondern ein umsichtiger Chef im Zentrum. Mit Gilles Yapi teilt er sich das Amt des Captains, und es ist meistens Nef, der für den verletzten Ivoirer die Binde trägt. Nef ist einer der Ältesten im FCZ und ein Fundament für diese lebensnotwendige Mission, die Super-League-Rückkehr.
Sie lässt sich gut an. Der FCZ spielt über den Erwartungen: 13 Punkte Vorsprung aufs zweitplacierte Xamax, für den Cup-Viertelfinal gegen Basel qualifiziert, und ab Donnerstag könnte er als erster Zweitdivisionär überhaupt im Europacup überwintern. Es sind Resultate, die auch in der neuen Personalpolitik gründen. Der sportliche Leiter Thomas Bickel hat diese mitgestaltet. Er sagt: «Wir brauchen Spieler mit der richtigen Mentalität, mit Bezug zur Schweiz und zu Zürich.» Alain Nef, dieser Kämpfer aus Wädenswil und aus der eigenen Schmiede, ist so etwas wie die Synthese davon. «Von ihm erwarten wir, dass er seine Erfahrung und Persönlichkeit einbringt, dass er Strömungen wahrnimmt, aufs Team Einfluss hat, auch jetzt, da die Resultate positiv sind.»
Als der FCZ in den vergangenen Jahren immer wieder in Krisen geriet, hatte man von aussen wiederholt einen Mangel an Leaderfiguren ausgemacht. Nef war in der vergangenen Saison des Abstiegs eine der wenigen und etwas einsam. Heute hat er mehr Charaktere um sich herum. Thomas Bickel sagt: «Im vergangenen Jahr waren wohl alle zu sehr mit sich selbst beschäftigt.» Aber das Sozialverhalten sei wichtig. Jeder müsse im Dienst des Teams und des Vereins stehen. «Es ist entscheidend, dass der Klub in Zukunft Spieler hat, welche das mittragen.»
Spieler wie Nef. Eigentlich ist er ein Fussballer, wie es sie heute kaum mehr gibt, seit Typen wie Marco Streller, Alex Frei oder Benjamin Huggel in Rente gegangen sind. Huggel etwa hatte wie Nef eine Lehre im Gartenbau absolviert. Solche Biografien sind heute genauso unüblich wie die Treue zum Klub. Nef verliess den FCZ zwar, auch weil er nicht gerade dem Ideal des Fussball-Ästheten Lucien Favre entsprach. Aber die Rückkehr war für ihn ein Heimkommen. Seine Bindung zum FCZ geht über ein Arbeitsverhältnis hinaus. Er hat sie auch schon als «Beziehung» bezeichnet. Heute sagt er: «Ich bin für den Abstieg mitverantwortlich, also will ich es auch wiedergutmachen.» Diese Einstellung macht ihn zu einer wichtigen Figur im Aufstiegsprojekt.
Es sind Spieler mit diesem Arbeitsethos, welche sich der FCZ wünscht. Auch wenn Nef nicht zu den grössten Technikern gehört. «Wenn du einmal den Ball nicht stoppen kannst, macht das nichts», sagt er, «aber den Einsatz, den musst du immer bringen.» Manchmal erinnert er mit seiner wehenden Mähne, der kantigen Erscheinung und dem Spruch, den er stets parat hat, eher an einen Eishockeyspieler als an die stromlinienförmigen Fussballer. Die vielen Jahre im Geschäft haben ihn nicht abgestumpft. Fredy Bickel, sein ehemaliger Sportchef im FCZ sowie bei den Young Boys, sagt es treffend: «Nef hat sich entwickelt, aber nicht verändert.»
Im Februar wird Nef seinen 35. Geburtstag feiern. Er hat jene genuinen Eigenschaften beibehalten, die in einem Fussballteam einst gelebt wurden. «Er ist geradeaus, ehrlich, einfach», sagt Fredy Bickel. Diese Züge waren vor 15 Jahren üblicher, als Nef Zugang zur FCZ-Kabine bekam. Er musste diese mit Alphatieren wie Urs Fischer oder Frédéric Chassot teilen. Fussballteams waren noch hierarchische Gebilde. «Ganz still», sei Nef gewesen, erinnert sich sein damaliger Trainer Georges Bregy. Das sei nicht ganz gewollt gewesen, sagt Nef rückblickend. «Ich war so ruhig, weil ich nichts sagen durfte und hoffte, bloss keinen Fehler zu machen, denn die Älteren waren streng.» Vom Team-Anlass ging man heim, wenn alle gingen, im Bus durften nur die Kämpen hinten sitzen, beim Schusstraining mussten die Jungen hinter dem Tor warten und die Bälle zurückspielen. «Heute stehen die Jungen neben dir und schiessen mit.» Er sagt ihnen jeweils: «Mit mir habt ihr ein Herrenleben!»
Aber Nef hat nicht nur die Härte der alten Schule, sondern auch die Fürsorge erlebt. «Spieler wie Fischer setzten sich für dich ein, gaben Rückendeckung», sagt Nef. So ist er sozialisiert worden, so versucht er, den Umgang weiter zu pflegen. «Ich kann mit allen reden und alle mit mir», sagt er, «ich höre auf sie und gebe Unterstützung.»
Seine Liebe zum Klub, seine Leidensfähigkeit im Spiel, seine natürliche Autorität: Sie machen Nef zu einem Spielermodell für die Zukunft des FCZ, für einen neuen, alten Stil in der Garderobe. Ob er auch in der nächsten Saison darin sitzen wird, ist offen. Sein Vertrag läuft aus. «Fit bin ich wie selten», sagt Nef. Aber die Zeit ist unerbittlich. Der Dezember 2001 ist lange her.
"we do these things not because they are easy, but because they are hard" jfk