Zum Thema Rote Karten in der Bundesliga:
Wie spielentscheidend sind rote Karten?
von Metin Tolan, 25. Februar 2008, 14:00
Hat Werder Bremen am Wochenende durch das 0:1 bei Eintracht Frankfurt die Meisterschaft verspielt? Dabei hat der Spieler Diego in der ersten Halbzeit die rote Karte bekommen und seine Mannschaft entscheidend geschwächt. Doch wie stark hat er seine Mannschaft wirklich geschwächt? Dies soll nun einmal analysiert werden, unter der Voraussetzung, dass alle Spieler einer Mannschaft als gleich stark angesehen werden können. Selbstverständlich ist der Spieler Diego nicht genauso stark wie seine Bremer Kollegen, sondern sein Verlust ist als viel größer anzusehen, aber wir wollen hier auch nur ein Gefühl für den Effekt bekommen, um den es geht.
Also, die Frage lautet: Wie stark schwächt ein Ausfall eines Fußballspielers seine Mannschaft? Diese Frage könnte natürlich sofort mit „Um 10%!“ beantwortet werden, da einer von zehn Feldspielern ausscheidet, und 1/10 =10% ist. Doch ist es wirklich so einfach?
Zunächst soll ein Zusammenhang zwischen der Zahl der Feldspieler einer Mannschaft und der Größe des Spielfeldes hergestellt werden. Das Spielfeld mit seinen Ausmaßen ist in der folgenden Abbildung dargestellt:
Interessant ist, dass es gar keine Regel gibt, wie groß ein Spielfeld genau sein muß. Allerdings ist heutzutage eine Fläche von A = 7000 Quadratmetern ein realistischer Wert. Nun soll eine bestimmte Zahl N von Feldspielern gleichmäßig auf dieses Spielfeld verteilt werden. Angenommen jeder Feldspieler hat einen „Aktionsradius“ von d, d.h. er überbrückt diese Strecke in einer vorgegebenen Zeit, dann kann die Spielfläche A mit N Quadraten der Seitenlänge 2d überdeckt werden. Der Aktionsradius ist aus Gründen der Einfachheit hier nicht wirklich ein Radius, aber das ist nicht weiter wichtig. Das Überdecken der Spielfläche geschieht also wie in der nächsten Abbildung für N = 24 Feldspieler angedeutet:
Es ist nun leicht zu erkennen, dass sich der Zusammenhang A = N * (2d)^2 für die Spielfläche und die Zahl der Feldspieler ergibt. Diese Formel kann, wie oben in der Graphik gezeigt, nach dem Aktionsradius d umgestellt werden. Der Aktionsradius d hängt also von der Quadratwurzel aus dem Verhältnis der Spielfläche A und der Spieleranzahl N ab. Wenn der Aktionsradius durch die Geschwindigkeit vSpieler des Spielers und mit der Zeit TSpieler ausgedrückt wird, die ein Spieler benötigt, um „seine Fläche“, wie oben in der Graphik angedeutet, zu kontrollieren, dann ergibt sich: TSpieler = d / vSpieler . Für d kann der Zusammenhang mit der Spielfläche und Spielerzahl eingesetzt werden mit dem Ergebnis: TSpieler = ( A / N )^1/2 / ( 2 vSpieler )
Die folgende Graphik veranschaulicht die Formel. Aufgetragen ist die Aktionszeit TSpieler gegen die Zahl der Feldspieler für A = 7000 Quadratmeter (z.B. Signal-Iduna Park Dortmund) und vSpieler = 16 km/h (Geschwindigkeit eines Mittelfeldspielers).
Was bedeutet nun diese Formel? Sie zeigt uns auch an, wie schnell ein Spieler sein muß, damit er bei einer vorgegebenen Größe eines Spielfeldes und einer Spielerzahl seinen Aktionsradius in der errechneten Zeit TSpieler erreicht. Sind weniger Spieler auf dem Feld, dann wird die Zeit TSpieler größer, weil N im Nenner der Fromel steht. Dies ist ebenfalls in der Abbildung zu sehen. Da aber auch vSpieler im Nenner der Formel steht, kann dies also durch eine größere Geschwindigkeit der Spieler wettgemacht werden. Weil aber im Nenner der Formel die Spielerzahl unter der Quadratwurzel steht und die Geschwindigkeit nicht, folgt, dass beide Einflüsse nicht gleich sind. In der Tat ergibt die Berechnung, dass wenn das Verhältnis der Spieler auf dem Feld sich um ΔN / N ändert dies wie eine halbe Änderung der Geschwindigkeit ΔvSpieler / vSpieler wirkt (siehe die Formel in der Abbildung oben). Wenn sich also die Zahl der Spieler um ΔN / N = 10% verringert, dann müssen die verbleibenden Feldspieler nur um jeweils ΔvSpieler / vSpieler = 5% schneller rennen, um das Spielfeld genauso wie vorher abzudecken!
Nun kann eingewendet werden, dass sich ja niemals alle Feldspieler gleichmäßig auf dem Fußballplatz verteilen und auch alle nicht gleich schnell sind usw. Das ist klar. Die Betrachtungen sollten auch nur ein grobes Gefühl für die Zusammenhänge vermitteln. Trotzdem zeigen diese Überlegungen, dass eine Fußballmannschaft im Durchschnitt durch den Ausfall eines Spielers nicht so stark geschwächt wird, wie man zunächst vermuten könnte. Anstelle der sofort geschätzten 10% ist es so, dass alle Spieler nur 5% mehr geben müssen, um den Verlust des Spielers zu kompensieren! Allerdings helfen diese Betrachtungen Werder Bremen jetzt nicht mehr weiter ...
So weit, so gut, beste Grüße
Metin Tolan
http://www.wissenslogs.de/wblogs/blog/querkraft/physik/2008-02-25/wie-spielentscheidend-sind-rote-karten
Die Kritik an anderen hat noch keinem die eigene Leistung erspart. Noël Coward, britischer Dramatiker (1899 - 1973)