Kollegah hat geschrieben:https://www.tagesanzeiger.ch/mit-sticheleien-und-tosin-weg-vom-tabellenende-623017863691
Danke!
Mit Sticheleien und Tosin weg vom Tabellenende
Seit Mitte November ist der abtretende Meister unbesiegt – beim 2:2 gegen YB zeigt sich, was ihn derzeit ausmacht und was ihm fehlt.
«Ähm», sagt FCZ-Trainer Bo Henriksen an diesem späten Samstagabend zuerst einmal, als wolle er eine kleine Bedenkzeit herausschinden. Immerhin hält er sie kurz und bringt die Situation, in der sein FCZ steckt, dann auf den Punkt: «Wir sind noch immer der Relegation näher als dem Europacup.»
Das soll es von ihm zumindest fürs Erste zum Thema sein, ob denn der FCZ jetzt nach oben in der Tabelle schaue. Und auch von Präsident Ancillo Canepa kommt Mahnendes oder zumindest Zurückhaltendes. Die zweite Halbzeit beim 1:1 gegen Winterthur und die erste beim 2:1 gegen GC hat er als «mühsam» in Erinnerung, «als Schuss vor den Bug». Darum seine Empfehlung: «Step by step. Demütig bleiben.»
Einen Schritt, einen weiteren, gehen die Zürcher am Samstag gegen die Young Boys, in diesem Spiel zwischen dem abtretenden und dem kommenden Meister, so viel Prognose soll sein. Sie trennen sich mit einem 2:2, das keinen richtig glücklich macht und beide doch die Serie der Ungeschlagenheit im neuen Jahr wahren lässt.
Tosin, ein Stürmer in Form
Sie nehmen sich ihre Zeit, um in die Gänge zu kommen. 39 Minuten ist fast gar nichts los im Letzigrund, es ist gar langweilig. Zu gross scheint der gegenseitige Respekt. Beim FCZ, weil es YB ist, das diese Saison aus wenig so viel machen kann – bei YB, weil der FCZ immerhin seit Anfang November unbesiegt ist. Erst das Zürcher Führungstor von Jonathan Okita, ein eleganter Schuss in die Ecke, löst die Verkrampfung.
Der FCZ spielt gerne aus der Tiefe und sucht den Konter, so wie in der 57. Minute, als Omeragic und Simic mit zwei schnellen Pässen den Raum für Aiyegun Tosin öffnen. In vier Sekunden geht es von weit hinten nach ganz vorne, Tosin setzt zum Schlenzer an, es ist ein starker Moment eines Stürmers in Form. Der Ball prallt an die Latte.
Statt 2:0 steht es 21 Sekunden später 1:1. Boranijasevic setzt nach dem Abpraller nicht entschlossen genug nach, Simic, sonst ein Schwerarbeiter, lässt das Pressing sein, und YB kontert. Der Pass von Rrudhani in die Tiefe ist brillant, genau zwischen Kryeziu und Omeragic, die in diesem Moment denkbar schlecht stehen. Monteiro läuft ihnen leichten Fusses davon und erzielt den Ausgleich. «Unnötig», meldet später FCZ-Goalie Yanick Brecher, so unnötig halt wie jedes entscheidende Gegentor.
Der FCZ der neuen Zeitrechnung unter Henriksen fällt deshalb nicht in sich zusammen, er setzt weiter «Sticheleien», wie das Brecher nennt. Und eine dieser Sticheleien führt zum 2:1 durch Tosin, als er den Abpraller nach einem Lattenschuss Rohners aus der Drehung über die Torlinie drückt.
Tosin erlebt damit eine Phase, die so gut ist wie keine, seit er im Sommer 2019 von Lettland an die Limmat gekommen ist. In der ersten Saison war er lange verletzt, in der zweiten auch, in der dritten, auf dem Weg zum Meistertitel, fiel er die ersten drei Monate mit einer Fussverletzung ebenfalls aus. Jetzt kommt er in seinen letzten sechs Einsätzen auf sieben Tore. Henriksen muss für ihn die Wirkung eines Jungbrunnens haben.
Der 25-Jährige aus Nigeria ist einer von drei Sturmspitzen, auf die der Trainer wie bei der Wende in der zweiten Halbzeit gegen GC setzt. Okita lauert links, Simic bringt in der Mitte die Physis ein, die dem Techniker Marchesano abgeht, Tosin kommt über rechts, und gelegentlich ist auch alles ganz anders, weil sie gerne rotieren. Sie machen diesen FCZ noch nicht gleich spektakulär, aber sie tragen zu der Athletik bei, die Henriksen von seiner Mannschaft verlangt und die sie auch braucht, um sich dauerhaft vom Tabellenende lösen zu können.
Die Lücken in der Abwehr
«Wir müssen unsere Sachen zusammenbringen», sagt Henriksen, «dann bin ich zuversichtlich, dass wir hinten wegkommen.» Die Sachen zusammenbringen – dazu gehört auch das Verteidigen. Und auch wenn die Zürcher vor dem eigenen Tor eigentlich nie zahlenmässig unterlegen sind, so gibt es an diesem Abend halt doch einen zweiten Moment, in dem sie nachlässig arbeiten.
Mirlind Kryeziu, letzte Saison noch der beste Verteidiger der Liga, kehrt nach einer Verletzung für den gesperrten Katic in die Mannschaft zurück. Vieles macht er gut, zweimal sieht er schlecht aus, wie beim ersten so auch beim zweiten Gegentor. Da lässt er sich von Itten auf die Seite ziehen und wirkt im Zweikampf an der Seitenlinie verloren, Itten kann flanken, in der Mitte zeigt Fassnacht die Entschlossenheit, die Boranijasevic dagegen so sehr fehlt. Fassnacht trifft wuchtig zum 2:2.
YB bleibt zum 15. Mal in Folge unbesiegt. Der FCZ ist nun seit Mitte November ungeschlagen, damals gewann er 4:1 gegen Servette, dank drei Toren von Tosin. Als der Arbeitstag zu Ende geht, sagt Henriksen noch: «Ich hoffe, wir gewinnen noch ein paar Spiele und können dann einmal über etwas anderes reden.» Vielleicht doch sogar über den Europacup? In dieser Liga ist fast nichts auszuschliessen.