Ich hätten diesen Thread so oder ähnlich auch ohne das peinliche Out im Cup gegen Luzern eröffnet. Denn, was heute abend geschehen ist, bedeutet nur logische Entappe einer Entwicklung, die seit Monaten läuft. Die Euphorie des letzten Sommers und Herbsts in dieser FCZ-Mannschaft und darum herum, ist einer absurden Selbstzufriedenheit gewichen, die zwangsläufig zu Misserfolg und Ernüchterung führt.
Ich formuliere deshalb fünf Thesen; sie gründen auf meiner Überzeugung, dass sich das "Produkt FCZ" dringendst weiter entwickeln muss, damit die Attraktivität dieses Vereins, seiner Mannschaft und seines Umfelds erhalten bleibt. Grundlage meiner Überlegungen bilden beobachtungen europäischer Vereine, die meines Erachtens mittelfristig in Reichweite liegen müssten.
1. Wir brauchen mehr Offensiv-Spektakel
Sämtliche FCZ-Spiele dieser Rückrunde waren für mich vom Standpunkt Fussball-Gourmet ein Greuel. Der Eintore-Vorsprung ist für diesen FCZ scheinbar das Ziel jedes Engagements. Danach läuft nichts mehr nach vorne, schleichen sich im hypernervösen Mittelfeld und in der Defensive zwangsläufig Fehler ein, kassiert man allzuoft Gegentore.
Wenn der FCZ erfolreich sein will, muss er Siege mit drei, vier, fünf und mehr Toren Differenz anstreben. Er braucht Spieler, die in der Lage sind, den Ball in der Vorwärtsbewegung mitzunehmen, Spieler, die Rhythmuswechsel (Beschleunigung!) einleiten können und Chancen in der vordersten Reihe einleiten können. Im Moment schaffen das - mit Einschränkungen - Raffael, Margairaz und Abdi. Sonst keiner.
2. Wir brauchen bessere Aussenverteidiger
Die Aussenverteiger aller attraktiven Mannschaften sind der Ausgangspunkt von Überraschungsmomenten, wie sie dem FCZ derzeit komplett fehlen. Sorry an die Betreffenden, aber bei unseren Aussenbillys genügt zurzeit keiner diesen Anforderungen. Sie sind technisch enorm limitiert, im Anspiel äusserst fehlerhaft und nach vorne alles andere als gefährlich.
3. Wir brauchen eine Hackordnung
Nach dem Ausfall von Dzemaili haben wir keine vernünftige Hierarchie mehr auf dem Platz. Es gibt keinen Reisser, keinen Organisator. Alle machen ihre immer gleichen Fehler ohne irgendwelche Konsequenz. Cesar spult seine desinteressierte Show, ohne dass ihn irgendwer mal in den Hintern kneifen würde, Schneider ist ein engagierter, aber leider limitierter Charakterkopf, Tihinen hätte vielleicht das Zeugs, aber wohl kaum die Präsenz, Rafael ist ein Edelläufer... wer bleibt? Vielleicht Almen Abdi, wenn man ihn zentral spielen liesse. Oder Inler, wenn ihm die Kraft reicht über 90 Minuten. Sonst sehe ich im Moment keinen. Ein neuer?
4. Wir brauchen neue Ambitionen!
Dass der FCZ mit den äusserst dürftigen Leistungen der letzten Wochen noch immer mit fünf Punkten Vorsprung an der Spitze der Super League steht, finden die meisten FCZ-Fans toll. Ich finde es verhängnisvoll.
Im Moment stehen wir ziemlich genau da, wo der FCB vor Jahresfrist stand. Kein echten Ziele, keine echten Gegner (ausser denn der FCL im Cup, die Basler in der Meisterschaft, Aarau in der Meisterschaft... ) und dann darf man ja auch noch das Glück ein wenig beanspruchen, wie bei den zwei geschenkten Punkten aus dem St.Gallen-Spiel...
Das demotiviert. Zuerst vermutlich die Spieler selber. Irgendwie aber auch uns. Ich schlage deshalb vor: Machen wir endlich mal ernst mit der Champions League! (Jeder hier drin weiss, dass es diese Mannschaft auch bei der nächsten Gelegenheit nicht über ihre erste Quali-Runde hinausbringen würde.)
Nur, wäre diese Ambition wirklich spürbar, dann müssten wir auch nicht immer angst haben, dass sämtliche Leistungsträger unseren Verein bei nächster Gelegenheit verlassen werden. Wenn einer wählen dürfte zwischen FCZ in der CL oder Bolton Wanderers max im Uefa-Cup, dann würde sich noch manch einer für Züri entscheiden. Zumal ihm dann auch hier mit Sicherheit weit höhere Saläre angeboten werden könnten.
Aber eben: das ist alles weit weg. Stattdessen beteiligen wir uns auf der FCZ-Homepage an sinnlosen Umfragen und behaupten mit konstanten 80%-Mehrheiten, dass der FCZ in Basel gewinnen und Luzern aus dem Cup schmeissen wird etc...
5. Wir brauchen mehr Selbstkritik
Und damit sind wir beim letzten Punkt. In diesen tollen Sommer- und Herbstmonaten hat sich auch eine Stimmung eingeschlichen, die jeden Vergleich mit rinsgum als 'Verrat' brandmarkte. "FCZ susch gar nüt" ist das Motto dazu.
Seien wir doch mal ehrlich:
- wir spielen zurzeit in einem gewöhnlich halb leeren Stadion.
- Unser geliebter Gygax, den hier immer wieder alle zurücksehnen, verdient in der zweiten Liga Frankreichs ungefähr das Vierfache von dem, was ihm der FCZ bieten kann, und das am Freitag- oder Montagabend vor der dreifachen Zuschauermenge, die wir im Hardturm zusammenbringen
- eine DSF-Direktübertragung aus der zweiten BuLi ist im Vergleich zu einem TV-Spiel zwischen FCZ und sonstwem in dieser Gurkenliga ein fussballerischer Leckerbissen.
Schlussfolgerungen dazu? Ball flach halten. Augen auf, übern Tellerand. Und dafür schauen, dass wir den zurzeit wichtigsten Mann beim FCZ noch eine Weile halten können: Lucien Favre.