Peter Bühler über den Treffer in der 93. Minute zum Meistertitel für den FC Zürich
Basel Plötzlich war es still im St.-Jakob-Park, gespenstisch still.
92 Minuten und 46 Sekunden waren im FInale zwischen dem FC Basel und dem FC Zürich gespielt - und plötzlich lag der Ball im Basler Tor. Alain Nef hatte weit in der gegnerischen Platzhälfte eingeworfen. Regelwidrig, weil nicht an der Stelle, wo der Ball das Spielfeld zuvor verlassen hatte, wie die Basler und ihr Trainer Christian Gross gebetsmühlenartig monieren. <<Ich schaute nicht wo ich stand, ich wollte den Ball nur so schnell wie möglich wieder ins Spiel bringe>>, blickt der Verteidiger heute auf diese Szene zurück.
Filipescu zur Baselschandnacht: <<Ich hatte Todesangst>>
Und dann stand einer auf der Fünfmeterlinie, der in seinen zweieinhalb Jahren nie dort aufgetaucht war. Iulian Filipescu schob den Ball an Goalie Zuberbühler vorbei und über die Linie. Es war das 2:1, das Siegestor, Der Meistertitel für die Zürcher. << Überwältigt von Emotionen und Freude>>, sei er nach dem Treffer davongsetürmt, entsinnt sich der Rumänische Abwehrchef.
Die Zeit schien für einen Moment still zu stehen an jenem 13. Mai. Nach Filipescus Tor, seinem ersten und einzigen für den FCZ überhaupt, legt sich eine schaurig.schöne Ruhe über das ganze Stadion. Der Schock sass tief bei den Baslern, er lähmte sie alle, Spieler wie Zuschauer.
Die Zürcher aber feierten das Tor und Sekunden später nach Massimo Busaccas Abpfiff ihren ersten Meistertitel nach 25 Jahren Unterbruch - mit ihren 544 Fans, die sich ein Ticket ergattert hatten und von der Polizeiin Kampfmontur im vergitterten Gästesektor überwacht wurden.
Auf der anderen Seite des Stadions, in der kaum gesciherten Muttenzer Kurve, brachen derweil alle Dämme. Eine Hunderschaft von Basler Hooligans stürmte das Spielfeld, ausser sich vor Wut über das Unfassbare. Es sind nicht die schönen Bilder, die vom Meisterschaftsfinale in der Erinnerung bleiben: wie die neuen Meister aus Zürich, zunächst noch unbehelligt vom Basler Mob, vor ihrem Anhang tanzen und feiern; wie FCZ-Präsident Sven Hotz mit zitternden Händen den Pokal in die Höhe stemmt. Er war zuvor von einem Krawallmacher auf der Tribüne über den Haufen gerannt worden und leidet bis heute immernoch unter den Nachwirkungen seines Sturzes.
Nein, für immer haften bleiben die schrecklichen Szenen: wie FCZ- Spieler von den Radaubrüdern attackiert werden und in Panik Richtung Kabine fliehen; wie Trainer Lucien Favre und sein Assistent Harald Gämperle zunächst bedroht wurden und dann ebenfalls tätlich angegriffen werden; wie gegen Filipescu, die Hassfigur für die Basler schlechthin, aus nächster Szene ein Feuerwerkskörper abgefeuert wird; wie der rumänische Abwehrchef und Teamkollege Alhassane Keita sich mit Fusstritten gegen Vermummte wehren müssen; Wie die völlig überforderte Polizei im Stadion nicht einmal mit Tränengas und Gummigeschossen die Sicherheit herstellen kann; wie draussen vor dem Stadion eine Strassenschlacht tobt, Sirenen heulen, Petarden detonieren, Scheiben bersten und Tramhäuschen brennen.
<<Ich hatte Todesangst>>, gab Filipescu später gegenüber der Disziplinarkomission der Swiss Football League zu Protokoll.
Das Trauma ist in Basel noch immer nicht ausgestanden
Seine Aussage nütze ihm wenig. Im November wurde er zu einer Busse von 500 Franken und der Übernahme der Verfahrenskosten von 400 Franken verurteilt. Die Begründung: Sein verhalten habe die Grenzen der Notwehr überschritten. Dieser Ritterspruch war der nächste Skandal nach der Schandnacht von Basel. Ein anderer war die späte Reaktion der Basler Verantwortlichen und ihrer Präsidentin auf die Ausschreitungen gewesen: Gigi Oeri wartete rund 40 Stunden, bis sie sich für die Jagdszenen im St.- Jakob-Park entschuldigte.
Der Imageschaden für den FCB ist gross, die FOlgen des 13. Mai sind bis heute nicht verarbeitet oder bewältigt. Entscheidende Leute im FCB sind paralysiert, andere wirken verunsichert, der Trainer eingeschlossen. Er hat einiges von seiner Aura und seinem Ansehehn eingebüsst, auch wegen reichlich unbedarfter Äusserungen im Anschluss an das Spiel. Und er hat es bis heute nicht verstanden, seiner Mannschaft eine neue Identität zu verschaffen.
<<Der Meistertitel führt in dieser Saison über den FC Basel>>. hatte Christian Gross mitte Juli selbstbewusst angekündigt. Gut fünf Monate sind seither vergangen. Inzwischen ist der FCB im Uefa-Cup sang- und klanglos ausgeschieden, in der Meisterschaft liegt er auf Rang 5, zehn Punkte hinter Meister und Wintermeister FC Zürich. Auch diese Miese Bilanz zeigt: Das Trauma nach Iulian Filipescus Treffer für die Ewigkeit ist in Basel noch immer nicht ausgestanden.
Sonntagszeitung