aus der NZZ 15.8.16:
Brauchen wir mehr Profis?
Wachstum ohne Grenzen: In der dritthöchsten Schweizer Liga zum Beispiel gibt es Klubs mit einem Budget von über einer Million Franken. Die Entwicklung scheint unaufhaltsam – doch sie wirft Fragen auf.
INSIDE/OFFSIDE
Michele Coviello ⋅ Es gibt ja manche Dinge an der Schweiz, die imponieren selbst Weltmächten wie den USA. Nicht etwa das Bankgeheimnis, dagegen haben sie dort ja etwas. Aber andere Dinge, die für unsereins genauso selbstverständlich sind, wie es einst das Schweigen des Banquiers war. Die Berufslehre zum Beispiel, dieses Modell bestaunen die Amerikaner an der Schweiz, lassen es sich erklären, versuchen, es zu kopieren.
Und nicht nur sie. Manch eine europäische Nation schaut ab, wie man aus dem begeisterten Töfflibueb einen gewieften Mechaniker macht, wie aus dem Schulmädchen mit 5,5 in Mathematik eine schlagfertige Kauffrau wird. Schweizer, das sind in ihren Berufen Profis, die es mit allen aufnehmen können. Wenn Sie einen Medaillenspiegel sehen wollen, in dem das weisse Kreuz auf rotem Grund ganz oben steht, dann müssen Sie jenen der Berufsolympiade «World Skills» anschauen.
Wieso sollte es also im Fussball anders sein? Wir, die Profis für Profitum, wollen doch auch hier mitreden. Vielleicht geht deshalb die Professionalisierung in unserem Fussball weiter. Vielleicht. Ganz sicher ist es so, dass der König des Sports immer reicher wird – und sich immer stärker ausbreitet. Wir wissen, wie viele Milliarden durch die Premier League fliessen und wie viele Millionen selbst ihr miesestes Team für den Abstieg absahnt. Und wir wissen, dass es in Deutschland eine dritte Profiliga gibt und der übersättigte Markt seine U-23-Talente in einer eigenen Meisterschaft beschäftigen muss.
Aber wie weit die Professionalisierung auch hierzulande schon fortgeschritten ist, haben wir erst richtig seit dem Abstieg des FCZ gemerkt. Nun wissen wir, dass die Challenge-League-Stadien nicht mehr bloss aus ein paar Holzlatten bestehen – das Brügglifeld einmal ausgenommen. Inzwischen sind sieben von zehn Anlagen modern. Es gibt Investoren wie in Wil, die im Privatjet anreisen und zehn Millionen auf den Tisch legen. Es gibt keine Versicherungsvertreter mehr, die sich nach Feierabend mit Dul-X einreiben und ein bisschen kicken. Diese Halbamateure sind nun in der 1. Liga Promotion engagiert. Dort gibt es Klubs mit einem Budget von mehr als einer Million, das Doppelte, mit dem vor fünfzehn Jahren ein NLB-Team funktionierte. Aber gibt es doppelt so viele Zuschauer? Braucht es wirklich mehr Profifussballer? Oder müssten wir vielleicht doch mehr Bäcker und Schlosser ausbilden?