Beitragvon noa » 21.12.07 @ 1:47
Bereits als der FCZ vor ein paar Wochen regelmässig nur mit viel Kampf, Krampf und Glück in letzter Sekunde die Spiele zu retten vermochte, merkte man dass die Mannschaft weit weg ist von einem souveränen Titelverteidiger. Natürlich hat dann noch niemand etwas am Trainer zu kritisieren gewagt.
Es ist mir bewusst, dass viele wichtige Spieler im Sommer den Klub verliessen und womöglich wird die Schwierigkeit unterschätzt trotzdem gute Resultate zu zeigen. Doch die Mannschaft spielte ja zu Beginn der Saison stark und hat gezeigt, dass sie dank den Verstärkungen immer noch sehr gut besetzt ist.
Bereits vor Favres Abgang wusste man, was man in Zukunft verbessern muss: Die Mannschaft sei zu berechenbar, spiele zu viel mit Dribblings und Klein-Klein-Spiel durch die Mitte usw. Die Vorgaben an den Trainer waren deshalb klar: möglichst beibehalten was unter Favre so gut geklappt hat und über die Flügel spielen, öfter mit Flanken agieren, kräftige, grosse Spieler ins Team integrieren etc.
Am Ende der Hinrunde und den schlechten letzten Partien finde ich es angemessen auch über den Trainer zu diskutieren.
Tatsache ist, dass das Team immer noch einigermassen gut im Rennen liegt, auch wenn es in der Meisterschaft und auch im UEFA-Cup jetzt unheimlich schwierig wird. Tatsache ist aber auch, dass der FCZ während der Hinrunde eindeutig an Klasse verloren hat und sich mit dem desolaten letzten Spiel gegen Bayer auf dem Tiefpunkt seit langer Zeit befindet. Ich mache Bernard Challandes drei Hauptvorwürfe:
1. Für mich ist kein Fahrplan und Konzept ersichtlich. Challandes wirkt auf mich immer mehr überfordert. Er scheint vielmehr zu versuchen den Schaden in Grenzen zu halten statt die Mannschaft weiter zu bringen. Diese Planlosigkeit zeigt sich für mich jeweils besonders bei den Auswechslungen: meistens zögert der Trainer bis zur 80. Minute mit einem Wechsel, um dann die fast immer blass gebliebenen Hassli oder Eudis zu bringen, was meistens mehr aus Verlegenheit zu geschehen scheint. Auch geschah die Einwechslung am Donnerstag von Stürmer Eudis für Stürmer Alphonse wohl mehr aus Unsicherheit. Dieses Zögern und scheinbar planlose Handeln wirkt sich bestimmt auch auf die Mannschaft aus. Andere Trainer hätten wohl schon beim 0-2 die gesamte Auswechselbank zum Aufwärmen geschickt...
2. Die grösste Kritik ist für mich die fehlende Jugendarbeit. Da hat mich Challandes sehr enttäuscht und das hätte ich nicht erwartet. Ein Hauptgrund der im Sommer schlussendlich für Challandes sprach war wohl, dass er gut mit jungen Spielern arbeiten kann und gut zur Philosophie passt, auf welche der Klub aufbaut; nämlich junge Spieler aus einem aufwendig und teuer betriebenen Nachwuchs in die erste Mannschaft zu führen und womöglich teuer zu verkaufen - wie es mit Dzemaili und anderen so wunderbar geklappt hat.
Die jungen Spieler im Team haben sich seit der Sommerpause nicht weiterentwickelt. Stahel, der im letzten Frühling nach einer Krise offensichtliche Fortschritte machte, stagniert in dieser Hinrunde total. Auch Lampi hat in seinen Auftritten nicht zeigen können, dass er ein valabler Ersatz wäre. Abdi spielte zu Beginn der Saison sehr stark und ist jetzt aber ziemlich eingebrochen. Der für mich vielversprechende Kollar zeigt keine Steigerung mehr. Schönbächler hat trotz zahlreichen Einsätzen den Durchbruch nicht geschafft. Barmettler ist verletzt - schade.
Was ganz offensichtlich ist und die jungen Spieler auch bestimmt spüren, ist, dass Challandes ganz offensichtlich kein Vertrauen in die jungen Spieler hat. Als Beispiel wird der erfahrene Konde ohne Spielpraxis verpflichtet und wird sogleich zum Stammspieler. Am Donnerstag spielt der erst wieder genesene Aegerter ohne Einfluss ins Spiel zu nehmen über eine Stunde –und wird durch Tico ersetzt. Der einstige Captain Schneider, der eine unterirdische Leistung bot und an fast jeder gefährlichen Situation der Leverkusner beteiligt war, spielt über 90 Minuten. Junge, hungrige Spieler, die teilweise schon lange im Team sind, sitzen auf der Ersatzbank und schauen sich von da auch das vierte und fünfte Gegentor an. Bei einem bereits verlorenen Spiel ohne grosse Bedeutung hätte man wenigstens nach dem 3-0 und angesichts der schwachen Leistungen einiger Spieler die Jungen bringen können, damit die wenigstens wertvolle Erfahrungen im UEFA-Cup hätten sammeln können.
Kurz: die Jungen die zum spielen kommen machen keine Fortschritte und es kommen keine neuen jungen Spieler zum Einsatz oder werden von der U21 integriert. Hier finde ich sollte die Vereinsführung mal ein Machtwort sprechen. Die Philosophie des FCZ wird so nicht mehr umgesetzt, zudem haben viele junge Spieler in der Vergangenheit zum FCZ gewechselt weil sie auf Spielpraxis in der ersten Mannschaft hoffen konnten. Das hat uns zum Beispiel im Vergleich zum FCB (der sich den Nachwuchs glaub ich jährlich ca. 7 Millionen kosten lässt) mindestens gleichgesetzt.
3. Lucien Favre hat sich auch dadurch ausgezeichnet, dass er - mit Fredy Bickel!! – sehr gute Spieler entdeckt und integriert hat. Seien dies Auswärtige oder solche aus dem eigenen Nachwuchs. Ich bin gespannt auf die Winterpause, aber bisher hat Challandes meines Wissens einzig für den ihm bereits bekannten Konde stark gemacht und noch keine neuen Spieler aus dem Nachwuchs integriert. Ich bezweifle ob Challandes den Verein auch neben dem Trainingsplatz weiterbringt und ob Bickel das Team stets alleine passend ergänzen kann.
Zu einigen Gegenargumenten hier:
- Den dünnen Kader für die schwachen Leistungen verantwortlich zu machen, finde ich nicht richtig. Dies mag einzig für den UEFA-Cup stimmen. In der Meisterschaft hat man mit den jungen Ersatzspielern oder einem Stucki durchaus Alternativen. Dass einige Verstärkungen nötig sind und dass die momentane Qualität nicht immer mit den Ansprüchen übereinstimmt ist richtig, aber um ein Thun oder Aarau zu bezwingen ist ein genügend breiter Kader vorhanden. Ich finde einen dünnen Kader für einen Verein wie den FCZ sinnvoller. Favre hat allfällige Lücken mit Spielern aus der U21 geschlossen und ist damit zweimal Meister geworden…
- Das Argument, dass Challandes mehr Zeit benötige, finde ich nicht berechtigt. Die neuen Spieler sollten jetzt integriert sein und die Mannschaft hat zu Beginn der Hinrunde besser gespielt als am Ende.
- Die Situation mit derjenigen von Lucien Favre im Herbst 2003 zu vergleichen finde ich ziemlich bizarr: der Verein ist überhaupt nicht mehr mit demjenigen von damals zu vergleichen.
Vielleicht ist Challandes als Junioren-Naticoach tatsächlich besser aufgehoben, wo er die Spieler kurzfristig auf ein Spiel heiss machen muss. Die Argumente, die für Challandes sprechen, sind für mich, dass momentan wohl kein besserer Trainer zur Verfügung steht und dass trotz allem die Platzierung in der Meisterschaft und im UEFA-Cup nicht schlecht oder sogar sehr gut ausschaut. Womöglich überrascht Challandes uns alle mit einer sehr starken Rückrunde – wer weiss. Ich finde es trotzdem legitim, neben der Mannschaft, die es zu kritisieren gilt, auch am Trainer Zweifel zu äussern.
Zum Schluss meines viel zu lang geratenen posts (sorry, bin von einer lustigen Bar-FCZ-Challandes-Diskussion zurück und musste soviel schreiben, mein Diskussionspartner liest hier auch mit): Auch ich weiss, dass wir uns vor wenigen Jahren noch über drei Siege in Serie riesig gefreut haben, von einer Platzierung wie der heutigen ganz zu schweigen. Auch ich sehne mich sehnlicht nach den guten alten Zeiten. Für mich haben die jedoch der alte Letzi, die coolen Leute und die gemütliche Atmosphäre in der Südkurve oder die Flachpass ausgemacht und nicht die jahrelange Erfolglosigkeit.