Beitragvon realtiger » 25.11.06 @ 14:40
25. November 2006, Neue Zürcher Zeitung
Von der One-Man-Show zum Debattierklub
Der FC Zürich tritt in die schwierige Phase der Selbstfindung
Rund 20 Jahre lang hat der betuchte Unternehmer Sven Hotz seine Hand schützend über den FC Zürich gehalten. Nach seinem Abschied von der Fussball- Bühne tastet sich die neue Führung an die schwierige Aufgabe, den Klub weiter in der (finanziellen) Balance zu halten.
rwe. «Die neue Crew steht ohne Zweifel vor einer gewaltigen Herausforderung», sagt Urs Scherrer. Der ehemalige Vizepräsident des FC Zürich meint damit das Wagnis jener Personen, die sich an der Generalversammlung vom 11. Dezember anschicken, in die Fussstapfen des bisherigen FCZ-Präsidenten und Mäzens Sven Hotz zu treten. Mit dem Rücktritt des Übervaters ist der Verein erstmals seit vielen Jahren gezwungen, gewissermassen auf eigenen Beinen zu stehen. Zugleich geht aber auch eine Ära des Mäzenatentums zu Ende. Scherrer hat noch miterlebt, wie der allmächtige Chef - ohne mit der Wimper zu zucken - Transfers tätigte, die mitunter zehn Prozent des Jahresbudgets verschlangen. «Hotz hat befohlen, Hotz hat bezahlt - so einfach war das», sagt Scherrer heute lachend.
Lebende Bankgarantie
Diese Zeiten sollen der Vergangenheit angehören. «Wir wollen den Klub streng nach betriebswirtschaftlichen Kriterien führen und uns an eine rigorose Budgetkontrolle halten», sagt der Verwaltungsrat René Strittmatter. Der Finanzchef Philipp Hoch spricht vom Ziel, Einnahmen und Ausgaben ins Gleichgewicht zu bringen. Worte dieser Art waren freilich schon von unzähligen Stadtzürcher Klubleitungen zu vernehmen - selten klappte es. Auch dem FCZ dürfte es schwerfallen, weist er doch jährlich ein strukturelles Defizit von zwei bis drei Millionen Franken auf. Bisher glich Hotz diesen Fehlbetrag jeweils aus. Der Präsident sei wie eine Bankgarantie gewesen, sagt Hoch. Dank Hotz' Grosszügigkeit ist der Verein derzeit schuldenfrei; die neue Leitung kann sich unbelastet an die Arbeit machen.
Eine gewisse Gewähr zur Deckung der in den kommenden Jahren wohl anfallenden Defizite gibt das auf 7,5 Millionen Franken erhöhte Aktienkapital. Scherrer prognostiziert indes, dass ein solcher Betrag im Fussballgeschäft rasch aufgebraucht sei. Dies scheinen auch die künftigen Verantwortlichen zu befürchten. Deshalb wollen sie mittels Herausgabe einer Publikumsaktie das Kapital auf rund 10 Millionen Franken aufstocken. Mit dieser Summe soll die schwierige Phase bis zum Einzug ins neue Stadion Letzigrund überbrückt werden. Mit dem Umzug in die ausgebaute Arena an der Badenerstrasse sind Hoffnungen verbunden. Dass sich diese nicht zwangsläufig erfüllen, ist auch im FCZ bekannt. Diese Tatsache lässt die Verantwortlichen realistisch planen.
Die Vorfreude auf den Umzug ist ohnehin gering - die Verhandlungen mit der Stadt gestalten sich schwierig. Die Besitzerin des Stadions bittet den FCZ und GC künftig tüchtig zur Kasse - in einer Leichtathletik-Arena notabene, in der die Klubs nur neun Logen (eine wichtige Einnahmequelle) vermarkten können. Zum Vergleich: In St. Gallen stehen in der AFG Arena 22 Logen zur Verfügung. Strittmatter sagt desillusioniert: «Der Letzigrund war nur als Ausweich-Stadion vorgesehen - nun müssen wir uns wohl auf eine ungewisse Zukunft einrichten.» Die Zuversicht, dereinst in eine auf die Bedürfnisse eines Fussballklubs ausgerichtete Sportstätte (Hardturm) ziehen zu dürfen, ist im FCZ nicht gestorben. Deshalb will er in der neuen Geschäftsstelle in Zürich West bleiben.
Die Champions League «machbar»
Die Fussball-Branche wird hierzulande nie ein rentierendes Geschäft. Sportlicher Erfolg hilft aber, die Zahlen auf der Einnahmen-Seite aufzuhellen. Der Erfolg auf dem Rasen wiederum hängt eng mit der Transferpolitik und einer Qualitätsarbeit der Techniker zusammen. In dieser Hinsicht befindet sich der FCZ dank dem Trainer Lucien Favre und dem Sportchef Fredy Bickel auf gutem Weg. Der Ablauf einer Spielerverpflichtung sah zuletzt oft folgendermassen aus: Favre und Bickel einigten sich auf einen Namen, Bickel trug die Personalie Hotz vor, der Präsident entschied. Künftig erhält das Auswahlverfahren die Dimension eines Debattierklubs. Anwesend sind die Techniker (inklusive der Assistent Harry Gämperle und der Torhütertrainer Martin Brunner), der designierte Präsident Ancillo Canepa und Strittmatter (demnächst Delegierter des Verwaltungsrats); der Finanzchef Hoch wird in Lugano auf dem Laufenden gehalten. In diesem Kreis soll über Defizite des Teams, denkbare Veränderungen und mögliche Zuzüge diskutiert werden. Wer im Fall unterschiedlicher Meinungen die Entscheidung trifft, ist laut Canepa noch offen. Neue Spieler sollen nicht mehr die Klubkasse, sondern den Geldbeutel von Sympathisanten belasten; an einem allfälligen Transfergewinn ist der Klub aber prozentual beteiligt.
Der Zürcher Fussballszene geht am 11. Dezember verloren, was fast überall gesucht wird: ein prägnantes Gesicht, das den Klub verkörpert. Nach Hotz' Rücktritt fehlt dem Klub der «Mister FCZ». Canepa weiss, dass ein solches Denkmal nicht zu ersetzen ist. «Was ich aber anstrebe, ist die wirtschaftliche Stabilität des Klubs. Ohne diese geht gar nichts.» Eine Vision hat der Rütner trotzdem: die Teilnahme an der Champions League. «So was ist nicht plan-, aber machbar.» Für die Aufgabe, den FCZ an der Spitze des Schweizer Fussballs zu halten, will er einige Zeit investieren. Ende des Jahres tritt der 53-Jährige von den beruflichen Verpflichtungen zurück - zugunsten des FCZ.