Bericht über Finanzzahlen der Schweizer Fussballklubs
Ps.: Leider bringe ich die Statistik nur per Link in den Text, sorry.
Super League
«Sonst explodiert das Ganze irgendwann»: HSG-Experte fordert schärfere Geld-Regeln für Schweizer Fussballklubs – und kritisiert die LigaSchweizer Klubs leben oft von der Hand in den Mund oder ihrem Mäzen. HSG-Forscher sagen, das müsse sich ändern.
Dominic Wirth 27.06.2023, 05.00 Uhr
Über Geld spricht man nicht, man hat es, so lautet das Sprichwort. Zum Schweizer Fussball passt das, sagen wir einmal: teilweise. Haben? Allenfalls ein bisschen. Darüber sprechen? Eigentlich lieber nicht. Höchstens einmal im Jahr, weil es dann nicht anders geht: im Frühling, wenn die Uefa Zahlen verlangt von allen Klubs, die in europäischen Wettbewerben mitspielen wollen.
Und so liegen alljährlich aktuelle Finanzzahlen auf dem Tisch, die ein Bild davon zeichnen, wie es um die Kassen der Schweizer Fussballklubs steht.
Wenn Florian Hohmann über die Zahlen für das Geschäftsjahr 2022 spricht, dann sagt er zuerst «oft erschreckend» und bald darauf auch: «normal». Hohmann ist Finanzexperte und arbeitet am Institut für Accounting, Controlling und Auditing der Uni St. Gallen.
Er hat sich daran gewöhnt, dass er die Finanzen von Fussballklubs anders anschauen muss als die von normalen Wirtschaftsunternehmen. Darum «oft erschreckend», aus wirtschaftlich-analytischer Perspektive. Darum «normal», aus der Fussball-Perspektive, weil das Geschäft halt so funktioniert, gerade in der Schweiz. Aber Hohmann findet, dass sich nun etwas ändern muss. «Sonst explodiert das Ganze irgendwann», sagt er.
Florian Hohmann hat eine Finanzstudie zum Schweizer Fussball mitverfasst. Wenn er sich durch die Zahlen wühlt, stechen für ihn vor allem zwei Kennzahlen heraus: die Eigenkapitalquote und die Kaderkostenquote. Klingt erst mal kompliziert. Ist es aber nicht.
Die Eigenkapitalquote gibt wieder, wie viele Reserven ein Klub hat oder, anders formuliert: wie gut er gerüstet ist, wenn es im volatilen Fussball-Business mal nicht so läuft wie geplant. Zum Beispiel, weil die Zuschauer nicht mehr kommen. Oder weil das entscheidende Europacup-Qualifikationsspiel verloren geht.
Und damit wären wir wieder bei «oft erschreckend», dem Urteil von Hohmann. Es bezieht sich vor allem auf die Eigenkapitalquote. 20 Prozent sollten die Klubs mindestens erreichen, um als einigermassen stabil zu gelten, sagt er, wobei das schon sehr tief angesetzt sei. Doch selbst davon sind die meisten Klubs meilenweit entfernt. Nur der FC St. Gallen (53%) und die Young Boys (45%) übertreffen die 20-Prozent-Hürde. Das sind auch die beiden Klubs, denen Hohmann das Prädikat «gesund» verleiht. Als einzige.
Viele Klubs leisten sich zu teure KaderDie anderen Super-League-Vereine erreichen die 20-Prozent-Quote bei weitem nicht. Das gilt auch für den FC Basel (3%), der 2017 noch über eine stattliche Eigenkapitalreserve von rund 60 Millionen Franken verfügte, mittlerweile aber fast alles verbrannt hat. «Das Beispiel Basel zeigt, wie schnell es gehen kann», sagt Hohmann. Luzern, Lugano und Sion weisen 2022 gar ein negatives Eigenkapital auf, waren demnach überschuldet und auf Rangrücktritte ihrer Besitzer angewiesen.
Die Kaderkostenquote wiederum drückt aus, ob die Mannschaft, die sich ein Klub leistet, auch seinen finanziellen Verhältnissen – namentlich seinen Einnahmen – entspricht. Es ist ein Wert, auf den auch die Uefa im Rahmen ihres neuen Finanz-Regelwerks setzt. Darin legt sie fest, dass die Klubs künftig nur 70 Prozent der Einnahmen aus dem Fussballgeschäft – Eintritte, Fernseh- und Sponsoringverträge, Transfers – für ihren Profikader einsetzen dürfen. Sonst drohen Strafen.
Die 70-Prozent-Marke gilt ab der Saison 2025/26 für jene Klubs, die für ihren Kader mehr als 30 Millionen Euro ausgeben und die in der Gruppenphase eines europäischen Wettbewerbs mitspielen. Viele Schweizer Klubs erreichen diese Summe nicht; die Regel wird sie folglich auch nicht betreffen.
Dennoch ist der Wert auch für sie wichtig, weil die Kaderkosten eine Antwort auf die Frage liefern, ob die Klubs mit Augenmass und Vernunft wirtschaften. Die Antwort lautet in vielen Fällen auch hier: nein. Zwar lassen sich die Zahlen nur annähernd berechnen, weil gewisse Informationen fehlen. Doch auch so wird klar: verschiedene Klubs leisten sich zu teure Kader. Namentlich gilt das für Sion und GC. Bei anderen, allen voran Lugano und Servette, aber auch dem FC Zürich sieht es vor allem besser aus, weil Mäzene Millionen einschiessen.
Das sieht dann zum Beispiel so aus: Der FC Lugano weist 2022 unter «sonstige betriebliche Erträge» fast 21 Millionen Franken aus, der FC Zürich und Servette über 11 Millionen. Was dahintersteckt, geht aus den SFL-Kennzahlen nicht genau hervor. Florian Hohmann sagt, dass sich unter diesen häufig Zuschüsse von Mäzenen verbergen können. In Lugano ist der Besitzer Joe Mansueto, ein US-Milliardär. In Zürich schiesst das Ehepaar Canepa Geld ein. In Genf die Rolex-Stiftung.
Dass die Uefa solche Zahlungen nicht als Fussball-Einnahmen akzeptiert und die Kader in Genf, Zürich und Lugano folglich viel zu teuer wären, braucht die Klubs nicht zu kümmern. Denn die 30-Millionen-Grenze knacken sie nicht. Und in der Schweiz stehen im Lizenzierungsreglement keine Kaderkostenregeln – und überhaupt wenig handfeste finanzielle Kriterien.
Die Liga soll rigider regulieren
Im November des letzten Jahres hat die SFL ihre neue Strategie für die Jahre 2023 bis 2027 verabschiedet. Sie setzt sich darin eine ganze Reihe grosser Ziele. Zum Beispiel auch, dass alle Klubs finanziell nachhaltig arbeiten. Und dass sie ohne Investorengelder auskommen.
Das Problem ist nur, dass das alles bisher nur schöne Worte sind. Die Spielregeln, um diese Ziele auch zu erreichen, fehlen – eben beispielsweise im Lizenzierungsverfahren. Florian Hohmann sagt, das sei gefährlich, und zwar für das ganze Ökosystem des Schweizer Fussballs.
«Es braucht eine minimale Eigenkapitalquote von 20 Prozent und eine Kaderkosten-Vorgabe, aber auch mehr Transparenz vonseiten der Klubs», sagt Hohmann. Zudem sollen in Europa-Wettbewerben erspielte Preisgelder solidarischer in der Liga verteilt werden.
https://img.chmedia.ch/2023/06/26/baf5d ... 1196,x0,y0Er hat seine Studie und seine Ideen im letzten Jahr auch schon den Finanzverantwortlichen der SFL-Klubs vorgestellt. Hohmann findet, dass die SFL-Zentrale in Bern ihre Rolle als Regulatorin zu wenig wahrnimmt. «Die Liga müsste selbstbewusster und proaktiver auftreten und vor allem rigider regulieren – zum Wohle des Schweizer Fussballs», sagt er.
Für Florian Hohmann hat die Coronapandemie gezeigt, wie instabil das System teilweise ist. Und dass die Welt wegen verschiedener Krisen generell verletzlicher geworden sei. «Die Aufwärtsspirale mit dem stetigen ‹Höher, schneller, weiter› ist auch im Fussball irgendwann vorbei, sagt Hohmann. Er sieht den Fussball an einem Wendepunkt. Zudem würden für Sponsoren Themen wie Transparenz und Nachhaltigkeit immer wichtiger. «Für SFL und Klubs ist es besser, jetzt proaktiv die Weichen zu stellen, als irgendwann unter Druck Anpassungen vornehmen zu müssen», sagt Hohmann.
«Gewichtige Vorbehalte» bei der SFLOliver Wirz, CFO der SFL, sagt, man habe die HSG-Vorschläge zur Kenntnis genommen und mit den Finanzverantwortlichen der Klubs «intensiv besprochen». Die Einführung einer Eigenkapitalquote und einer Begrenzung der Kaderkosten sei «gewichtigen Vorbehalten» ausgesetzt. Zudem seien die Ansätze von der Liga nicht von einem Jahr aufs nächste Jahr «und insbesondere nicht gegen den Willen der Klubs umsetzbar», so Wirz.
Das ist der springende Punkt: Die SFL-Klubs würden sich mit schärferen Finanzregeln selbst Fesseln anlegen. Für eine Änderung der Statuten braucht es eine Zweidrittelmehrheit. Und diese scheint angesichts der unterschiedlichen Interessen illusorisch. So gehört Christoph Hammer, der ehemalige SBB-Finanzchef und Verwaltungsrat des FC St. Gallen, zu den Verfechtern strengerer Lizenzierungskriterien. Hammer ist einer der Co-Autoren der HSG-Studie und hat auch einen Gastbeitrag zum Thema in der NZZ mitunterzeichnet.
Aus seiner Sicht macht das Engagement Sinn: Der FC St. Gallen verfügt über die beste Eigenkapitalquote aller Klubs und wirtschaftet vorbildlich. Für viele andere Klubs gilt das aber nicht; sie leben von der Hand in den Mund und von Mäzenen. Und dürften deshalb auch kein Interesse an neuen Regeln haben, die das verunmöglichen.
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