Zurigo hat geschrieben:Kobayashi hat geschrieben:Thomas Schifferle schreibt im Printtagi von heute einen Riesenkommentar an prominentester Stelle und schifft einfach mal im Kreis um sich herum. Habe schon sehr lange keinen solchen Blödsinn mehr im Tagi gelesen.
Ist sehr empfehlenswert, unter anderem lastet er der FCZ-Führung an, man habe in Lüttich im 5*-Hotel übernachtet. Wow!
kannste den bericht nicht ins forum posten?
Hier:
Aus dem Tages-Anzeiger:
Wenn Chefs poltern wie normale Fans
Präsident und Sportchef sind emotional getroffen. Ein Erfolg morgen gegen Standard ist dringender denn je. Eine Analyse von Thomas Schifferle.
Die beiden Fans lassen mit ihrer Wortwahl keinen Zweifel daran: Sie sind wütend, beleidigt. Sie sagen, die Spieler seien arrogant und überheblich, selbstverliebt und selbstgefällig, dem wahren Leben entrückt. Sie schämen sich dafür, wie diese Spieler auftreten.
Die beiden Fans stehen nicht, das Bier in der Hand, in der Kurve. Sie heissen Ancillo Canepa und Fredy Bickel und sind die Chefs der Spieler beim FC Zürich. Ihre Wutausbrüche haben schon fast tschetschenischen Zuschnitt.
Canepa ist vollamtlicher Präsident, der für seine Arbeit noch zahlt. Bickel ist der Sportchef, der inzwischen gut entlöhnt wird. Sie leben nicht gleich für, aber mit dem Verein, mit der Mannschaft, und in dieser leidenschaftlichen Nähe liegt begründet, dass sie alles, was mit dem FCZ passiert, persönlich nehmen.
Zu ihrem Vokabular gehört die unfeine Formulierung, sie würden sich den Hintern aufreissen, damit es den Spielern gut gehe. Sie haben deshalb auch schon von «Verarschung» geredet, als die Resultate schlecht waren.
Canepa und Bickel fürchteten nach dieser Niederlage um das frühe Platzen ihres grossen Traums.
Vor zwei Jahren war das so – nach dem 2:3 daheim gegen Maribor. Canepa und Bickel fürchteten nach dieser Niederlage um das frühe Platzen ihres grossen Traums: den Einzug in die Champions League. Und jetzt präsentiert sich ihre Mannschaft wieder auf eine Art, dass sie grösste Bedenken haben müssen, ihr Ziel in Europa zu erreichen. Es fällt ihnen deshalb schwer, ihre Emotionen zu kontrollieren.
Das 2:3 gegen Servette, nur eine Woche nach der Startniederlage in Sitten, verärgerte sie zutiefst. Das 1:1 in Lüttich im ersten Qualifikationsspiel zur Champions League verleitete sie in ihrer Erleichterung zu Eindrücken («ganz starke Reaktion»), die angesichts der spielerischen Leistung übertrieben waren. Das 1:2 am Samstag beim Aufsteiger warf sie gleich wieder zurück in ihr emotionelles Tief.
Der Ausbruch von 2009 provozierte die richtige Reaktion. Die Mannschaft erreichte die Champions League und ermöglichte es später ihrem Präsidenten, sich beim Training im Mailänder San Siro ins Tor zu stellen und in Stoffhosen nach Bällen zu hechten. Das passt zu Canepa. Er war wohl erfolgreicher Wirtschaftsprüfer, er ist auch erfolgreicher FCZ-Präsident, aber am liebsten wäre er Fussballer. So vernarrt ist er in das Spiel.
Eine Verbalattacke kann durchaus helfen. Die Frage ist nur, wie anhaltend die Wirkung sein kann, wenn sie gleich zweimal in so kurzer Zeit erfolgt wie in diesen Tagen. Denn eines gilt immer: Diese Mannschaft haben Präsident und Sportchef zusammengestellt. Sie haben die «Sensibelchen», die Widerständen nicht trotzen können, ausgesucht, und sie sind es, die in Lüttich das 5-Stern-Wellnesshotel auswählen, damit es ihrem Personal da an nichts fehlt. Sie fördern das Verwöhntsein, das sie im Misserfolg gleich selbst beanstanden. Dass sie übrigens kein bisschen an Urs Fischer kratzen, liegt nahe. Er ist ihr absoluter Wunschtrainer.
Canepa und Bickel wollen immer das Beste für den FCZ.
Canepa und Bickel handeln immer aus einem Antrieb: das Beste für den FCZ zu wollen. Die Spieler haben generell ein anderes Denken. In ihrem Universum dreht sich alles um sie selbst. Ihre Verbundenheit mit dem eigenen Vertrag ist immer grösser als mit dem Verein. Der eigene Maserati wird schnell einmal wichtiger als die Mannschaft.
Der FCZ wurde im Frühjahr gelobt, dass er in der Meisterschaft den FC Basel dank einer Serie von acht Siegen bis zuletzt bedrängte. Er lobte sich auch selbst dafür. Und ging die neue Saison mit der Zielsetzung an, Meister und Cupsieger werden zu wollen. Dass er keine Abgänge hatte, verleitete ihn zum Argument, seine Mannschaft sei eingespielt und darum im Vorteil.
In der Analyse ging unter, dass ihm in den entscheidenden Momenten die letzte physische und psychische Härte fehlten. Das war in der Super League so, als er sich im Derby gegen GC gehen liess und hier den Titel verlor. Oder im Elfmeterschiessen des Cup-Halbfinals gegen Xamax: Dusan Djuric lief derart kurz und nachlässig an, dass er im entscheidenden Versuch scheitern musste. Er habe nach 120 Minuten keine Kraft mehr gehabt für einen längeren Anlauf, sagte er danach – und damit alles über seine Einstellung.
Das Beste an der Situation
In diesen Wochen ist es nicht anders. Xavier Margairaz lupft einen Elfmeter in die Hände des wartenden Torhüters von Sion; die Mannschaft taumelt gegen Servette in 6 Minuten vom 2:0 zum 2:3; sie zeigt in Lausanne nur Egoismus und keine Demut, um Bickel zu zitieren, und verliert erneut. Das Verspielte ist schön im Erfolg. Sonst verleitet es nur zur berechtigten Annahme, dieser Gruppe fehle es an Charakterköpfen und Charakterstärke, an Mut und professioneller Mentalität, an Leidenschaft und Leidensfähigkeit. Ein Erfolg morgen gegen Standard Lüttich ist dringender denn je.
Das Beste an der Situation des FCZ ist sein Glück vom Hinspiel in Lüttich – dass im Tor ein starker Johnny Leoni stand und der Gegner mit seinen eigenen Problemen zu kämpfen hatte. Das Unentschieden lässt unverändert alle Chancen, die Playoffs zur Champions League zu erreichen.
Damit Canepa eben weiter davon träumen kann, wie sich der Rasen in München oder Manchester anfühlt.
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