
Hoppla, plötzlich ist ein Staatspräsident in der Stadt
morales
Am Nachmittag sprach Señor Presidente im Volkshaus zu Landsleuten.
Der bolivianische Präsident Evo Morales ist ein spontaner Mann. Er kam über Nacht nach Zürich, spielte in Wiedikon Fussball, protestierte bei der Fifa und ass im Volkshaus das Tagesmenü.
Von Niels Walter
Würden alle Staatspräsidenten so reisen wie Señor Presidente Evo Morales von Bolivien, wäre die Weltpolitik heiter und unterhaltsam.
Mitten in der Nacht, am Mittwochmorgen um drei Uhr, klingelte bei der Familie Mamani de Mendoza in Zürich das Telefon. Willma Mamani nahm den Hörer ab, am anderen Ende sprach die bolivianische Uno-Botschafterin in Genf. Jetzt sei el Excelentísimo Señor Presidente unterwegs von Caracas nach Zürich, im Jet des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez.
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Dios mío, er kommt also doch! Willma und ihr Mann sprangen aus dem Bett, telefonierten ihren Landsleuten und Kollegen vom bolivianischen Verein Zürich. Willma erhielt den Anruf, weil die Uno-Botschafterin den Verein in Zürich bat, das Nötige zu organisieren, wenn der Präsident dann käme. Willmas Mann hätte den Staatsmann chauffieren sollen.
Mehrmals in den letzten Tagen hiess es: Er kommt, er kommt nicht.
Schliesslich stieg der unkonventionelle Präsident, der Indio, Held der Kokabauern, Alptraum der Reichen, Jünger von Fidel Castro, in Venezuela spontan in ein Flugzeug seines Freundes Chávez - um ein Wörtchen mit Fifa-Boss Sepp Blatter zu reden. Grund: Ganz Bolivien ist wütend, weil die Fifa entschieden hatte, Fussball auf über 2500 Meter über Meer sei nicht mehr erlaubt. Für Bolivien ein Skandal. Das arme Land in Südamerika hat in der Hauptstadt La Paz 3600 Meter über Meer schon manche Fussballgrossmacht lahm gespielt. Auch den Weltmeistern aus Brasilien geht im Andenhochland regelmässig die Puste aus.
Willma Mamani organisierte ein Zimmer im Hotel Zürichberg, die Fifa machte sich bereit für den hohen Besuch.
Singen mit dem Presidente
Nach der Ankunft am Mittwoch sagte der Herr Präsident, er würde gerne Fussball spielen - um der Fifa zu zeigen, dass man Fussball immer und überall spielen können sollte, dass Fussball für alle ist. Vom Kunstrasen neben dem Prunkbau der Fifa wollte Morales nichts wissen. Er wollte zum Volk. Die Bolivianer in Zürich suchten eine Wiese. Heute Morgen um neun Uhr war Anpfiff auf dem Rasen beim Schulhaus Aegerten in Zürich-Wiedikon. Der Präsident und sein Geleit gegen Zürich Bolivia. Zweimal 20 Minuten, ein- und auswechseln immer erlaubt, alle durften mal mit dem Staatspräsidenten kicken.
Rasch duschen und umziehen. Rauf auf den Zürichberg zur Fifa. Mit Blatter verhandeln. Der versicherte dem besorgten Staatspräsidenten: Alles wird gut, auch für Bolivien. Die Herren der Fifa gehen nochmals über die Regelbücher.
Vom Zürichberg gings runter zum Volkshaus - in der Limousine und mit Polizeieskorte. Willmas Mann musste nicht fahren, die Uno-Botschafterin konnte noch einen Dienstwagen organisieren.
Im Volkshaus war der kleine Gelbe Saal schön mit Fahnen, Transparenten und Trachtenkindern geschmückt. Der Presidente betrat den Saal, 50 Landsleute sangen die Hymne, fotografierten und filmten. Der Präsident sang auch und sprach nachher ausführlich über die ferne Heimat, seine Politik und über Fussball. Er sprach frei, er sprach gut. Seine Landsleute liessen ihn fast nicht mehr gehen.
Willma Mamani hatte im Volkshaus einen Tisch reserviert. Sie wählte Menü 3, Rindsfilet mit Nüdeli und Salat. Der Präsident trank dazu Cola und Bier. Fürs Dessert reichte es nicht. Das Flugzeug wartete.
Quelle: Tagesanzeiger