Zwölf: Die FCZ-Seele liegt am Wegrand

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fischbach
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Zwölf: Die FCZ-Seele liegt am Wegrand

Beitragvon fischbach » 21.07.07 @ 12:39

Artikel aus dem neuen "zwölf".

http://www.zwoelf-magazin.ch/de/magazin/02/fcz_seele.html


DIE FCZ-SEELE LIEGT AM WEGRAND

Im FC Zürich ist die neue Klubführung bemüht, den Erfolg ins Letzigrund-Stadion mitzunehmen. Ob der FCZ auch seine Seele ins neue Zeitalter hinüberretten kann, ist ungewiss. Die Chronik eines Niedergangs der anderen Art. Text: Saro Pepe

Herbst 2002. Der FC Zürich ist am Boden wie eh und je. An der Seitenlinie mit Georges Bregy ein Mann, der wenig Trainerblut in seinen Ader hat, an seiner Seite Assistent Walter Grüter, der die Spieler bei jeder Gelegenheit gegen den Chefcoach aufwiegelt. Der FCZ eben, wie man ihn liebt. Unprofessionell und chaotisch, dies dafür mit System. Heute, fünf Jahre später, weht beim FCZ ein anderer Wind. Ein neuer Geist beseelt die Führungsriege, und ein Gespenst geht um, in Fankreisen diffus als «moderner Fussball» bezeichnet. Modern, weil marktorientiert und auf europäischen Erfolg erpicht. Finanzkräftige Leute sind aufgetaucht, welche überzeugt und gewillt sind, den Klub direkt in die Champions League zu führen. Die Gefahren, die am Wegrand Richtung Europa lauern, lassen sie kalt.

Stimmung trotz Georges-Bregy-Fussball Einer der Auslöser der Veränderungen war der Cupsieg im Jahr 2000. In der Folge begann die chaotisch kreative FCZ-Fankurve stetig und stark zu wachsen. Ab der Saison 2002/03 herrschte plötzlich wieder gewaltig Stimmung auf den Letzigrund-Rängen, trotz Georges-Bregy-Fussball. Der Rest des Stadions war freilich beängstigend leer, die Stehplatzbesucher waren bei vielen Spielen in der Überzahl im Vergleich zum sitzenden Fanvolk. Das Stadion war nicht nur während der Spiele, sondern auch im Anschluss daran fest in der Hand der jungen Generation. Hunderte pilgerten nach Spielschluss in das seit 2002 von Fans geführte Stadioncafé «Flachpass» im Bauch der Haupttribüne. Dort und in der Südkurve wurde das neue Selbstbewusstsein des FCZ geboren, dort wurden auch wichtige Grundsteine für die jüngsten Meistertitel gelegt. Plötzlich war es in der ganzen Stadt wieder chic, sich als FCZler zu outen, sich überhaupt für Klubfussball zu interessieren. Die Südkurve mit ihren Choreografien wurde medial abgefeiert, und langsam füllte sich auch der Rest des Stadions wieder.
Zur gleichen Zeit wurde es Präsident Sven Hotz in der Chefetage allmählich alles ein bisschen zu viel. Hotz engagierte zwar mit Fredy Bickel den wohl besten Sportchef der Schweiz, verweigerte aber anders als früher sein dickes Portemonnaie für teure Transfers. Neue Spieler wurden fortan von anderen Leuten im Klub finanziert. Als Trainer Lucien Favre mit Saisonstart seinem Team ein halbes Jahr nach Dienstantritt auf dem letzten Platz überwintern musste, war es wohl mehr der Müdigkeit als der Weisheit des in die Jahre gekommenen Präsidenten zuzurechnen, dass er Favre nicht entliess. Das war im Dezember 2003.
Im selben Jahr erfolgte mit der Professionalisierung des Marketings ein wichtiger Umbruch auf Klubebene. Die externe Agentur V+F Sportmarketing erhielt ein Mandat für drei Jahre. In Zusammenarbeit mit V+F – die in der Schweiz auch noch die Young Boys und die ZSC Lions nach demselben, im Ausland abgekupferten Schema X vermarktet – setzte der neue Marketingleiter die Gründung des «FCZ Business Club» durch. Ein erlauchter Zirkel, zu dem jeder Zutritt hat, der 26000 Franken pro Jahr zu zahlen bereit ist.
Der schnelle Erfolg dieser neuen Vereinigung drängte alteingesessene Klubsektionen (Supporter-Club, 50erClub, 1000er-Club) an den Rand der Bedeutungslosigkeit. Als Präsident des Business-Club amtet mit René Strittmatter eine zentrale Figur bei der Neuorientierung des FCZ. Der Bankier finanzierte am Ende der Hotz-Ära die Transfers aus seinem eigenen Portemonnaie und holte Mitte 2003 seinen Freund Lucien Favre auf die Trainerbank. Es darf spekuliert werden, wie weit Strittmatter selber wirtschaftlich an den Spielern beteiligt ist, welche er dem FCZ ermöglicht. Strittmatters Bankgeschäfte jedenfalls wurden 2005 in einem Artikel der «SonntagsZeitung » kritisch hinterfragt. Die wohl erfolgreichste Fanartikel-Serie der gesamten FCZ-Geschichte hiess «Urban Collection» und wurde 2004 quasi als Antwort auf das florierende Merchandising der Südkurve lanciert. Die einfach gestaltete Linie wollte coole und modisch orientierte junge Fussballfans einkleiden. Dabei wurden bewusst Markenzeichen aus der Fankurve kopiert. Diese Pervertierung von Ideen aus der Kurve durchzieht bis heute das Geschäftsgebahren des FCZ.
Es werden Parolen ebenso kopiert und für eigene Zwecke missbraucht («Gmeinsam unufhaltsam»), wie auch schamlos Impulse aus der Kurve als eigene Ideen verkauft («Alli in Wiis a d’Meisterfiir!»). Die Zeile «Eine Stadt, ein Verein» hat der Verein anscheinend gar patentieren lassen. Eine Zeile, die einem Lied aus der Südkurve entlehnt ist. Alles halb so wild? Zur Debatte steht momentan jedenfalls, ob die Südkurve ihre Fanartikel weiterhin mit dem Zusatz «FCZ» versehen darf, weil der Klub seine Marken geschützt hat. Schöne neue Fussballwelt eben.

Canepa, Wirtschaftsprüfer und «Tell Star»-Kandidat Zentrales Element für die Veränderungen beim FCZ war der Abgang des rührigen Präsidenten Sven Hotz. Nach 20 Jahren mit mitunter kolossalen Fehleinschätzungen fand Hotz Mitte 2005 mit Ancillo Canepa quasi in letzter Sekunde eine Persönlichkeit, die ihn an der Spitze des Klubs abzulösen bereit war. Wie wichtig für Canepa beim Entscheid, FCZ-Präsident zu werden, der Zufallsmeistertitel in Minute 93 war, lässt sich nur erahnen. Jedenfalls lässt der neue starke Mann keine Möglichkeit ungenutzt, von Bayern München und der Champions League zu schwärmen.
Offensichtlich hat Canepa wenig Lust auf Mittelmass. Als ehemaliger Chef-Wirtschaftsprüfer bei Ernest&Young hat er die Lotterfirma FCZ innert kürzester Zeit gestrafft und auf Vordermann gebracht. Er hat im FCZ jenen Strukturwandel vollzogen, der in der Wirtschaft an den meisten Orten schon viel frührer stattgefunden hat: der Wechsel von einem Patron alter Schule zu einem marktwirtschaftlich orientierten, dynamischen Jungspund. Wenigstens kann man Canepa nicht vorwerfen, erst vor kurzem auf den Fussballzug aufgesprungen zu sein. Bereits 1984 versuchte er sich bei einem erfolglosen Auftritt als «Tell-Star»-Kandidat mit dem Spezialthema «Deutsche Bundesliga».
Am tiefsten in die Herzen der FCZ-Fans trifft Canepas überrissene Preispolitik für den neuen Letzigrund. Die billigste Saisonkarte kostet 450 Franken, was Einzeleintritte von 30 bis 35 Franken in den Fankurven erahnen lässt. Stehplätze wird es im künftig teuersten Stadion der Schweiz eh nicht mehr geben, dafür jede Menge in die filigrane Holzdecke eingebaute Überwachungskameras, ergänzt durch Mikrofone und Lautsprecher, welche die Gesänge aus der Kurve (wie bei YB) auch im Rest des Stadions hörbar machen sollen. Die Fans in der Kurve sollen dem Klub also via Verstärker mehr Stimmung im ganzen Stadion machen und dafür mehr bezahlen. Ancillo Canepa kommentiert die Preispolitik des FCZ lapidar mit: «Unsere Preise sind marktkonform.» Der so genannte «Bonzenklub» GC verkauft kommende Saison – im selben Stadion – die Plätze in der Kurve halb so teuer wie der selbst deklarierte Arbeiterklub.

Sein neues Gesicht zeigte der FC Zürich auch beim letzten Heimspiel der abgelaufenen Saison gegen den Grasshopper-Club. Plötzlich kostete jeder Platz im Stadion 15 Franken mehr als bei den Spielen zuvor. 5 Franken betrug der so genannte Topspiel-Zuschlag und weitere 5 Franken die Vorverkaufsgebühr. Woher die letzten 5 Franken Preiserhöhung kamen, war nicht ersichtlich. Vielleicht handelte es sich um einen Pokalübergabe Zuschlag. Um den Umsatz zu erhöhen, wurden kurzerhand alle Vergünstigungen gestrichen. Ein 11-Jähriger, der bisher gratis auf die Stehplätze konnte, zahlte neu 35 Franken. Weiter wurden die 150 Sitzplätze verkauft, welche normalerweise von FCZ-Junioren mit ihren Saisonkarten belegt werden. Diese erfuhren davon vier Tage vor dem Spiel, als das Stadion bereits ausverkauft war.

Geradezu skandalös war es, die Tickets des Auswärtsektors in den freien Verkauf zu geben. Dieser Sektor wurde dann am Matchtag behelfsmässig mit einem Zaun unterteilt: Die GC-Fans wurden auf einem Drittel der Fläche zusammengepfercht. Solcherlei Gewinnmaximierung mag auf kurze Sicht ein paar Tausender mehr in die Kasse spülen; ob sie aber langfristig nicht den Groll der Masse auf sich zieht, wird sich zeigen.

Die Entwicklung beim FCZ erscheint einem wie ein billiger, komprimierter Abklatsch jener Jahre, die den FC Basel von der Nationalliga B 1994 in die Champions League 2002 führten. Der FCB mutierte danach zwischenzeitlich zum Disneyland-Verein mit abstrusen Ambitionen wie einem Wechsel in die Bundesliga oder dem Gewinn des Uefa-Cups. Die Verantwortlichen des Zürcher Stadtklubs täten jedenfalls gut daran, sich das Beispiel des FC Basel zu Herzen zu nehmen. Nach dem einmaligen Erreichen der Champions League scheiterte der FCB-5-Jahres-Plan (3-mal CL-Teilnahme, 1-mal Uefa-Cup, 1-mal nix) grandios und es ist nicht absehbar, dass Schweizer Klubs in Zukunft in Europa auch nur am Rande mitreden werden.

«En popelige Verein, e trümmligi Liga» Bei der Zusammenarbeit zwischen Fans und Verein dagegen könnte ein Blick nach Basel lehrreich sein. Nicht eine hirnlose «Null-Toleranz-Politik», wie sie der neue Vorstand propagiert, sondern ein fairer und offener Dialog würde beiden Seiten Wege in die Zukunft öffnen. Fraglich ist, ob die FCZ-Führungsriege wirklich begreift, was sie verlieren würde, wenn die Zuschauerzahlen in der Südkurve wieder auf den Stand von Mitte der 90er-Jahre zurückfielen. Falls das neu formierte FCZ-Team unter Trainer Bernard Challandes sich in diesem Sommer allerdings endlich auf seine alten, längst vergessen geglaubten Stärken beruft (monumentale Fehlpassorgien und solide Niederlagenserien), besteht eine kleine Chance, dass der Verein nicht vollends vor die Hunde geht. Dann würde auch die wunderbare Analyse eines Freundes – seines Zeichens nicht Fussballfan! – der vergangenen Meisternacht noch besser zutreffen: «En popelige Verein isch Meischter vonerä trümmligä Liga.»


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jake
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Beitragvon jake » 21.07.07 @ 15:31

traurig aber wahr, dieser text trifft voll ins schwarze.
13.05.2006
Boropopooo!

ompfel
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Beitragvon ompfel » 21.07.07 @ 16:18

also ich habe für die saisonkarte fr. 290.-- bezahlt.......
und wo war der hinweis dass der verein schon xtausend franken an busse für die weichen fans bezahlt haben?
scheint mir doch etwas einseitig zu sein die ganze story; und mein eindruck den ich schon laengere zeit habe verstärkt sich; gewisse kreise nehmen sich einfach zu wichtig...

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Gott der Südkurve
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Beitragvon Gott der Südkurve » 21.07.07 @ 17:04

...da kannst du aber unsere neue führungsetage dazuzählen, lieber ompfel.
vieles, was ich an den arroganten credit suisse-hoppers aus den 90ern gehasst habe, erlebe ich nun bei unserem "sozialen arbeiterverein"...

...der abschied naht.

GdS
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Sandman
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Beitragvon Sandman » 21.07.07 @ 17:30

Sehr guter Text, einige auch mir aufstossende Punkte (z.B. Preispolitik) werden sehr treffend dargelegt. Trotzdem ist der Text etwas einseitig Anti-Vorstand. Deren positiver Einfluss wird komplett ausgeklammert und er äussert sich in keiner Art und Weise über die massiven Probleme mit einer Hundertschaft von "Troublemaker". Es wird kein Wort darüber verloren, weshalb der Vorstand eine konsequente Null-Toleranz-Politik verfolgt bzw. was der Verein jährlich an sinnlosen Bussen bezahlen muss.

PS: Mein Beitrag soll keine abermal sinnlose Diskussion über pro/contra Pyro zur Folge haben.....
"Das grösste Geheimnis der Engländer ist, warum sie nicht auswandern." (E. Kishon)

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ste
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Beitragvon ste » 21.07.07 @ 18:03

Gott der Südkurve hat geschrieben:...da kannst du aber unsere neue führungsetage dazuzählen, lieber ompfel.
vieles, was ich an den arroganten credit suisse-hoppers aus den 90ern gehasst habe, erlebe ich nun bei unserem "sozialen arbeiterverein"...

...der abschied naht.

GdS


also wenn du so wirtschaftsfeindlich eingestellt bist, dann solltest du vielleicht mal dein avater überdenken.........oder hast du den nur gewählt wegen deren ständigen ausländer-hatzt?

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Beitragvon platzwart » 21.07.07 @ 18:16

sicher trifft der artikel einige wunde punkte, und zwischen fcz und fans läufts definitiv nicht ganz rund. dennoch ist der artikel etwas gar einseitig. beispiele: beim fcz füllt sich die südkurve nicht erst seit dem cupsieg, sondern schon etwas länger (ca. 1998) wieder. der fcz ist schon seit 20 jahren aus diversen, z.t. unverständlichen gründen "teurer" als gc (stehplatzpreise), nicht erst seit dem erfolg. auch in den 90er jahren war zwischen vorstand und fans nicht alles im butter, nur gibt es momentan gerade mehr fans die motzen. für die politik des "modernen fanverhaltens" kann der fcz nur bedingt verantwortlich gemacht werden, es ist ein allgemeiner, von muri und den medien gehypter trend.
"früher war alles besser" ist ein lieblingsspruch der meisten menschen, die gerade mit etwas nicht zufrieden sind. das war im übrigen schon bei den römern so. tatsache ist: der erfolg bringt viele neue fans und viel öffentliche aufmerksamkeit, und das hat natürlich für alle langjährigen letzigänger unangenehme folgen. aber vergessen wir nicht: es gibt auch positive seiten: meistertitel und stimmung und 0:0 gegen Aarau im 1/4 vollen letzi kommen auch bald wieder...


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