8-tung kein text über anti/pro fan, präsi, stühle, kameras, usw
nür über dä letzi....
21:59 -- Tages-Anzeiger Online
Die «tanzenden» Stützen des Stadiondachs
http://www.tages-anzeiger.ch/dyn/news/z ... 74547.html
Massarbeit unter grossem Kosten- und Termindruck: Die Stahlstützen des Stadions steigen seltsam verdreht und verwinkelt in die Höhe.
Das neue Stadion Letzigrund ist eine Meisterleistung - nicht nur der Architekten, sondern auch der Bauingenieure. Schlaflose Nächte und jahrelange Berechnungen führten zum Ziel.
Von Caspar Schärer
Wenn in wenigen Wochen das Stadion Letzigrund eröffnet wird, kann die ungeduldige Bevölkerung endlich unter dem grossen, mit Robinienholz verkleideten Dach wandeln und sich wundern, wie wenige Stützen dieses Dach eigentlich tragen. Und vielleicht fällt ihnen auf, dass die Stahlstützen seltsam verdreht und verwinkelt in die Höhe steigen - keine gleich wie die andere. Manche scheinen unter der Last des Daches sogar fast wegzuknicken, so schräg stehen sie da.
Beim neuen Stadion präsentiert sich eine hartnäckig unterschätzte Disziplin in Hochform. Die Bauingenieure, einst ein in der Schweiz hoch geachteter Berufsstand, sind im Schatten grossartiger Architekten fast schon in Vergessenheit geraten. Sie tüfteln an Spannweiten und Materialeigenschaften, während die Architekten die Lorbeeren abholen. In diesem Fall war es das Zürcher Ingenieurbüro Walt+Galmarini, das die Idee der Architektengemeinschaft Bétrix & Consolascio und Frei+Ehrensperger Wirklichkeit werden liess. Die Ausgangslage erforderte ein leicht, luftig und transparent wirkendes Stadion.
Schlaflose Nächte
Deshalb durfte nur so wenig Tragstruktur wie möglich den Blick versperren. Erschwerend für den Ingenieur kam hinzu, dass sich der Architekt Eraldo Consolascio «tanzende» Stützen vorstellte: Die Stützen sollten nicht einfach nur das Dach tragen, sie sollten wirken, als würden sie sich bewegen. Carlo Galmarini vom Ingenieurbüro Walt+Galmarini erinnert sich, wie Consolascio die «tanzenden» Stützen ins Spiel brachte. Eine einfache Bewegung von Zeige- und Mittelfinger habe den Tanz angedeutet. Es war mehr ein Gefühl denn eine konkrete Vorstellung. Einige schlaflose Nächte später hatte Galmarini die Lösung gefunden.
Jede Doppelstütze muss sich in einer gedachten Linie mehrere Meter tief im Erdreich an einem Punkt vereinigen, der genau senkrecht unter dem Schwerpunkt des Dachträgers liegt. So war es möglich, das Dach stattliche 34 Meter weit auskragen zu lassen. Zum Vergleich: Das viel gerühmte Dach des Kultur- und Kongresszentrums in Luzern kragt 30 Meter weit aus. «Wir haben eineinhalb Jahre nächtelang gearbeitet, um den mathematischen Beweis zu erbringen, dass sich auch konstruieren lässt, was in den Plänen gezeichnet war», sagt Galmarini, und ein bisschen Stolz schwingt mit, wenn er durch «sein» Stadion führt.
Ein Höchstmass an Präzision
Zu Recht: Letzte Woche wurde das Stadion Letzigrund mit dem «Prix Acier» für den besten Stahlbau 2007 ausgezeichnet. Die Jury lobt namentlich das «Höchstmass an Kreativität und Präzision, welches zudem unter starkem Kosten- und Termindruck geleistet wurde».
Lediglich 32 so genannte Binder tragen das 22'000 Quadratmeter grosse Dach. Von den Bindern wiederum werden die Kräfte über die Doppelstützen in den Boden geleitet, wobei die dem Stadioninneren zugewandte Stütze auf Druck belastet ist und die äussere Stütze die Zugkräfte aufnimmt. Binder und Stütze werden mit einem Bolzen verbunden, auf den immense Kräfte wirken. «Man könnte an ihnen 1000 Autos miteinander aufhängen», erklärt Galmarini. Der «Tanz» der Stützen entsteht durch die Verdrehung in mehreren Achsen. Diese ist eine Folge der komplizierten Dachform, die gar nicht danach aussieht. Das Dach steigt aber vom Letzigraben bis zur gegenüberliegenden Haupttribüne an, es ist nicht an allen Stellen gleich breit und muss am weitesten von der Stütze entfernten Punkt zusätzlich die Beleuchtungsmasten tragen. So kommt es, dass keine Stütze die gleichen Bedingungen hat und jede darum in einem anderen Winkel steht.
Ab September, wenn Leichtathleten, Fussballer und Rockstars im Stadion auftreten, tanzen andere Dinge als die Stützen. Das Stadion wird sich so selbstverständlich präsentieren, als wäre es schon immer da gewesen. Auch das kann das Ergebnis sein einer intensiven und fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen Architekten und Bauingenieuren.