Beitragvon pexito » 21.09.22 @ 10:10
Die chronische Schwäche des FCZ
Viele sind die Ansatzpunkte der Kritiken, welche sich aktuell gegen den FC Zürich, dessen Trainer, Spieler oder Führungsetage richten. Aus allen erdenklichen Blickwinkeln und mit verschiedenen Emotionen versehen, reichen diese als Futter für Zeitungen, Onlinemedien, Podcast und Internetforen.
Natürlich könnte auch ich mich diesen anschliessen, allerdings erscheint mir zur aktuellen Lage bereits vieles gesagt und oft wiederholt. Nicht nur deswegen möchte ich eine Schwäche des FCZ ansprechen, die scheinbar chronischer Natur erscheint.
Underdog, Cindarella oder doch einfach unreif?
Der FCZ gehört zu der Kategorie Mannschaft "Gefühlsachterbahn", die auch häufig in den Spielen von den Emotionen lebt. Die Fans können ein Lied davon singen, unmögliche sowie nicht vorstellbare Siege und unfassbare Niederlagen beschreiben die Bandbreiten denen Sie sich exponieren dürfen oder müssen. Darin lebt nicht nur das Umfeld sondern auch der Verein, welcher mit diesem hoch volatilen Geschehen umgehen muss. Die Medien, in Zürich nicht zu knapp, gehen die Themen auch nicht so schnell aus. In den 80er und 90er Jahren war die Berichterstattung sehr negativ, als notorischer Klub am Strich (das Wiederkommen des Strichs ist ein Thema für sich) aber vor allem auch als jener Zürcher Klub der vergleichsweise mit dem damaligen Serienmeister Grashoppers einfach nicht mithalten konnte und den schwächeren Derbyteilnehmer besetzte. Zumindest in der Kategorie Derbies, konnte der Stadtklub den Trend wenden und zeigt sich seit der Jahrtausendwende von der positiven Seite.
Ist der FCZ ein immerwährender Underdog? Nein, dafür ist er zu erfolgreich: vier Meistertitel und ebensoviele Cupsiege in den vergangenen 20 Jahren, dafür würden andere Super League Vertreter ihre Seele dem Teufel verticken.
Cupsieg, Abstieg, Aufstieg, nochmals Cupsieg und Meistertitel, das alles in sechs Jahren. Stoff für Filme, eventuell auch eine Trilogie. Kann es sein, dass ein Klub einfach launisch, irrational und inkonsequent über Jahrzehnte hinweg sein kann? Gibts es so etwas wie eine Klub-DNA? Gibt es einen Fussballgott (ich meine so als astraktes Medium, nicht Maradona)? Hat es mit dem Sternzeichen des FCZ zu tun? Wollen wir das wirklich mit Esoterik beantworten?
Disonanz zwischen Erzählung und Realität
Zurück zur Gegenwart, die letzten drei nationale Spiele in Nachspielzeiten veregeben, nach Leistungen die für einen Sieg hätten reichen können. Nach dem Cup-Out gegen Lausanne spricht weder Marchesano am Spielfeldrand noch Kay Voser im SRF Studio von Zufall. Wahrscheinlich zurecht. Genausowenig müsste der Zufall eine Rolle spielen, dass dieser Klub so häufig entweder Top oder Flop ist. Nicht selten auch innerhalb einer Spielzeit. Ist der FCZ eine wiederholende Cinderella-Story? Auch wenn diese Bezeichnung treffender wäre, muss man sie trotzdem verwerfen. Der FCZ gehört nach den verkorksten 90er Jahren gemäss der allgemeinen Meinung in die oberen Tabellenhälfte, zuweilen gar unter den besten drei. Wenn es also nicht Zufall ist, was muss dann für diese Wechselhaftigkeit herhalten?
Die Antwort habe ich nicht. Häufig werden in solchen Fällen als Ursachen der Besitzer, die Vereinsleitung, das Coaching, das Scouting und das Budget genannt. Ganz sicher allgemein wichtige Faktoren. Nun ist es mal so, dass der Coach nicht ewig währt und auch das Scouting nicht alljährlich grottenschlecht wäre. Was bleibt dann übrig? Besitzer, Vereinsleitung, die Medien und die Fans. Würden wir hier die klassische Vorgehensweise beim Trainerrauswurf bei fehlenden Resultaten zu Rate ziehen, müssten wir Canepa rausschmeissen. Dies ist kein Artikel gegen Canepa, es ist lediglich ein Artikel der darauf abzielt diese ominmöse Klub-DNA festzumachen. Canepa war nicht der einzige President des FCZ. Er alleine hat nicht diese allgemeine Wahrnehmung des FC Zürich geformt. Aber ja, der FC Zürich ist nicht der selbstbewussteste Verein der Schweiz. Mit Sicherheit war er es lange Zeit nicht und hat auch in den vergangenen Jahrzehnten dieses Image nicht besonders gefördert. Gewisse Aussagen von Canepa sind nicht kohärent und sind nur schwer in den Gesamtkontext zu kriegen. FC Bayern der Schweiz, Topadresse, Transfer in zweistelligen Millionbereiche, europäisch Ziele als wichtiger erachten u.v.m. Da ist eine gewisse Überschätzung drin, die sich dann wieder als Unsicherheit rausstellt. Nochmals, Canepa hat vieles beim FCZ erreicht und überlebenswichtige Ziele erreicht (Fanshop, Marketing, Herrenschürli). Ich wünschte mir andererseits etwas mehr Patron alter Schule, der dann spricht, wenn es wirklich wichtig ist und weniger am Spielfeldrand zu sehen ist. Neben doppelten und dreifachen Chargen ganz zu schweigen.
Die Medien spielen eine nicht vernachlässigbare Rolle. Ein gewisser Stock an Journalisten und Leser, die in den 80er und 90er die Berichterstattung prägten und erlebten, kennen eben diesen "Looser" FCZ und können sich nun mal davon nicht lösen. Eine einfache Welt, ist einfach zu beschreiben und noch einfacher zu leben. Und so brennen sich geschaffene Meinungen in die Köpfe der Interessierten und der Verein wird wiederholt mit dieser Sicht konfrontiert. Ausserdem erscheinen alle Vorfälle mit diesem Vorurteil, egal ob positiv oder nicht, als Resultat der Unfähigkeit und bestenfalls als Zufall. Zum Glück, nicht alles ist schlecht in den Medien. Mir gefällt die neue Generation der Sportjournalisten und -analysten, die mit weniger fertigen Phrasen und voreingenommenen Meinungen auskommen.
Die Unfähigkeit Spiele zu verwalten und dominant aufzutreten
Seit nun vielen Jahren in denen ich den Stadtklub verfolge, kann ich mich nicht an eine anhaltende Periode erinnern, in welcher der FCZ Spiele wiederholt mit Sicherheit eine Führung gekonnt und sicher runterspielt oder grundsätzlich diese Abgeklärtheit an den Tag legt, die eher bei den vergangenen Serienmeistern zu bestaunen war. Im Gegensatz, oft waren es schier undenkbare Spielausgänge, die mit dem FCZ in Verbindung gebracht werden. Oder das Aufbäumen gegen nahezu unüberwindbare Serienmeister sowie siegreiche entscheidende Spiele respektive Cupsiege. Als Spielverderber sozusagen. Eine gewisse Stetigkeit konnte man unter der Ägide Favre nennen, aber ich erinnere mich noch gut daran, wie wir damals vor allem gegen die "Kleinen" Teams die schweren Punkte holten. Die einzige Saison in welcher der FCZ konstant dominant und selbstsicher aufgetreten ist, war in der Aufstiegssaison also in der Challange League. Das muss man mal so sitzen lassen.
Ich rede mir ein, dass der FCZ als notorischer schwieriger Cup Gegner wahrgenommen wird, ich liege falsch.
Dass wir zehn von elf Cupfinals gewonnen haben, wissen alle. Aber nur eine Runde darunter, bei den Halbfinals, herrscht eine negative Bilanz; für die elf Finals benötigten wir 24 Halbfinals. Wie kann das sein, dass wir bei den Halbfinals eine Siegesquote von 46% haben, bei den Finals von über 90%!
Ist der FC Zürich einfach unreif? Die Antwort hier ist differenziert zu geben. Ja, ich empfinde ihn als unreif, wenn es darum geht mit den Medien zu hantieren, mit Erfolgen umzugehen und mit dem Auftreten in der Öffentlichkeit. Natürlich ist der ganze Betrieb nicht so zu werten. Ich schätze die gesteigerte Professionalität, die mit Canepas Amtsübernahme einherging. Ich gehe stark von einem operativ gut eingespielten Verein aus. Erfolge die man dem Präsidenten verdanken muss. Dennoch verkaufen wir uns schlecht, es ist immer wieder Unsicherheit da und zeigen Schwäche. Das sind alles Dinge, die bei Topklubs nicht zu beobachten sind. Wenn man erzählt, dass man besser sei, dann muss man das auch Glauben und dem ganzen Verein vermitteln. Ich denke nicht, dass dies der Fall ist. Das war die ganz grosse Leistung Breitenreiters zuletzt. Dieser Mann hatte alle abgeholt.
Und vielleicht ist das eine Erklärung für die aktuell fehlende Aufmerksamkeit, Sicherheit und Fokussierung bei der Mannschaft und allenfalls auch bei der sportlichen Leitung. Foda ist eine Auswirkung davon und verstärkt diese mit der eigenen Unsicherheit, die ihn auch zuletzt als ÖFB-Coach begleitete. Wie es Marchesano und Voser sagten, da sind alle Bereiche gefragt, Spieler nicht ausgeschlossen.
Es mag eine sehr einfache Sicht der Dinge zu sein, aber in meiner begrenzter Wahrnehmung, sind das Befunde davon, wenn man sich selbst als Underdog oder Cindarella betrachtet. Gerne aber FC Bayern wäre. Ich mag Underdogs, ich mag diese etwas romantisch verklärte Fussballwelt, in welcher Underdogs wiederkehrend etwas reissen können. Ich kann gut mit Unstetigkeit leben, bin ich doch selber ein Mitglied dieser Tracht. Ich bewundere die Fähigkeit in einem Spiel über sich herauszuwachsen, selbst wenn die ganze Saison eher durchschnittlich verlief. Aber will der FCZ sich mal als Spitzenteam etablieren, muss er genau in diesen Punkten wachsen.
Und deswegen, habe ich meinen Kinder eingetrichtert, sie sollen nach gewonnenem Meistertitel nicht mit weiteren Erfolge rechnen, um Sie von diesem schwer verdaulichen FCZ zu schützen. Auch sie werden es noch lernen und das ist OK. So schnell wird der FCZ kein Spitzenklub sein.
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pexito am 28.09.22 @ 14:13, insgesamt 2-mal geändert.
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