Knapp daneben

Hier kommt alles über Fussball rein, das nicht mit dem FCZ zu tun hat.
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captain tsubasa
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Knapp daneben

Beitragvon captain tsubasa » 27.10.06 @ 22:57

Ab jetzt wöchentlich in der WOZ-Onlineausgabe, die Fussballkolumne von Pascal Claude, ehemaliger Flachpässler und Herausgeber des Fanzines "Knapp daneben":
http://www.woz.ch/artikel/archiv/14002.html

Rangers
Von Pascal Claude

Stadio Armando Picchi, Livorno

Manchmal spielt der Fussball mitten ins Leben hinein, und dann mag ich ihn besonders. Es war Mittag, ich war am Kochen, als es klingelte. Der Tag hatte nicht gut begonnen. Beim Lesen der Telegramme der vorabendlichen Uefa-Cup-Runde stiess mir ein Resultat besonders sauer auf: Livorno - Glasgow Rangers 2:3. So eine Begegnung ist mehr als ein Spiel, es ist ein Clash of Civilizations. Rangers, der Klub der englandtreuen Protestanten, der seit Jahren kaum mehr einen Schotten in seinen Reihen hat, steht für das Böse. Seine Anhänger haben sich auch in der Schweiz einen Namen gemacht, vor gut zehn Jahren in der Champions League gegen GC. Mit viel Alkohol angereicherter aggressiver Chauvinismus. Dagegen Livorno, rot leuchtender Stern am Himmel aller linken und halblinken Schwärmerinnen und Utopisten. Eine Hafenstadt, und der Kapitän ein Junge aus dem Quartier, der sich aus einem Millionenvertrag bei Torino herausgekauft hat, um eine Liga tiefer für seinen geliebten Verein, für sein Livorno zu spielen. Eine Fankurve, die ihre Spruchbänder gelegentlich in Kyrillisch abfasst und afrikanische Asylbewerber zu den Spielen einlädt. Und dann verliert dieses Livorno zuhause ausgerechnet gegen die Rangers.

Verdammte Rangers, dachte ich beim Rüsten, als es klingelte. Vor der Tür stand eine junge Frau mit einer grossen Cablecom-Mappe unter dem Arm. Ich sagte, «hören Sie, Sie sind jetzt schon die dritte Cablecom-Frau innert zehn Tagen, dazu ein paar Dutzend am Telefon, und unser Haus ist nicht einmal verkabelt.» «Ich habe ja noch gar nichts gesagt,» antwortete sie, «warum wissen Sie, dass ich von der Cablecom bin?» Es ist anzumerken, dass ich seit rund vier Jahren alle zwei Monate einen Werbebrief der Cablecom erhalte. Ich habe noch jeden unfrankiert zurückgeschickt, in der Hoffnung, den angeschlagenen Betrieb über die Portokasse in den Ruin zu treiben. Vergebens. Die Cablecom macht mich einfach ein bisschen aggressiv.

Dann kommt vom oberen Stock eine zweite Frau hinzu. «Gibt es Probleme?», fragt sie, «diese Frau ist in Ausbildung.» «Ja», sage ich, «ich habe ein kleines Problem, ich weiss nicht, warum die Cablecom sich ein so penetrant-verschwenderisches Marketing leisten kann und warum man mich nicht endlich aus dieser Datenbank löscht.» «Wir haben keine Datenbank», sagt die erste Frau. «Wir sind eben nicht direkt von der Cablecom», ergänzt die zweite. «Was sind sie dann?», frage ich. Und dann sagt die zweite Frau, die schon ausgebildete: «Wir sind Rangers.»

Ich weiss nicht mit allerletzter Sicherheit, welche Tätigkeiten in diesem Fall der Begriff «Ranger» umfasst, und ich mag auch nicht der Cablecom telefonieren, um es zu erfahren. Aber ich kann es mir in etwa vorstellen. Hinter meiner zugeknallten Tür höre ich die zwei verstörten, halb zur Cablecom gehörenden, aber ganz für sie den Kopf hinhaltenden Frauen eilig die Treppe runter steigen. Die Cablecom gehört nicht zu meinen fünf Lieblingsunternehmen, und was ihr Logo bedeutet und wer es entworfen hat, wüsste ich auch irgendwann gerne. Trotzdem hatte ich dann doch so etwas wie ein schlechtes Gewissen. Ich war schon etwas laut. Und das mit Livorno, das konnten die beiden Frauen einfach nicht wissen.


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captain tsubasa
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Beitragvon captain tsubasa » 02.11.06 @ 8:30

http://www.woz.ch/artikel/archiv/14038.html
EM und Zivilschutz
Von Pascal Claude
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Im Sportbund der «SonntagsZeitung», der von der Sportredaktion des «Tages-Anzeigers» betreut wird und deshalb selten überrascht, war am Sonntag etwas Überraschendes zu lesen. In einem Kommentar zur aussergewöhnlichen dreizehnten Runde der Super League, in der die sechs Ersten der Liga aufeinandertrafen und der jeweils schlechter klassierte Klub gewann, in diesem Kommentar also war zu lesen, die Spannung in der Super League sei «perfekt für die EM 2008» (für unsere Leserinnen und Leser aus dem Ausland: Mit Super League ist einfach die höchste Schweizer Spielklasse gemeint).

Es ist nicht ganz klar, was die Schweizer Super League mit der Europameisterschaft zu tun hat. Oder inwiefern die hiesige Liga geeignet ist, für das in zwei Jahren stattfindende Turnier Feuer zu entfachen. Die Fans in den Kurven, die nicht ganz unwesentlich dazu beitragen, dass es gegenwärtig eine Freude ist, ins Stadion zu gehen, nehmen die EM vor allem als Argument wahr, mit dem ihnen die neusten Bevormundungsmassnahmen schmackhaft gemacht werden sollen. So wird ab 1. Januar 2007 zum heiteren Fanfichieren geblasen, gesetzlich verankert im neuen Hooligangesetz, das ohne Damoklesschwert Euro 08 kaum oder kaum so reibungslos zustande gekommen wäre. In Basel wird das Joggeli um 10000 Plätze erweitert, obwohl die bestehenden 30000 mittlerweile nur noch zu zwei Dritteln benötigt werden. Und im neuen Letzigrund wird man das mit den Stehplätzen vorerst bleiben lassen; was nach der EM ist, wird sich zeigen.

Der Kommentierende der «SonntagsZeitung» lässt in seinem kurzen Text Krassimir Balakov, Trainer des Grasshopper Clubs, zu Wort kommen, der die Sache präzisiert: «Was jetzt läuft, ist perfekt für die Stimmung im Land vor der EM.» Als hätte jemand mit einem Stabilo Boss den Raum zwischen den Zeilen neongelb gefärbt, lesen wir sofort die versteckte Botschaft: Die Stimmung im Land vor der EM ist noch nicht gut genug! Im Gegenteil, sie ist eigentlich sehr schlecht! Wir erwarten führende Fussballnationen (zurzeit haben unter anderem Serbien, Finnland, Schottland, die Türkei, Griechenland, Bulgarien, Dänemark, Kroatien, Mazedonien, Israel und Nordirland gute Karten), sind Koveranstalter des drittgrössten Sportanlasses der Welt, wissen aber nichts Gescheiteres, als über Sicherheitskosten Marketingrechte und die Quellensteuer zu diskutieren. Wieso diese Miesmacherei? Wo bleibt der alles ausblendende Vorfreudentaumel?

Es ist jetzt November. Das Jahr hat uns seine letzten schönen Tage geschenkt, seine letzten wärmenden Sonnenstrahlen und in den schönsten Farben leuchtende Bäume. Es ist eine schöne Zeit, um eine Woche in den Luftschutzkeller zu gehen, in den Zivilschutz WK 11 Zusatzkurs Betreu San. Es ist schön, sich gegenseitig die Zähne zu putzen, die Arme zu waschen und Erwachsenenwindeln überzustreifen. Und es ist sehr interessant, wenn der Instruktor beim Referieren über Streetparade, Züri-Fäscht und andere Zivilschutz-relevante Themen plötzlich bei der EM landet. Und sich ins Feuer redet. «Es ist ganz klar gesetzlich geregelt, dass der Zivilschutz für Anlässe, die ausschliesslich gewinnorientiert sind, nicht aufgeboten werden kann», zischt der Mann, «und die Uefa kommt hierher mit dem Ziel, mehr als eine Milliarde zu verdienen.» Wir stehen da mit frisch geputzten Zähnen und staunen. «Und die zehn Millionen, die man uns weismachen will als Kosten für die 15000 Soldaten, die während des Turniers im Einsatz stehen werden? Da lache ich! Allein die Erwerbsersatzordnung macht für diese Anzahl Männer und diese Einsatzzeit 90 Millionen aus. Es wundert mich gar nicht, dass da gewisse Leute langsam kalte Füsse kriegen, wenn es darum geht, die Verträge zu unterschreiben.» Und dann das Schlussfurioso zur Quellensteuer: «Die Schweiz ist nicht Deutschland, meine Herren! Es darf in diesem Land nicht zweierlei Recht geben!»

Mein Zivilschutzinstruktor, das scheint mir an dieser Stelle wichtig, steht in keinster Art und Weise im Verdacht, Zyniker, Kabarettist, Hooligan oder linksgrüner Stadiongegner aus dem Hardturmquartier zu sein. Er ist ernsthaft, pflichtbewusst und vaterlandsliebend. Dass einer wie er der EM 2008 mit solcher Skepsis begegnet, kann nur einen Grund haben: Es läuft etwas schief.



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WOZ vom 02.11.2006

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Beitragvon captain tsubasa » 09.11.06 @ 7:45

http://www.woz.ch/artikel/archiv/14071.html
Antiautoritäre Pfeife
von Pascal Claude
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Der Philosoph und Publizist Klaus Theweleit hat vor zwei Jahren ein schönes Fussballbuch geschrieben, das «Tor zur Welt». Über seine Kindheitserinnerungen findet er darin zur Kritik des modernen Fussballs, und die zu lesen ist äusserst anregend. Bis auf einen Abschnitt. Der regt zwar auch an, aber zum Kopfschütteln.

Theweleit stört sich sehr am Menschenschlag des Fussballschiedsrichters, hält dessen autoritäres Gehabe und Ironiefreiheit für völlig verfehlt und überholt. In einem Interview mit dem (empfehlenswerten) deutschen Fussballmagazin «RUND» bekräftigt er nun seine Haltung. Damit steuert er seinen Teil bei zur auch hierzulande entfachten Diskussion über die zunehmende verbale und körperliche Gewalt auf Fussballplätzen.

Wer gelegentlich an einem Wochenende ein paar Stunden auf einem Fussballplatz verbringt oder am Rand eines solchen, weiss, dass die Berichte über ausrastende Spieler, aufhetzende Betreuer und verängstigte Unparteiische mehr sind als mediale Hysterie. Nicht, dass es immer passiert. Aber wenn es passiert, schnürt es einem ein bisschen die Kehle zu. Eine halbe Mannschaft Halbwüchsiger, die hinter dem Schiedsrichter herrennt, der Richtung Garderobe flüchtet. Was hat er falsch gemacht, der arme Mann? War er einfach zu streng, zu wenig nett?

Klaus Theweleit findet: «Warum soll der eine Spieler den anderen nicht ‹Arschloch› nennen oder ‹Bratwurst›? Das entspannt doch.» Ein «Pfeifenheini» in Richtung des Schiedsrichters untergrabe dessen Macht doch nicht. Bratwurst, Pfeifenheini - in welcher Welt lebt der Philosoph? Oder in welcher Stadt? Gerne würde ich Fussballspiele austragen an einem Ort, an dem «Bratwurst» zur gezielten Beleidigung eingesetzt wird. Ich würde mir sogar die Blut- und noch lieber die Leberwurst (kalt oder warm) gern gefallen lassen. Ich fürchte aber, heute wird nicht mehr gewurstet. Heute wird gefickt. Deine Mutter, deine Schwester. Oder mit dem Tod gedroht. Ich bring dich um, Mann.

Schiedsrichter, die Karten verteilen für Beleidigungen, offenbaren laut Theweleit ein «Denken, das aus Erziehungsanstalten kommt, aus Militärischem, aus Befehl und Gehorsam.» Also keine Karten verteilen, nie. Nett bleiben, locker bleiben, antiautoritär pfeifen. «Das war, mein Junge, eine kleine Grätsche von hinten. Ich persönlich finde das nicht gut, und wenn du genauso denkst, entschuldige dich doch bei deinem Gegenspieler.»

Vor Jahren führte ich ein Interview mit zwei Spielern des FC Luzern, Ivan Knez und Ludwig Kögl. Knez spielte später für Basel und Rapid Wied und steht nun bei Augsburg unter Vertrag. Der Bayer Kögl, 1987 Torschütze im Meistercupfinal gegen Porto (1:2, danke Madjer), hat seine Karriere beendet. Im Gespräch ging es unter anderem um ein Tor, das Knez’ und Kögls Teamkollege Agent Sawu gegen den FC Zürich erzielt hatte. Sawu hatte dabei dem Zürcher Keeper Shorumnu den Ball aus den Händen geschlagen und ins Tor befördert. Keiner der drei Unparteiischen hatte die Szene gesehen, es wurde trotz heftiger Proteste der Zürcher auf Tor entschieden. Ich wollte von den beiden Spielern wissen, ob niemand im Team der Luzerner daran gedacht hätte, die Unsportlichkeit zuzugeben. Knez und Kögl lächelten mitleidig. Ein abwegiger Gedanke.

Jahre später sass ich mit einem Kollegen beim Gespräch mit einem Spieler des FCZ. Der Klub hatte sich teuer verstärkt, spielte aber schlecht. Als einer der Hauptschuldigen wurde Augustine Simo ausgemacht. Wer den Kameruner rund um die Trainings beobachtete, merkte damals zweierlei: Simo ging es schlecht, und Simo war immer allein. Darauf angesprochen, meinte Simos Mitspieler, es könne schon sein, dass es dem schlecht gehe. Aber ihm selber gehe es manchmal auch nicht so gut, und da suche er eben Halt bei seinen Freunden und Verwandten. Gut, antworteten wir, aber Simo hat ja vielleicht nicht so viele Freunde und Verwandte hier. Da wäre doch Hilfe aus dem Team gefragt. «Ja», kam es zurück, «aber im Fussball muss halt jeder auch für sich selber schauen.»

In seinem ganzen Ärger über den Menschenschlag Schiedsrichter vergisst Klaus Theweleit offensichtlich, mit welchem Menschenschlag es der Schiedsrichter zu tun hat. Wenn Minderjährige im Rudel pöbeln, beleidigen oder gewalttätig werden, wenn Profis bereit sind, dem eigenen Profit nahezu alles unterzuordnen, hat das vielerlei Ursachen. Mangelnde Lockerheit des Schiedsrichters gehört, wenn überhaupt, nur peripher dazu.



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WOZ vom 09.11.2006

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captain tsubasa
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Beitragvon captain tsubasa » 16.11.06 @ 8:21

http://www.woz.ch/artikel/archiv/14098.html
Kohäsives Fahnenmeer
Von Pascal Claude


In einer Unterführung eines grossen Schweizer Bahnhofs hängt ein Plakat, auf dem steht: «Bilaterale stützen. Schweiz stärken. Ja zum Osthilfegesetz». Beim Osthilfegesetz, besser bekannt als Kohäsionsmilliarde, handelt es sich kurz gesagt um jenes Geld, von dem der neogrüne Museumsdirektor C. Mörgeli glaubt, es stehe ihm selber eher zu als einer ostslowakischen Bäuerin am Existenzminimum. Aber darum geht es nicht. Es geht um das Bild auf dem Plakat. Darauf ist eine grosse Anzahl wild wehender Schweizer Fahnen zu sehen. Das von zu viel Fussball verdorbene Auge erkennt sofort: Schweiz-Türkei, WM-Barrage, Stade de Suisse, Herbst 2005. Auf dem Plakat steht auch noch: «Besser für unser Land. CVP»
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Das wirft doch Fragen auf. Warum wirbt die CVP mit Fussballfans dafür, sich anderen Ländern gegenüber grosszügig zu zeigen? Sind Fussballfans Sympathieträger, stehen sie für Offenheit, für internationale Solidarität? Für Geben statt Nehmen? Marianne Binder, Kommunikationschefin der CVP, reagiert am Telefon etwas verdutzt auf all die Fragen. Sie habe, gesteht sie, mit Fussball leider gar nicht viel am Hut (ein Gütesiegel, Frau Binder, spätestens seit der letzten WM). Was das Fahnenfoto sagen wolle, weiss Marianne Binder trotzdem: «Es geht um das Bild der Schweiz. Die Fahnen stehen für Dynamik, fürs Fansein von diesem Land.» Und wo sonst, fragt sie, würden so viele Emotionen frei wie beim Fussball?

Die Kampagne setze laut Binder bewusst auf die Farben des Landes, um den patriotischen Zugang nicht ausschliesslich jenen zu überlassen, «die glauben, wir können es allein schaffen». Zum Beispiel Ulrich Schlüer, der in einem überraschend trockenen Nebensatz Binders kurz sein Fett weg kriegt. Es ist nicht ganz einfach, die Kommunikationschefin weg von der Politik und zurück zum Kern unseres Gesprächs zu bringen: zum fragwürdigen Instrumentalisieren des Fussballs und dessen AnhängerInnen für politische Ziele. «Sie sprechen von Dynamik, Frau Binder,» versuche ich den Wiedereinstieg, «doch die von Ihnen verwendeten Fähnchen wurden damals zu Zehntausenden auf den Sitzen verteilt. Die Leute wurden vom Stadionsprecher aufgefordert, sie zu schwenken.» «Sie meinen, ein Fake?», fragt Frau Binder.

Fake ist ein harter Begriff. Wobei, beim genauen Hinsehen vielleicht doch nicht ganz falsch. Die Fähnchen nämlich trugen den Aufdruck der fünf Hauptsponsoren der Schweizer Nati. Der CVP-Grafiker hat die Logos aber allesamt wegretuschiert. Ein dickes Ding, nüchtern betrachtet: Die CVP wirbt mit einem manipulierten Bild von Fussballfans für ein Ja zum Osthilfegesetz. Von der Brisanz her eine «Blick»-Schlagzeile, nur zu lang.

«Sind Sie sicher, dass da Logos drauf waren?», fragt Marianne Binder zum Schluss. «Ja, denn oben rechts, da hat Ihr Grafiker welche vergessen. Man sieht noch die blauen Kästchen vom Sporttip», antworte ich. «Stimmt, ja. Bei mir am Computer sehen die aber grün aus.» «Das wäre dann Carlsberg. Aber es ist blau, ganz sicher. Es ist der Sporttip.»

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WOZ vom 16.11.2006

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ZH_Lifestyle
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Beitragvon ZH_Lifestyle » 19.11.06 @ 13:34

Knapp daneben Nr. 13/04 von Pascal Claude

Mutige Family

Wer sich selber lustig findet, macht sich über GC-Fans lustig. Dabei zeigen genau die, was Klubtreue wirklich heisst.

Die Schweizer Fussballlandschaft ist erfreulich vielseitig. Da haben wir Basel, wo eine Stadt und ihre Umgebung vollkommen vorbehaltlos und in einzigartiger Weise hinter ihrem Verein stehen. Wir haben St. Gallen, wo der Stadtklub sinnstiftend ist für eine ganze Region bis weit ins Rheintal und sich die Hingabe für den FCSG selbst in Krisenzeiten in einer Art manifestiert, die Gästefans beeindruckt. Wir haben den FC Aarau mit seinem Schrebergarten-Charme und dem bezaubernden Brügglifeld, das hoffentlich nie abgerissen wird. Wir haben den FC Zürich mit seinem seltsamen Präsidenten und einem Anhang, der das sonderbarste und stimmungstötendste Stadion der Welt zu beleben vermag. Wir haben Bern, wo wieder etwas entstanden ist rund um den BSC YB und alle gespannt darauf warten, was nächstes Jahr passiert. Und wir haben Genf, Neuchâtel, Thun und Wil, die allesamt etwas zu bieten haben, ausser Geld. In ihrem Facettenreichtum verdient die Superleague ihren Namen. Und doch gibt es diesen einen Punkt, der allen gemeinsam ist und der alle vereint: Man findet GC Scheisse. Das kann man ja auch verstehen, bis zu einem gewissen Grad. Immer diese Verflechtungen mit der Hochfinanz, fast immer dieser Erfolg, immer dieses abgehobene Gehabe der Chefetage, immer zuviel Gel in den Haaren der Spieler und Event-Manager. Und immer diese dummen PR-Aktionen ; das alles macht einen Verein nicht wirklich anmächelig. Interessanterweise zielt der Spott der Gegner aber nicht darauf, sondern auf die Fans. Sie sind Zielscheibe für all die pauschale Abscheu, die dem Grasshopper Club of Zürich entgegengebracht wird. Das ist dumm. Und die GC-Fans haben es nicht verdient. Denn sie beweisen Mut. Viel mehr Mut als alle anderen Fans zusammen.
Nehmen wir die Stadt Zürich : Was passiert denn, wenn der FCZ mal wieder mehr als ein Spiel in Serie gewinnt ? Alle, wirklich alle sind plötzlich und waren schon immer FCZ-Fans. Die Stadt an der Limmat, eine einzige Südkurve. Der Tages-Anzeiger glänzt seit Jahren jeden Samstag mit der Rubrik des armen « Kroll », einem (meist leidenden) FCZ-Anhänger, der von seinem Leben rund um den Letzigrund berichtet. Erscheinen im Kulturteil der Tageszeitung Berichte zum Fussball, stecken in neun von zehn Fällen FCZ-Fans dahinter. Auf der Redaktion des Tagi gibt es durchaus auch GC-Fans, doch hüten die sich, jemals dazu zu stehen. Denn sie wissen um den Spott.
Ähnliches bei der NZZ : Wenn Journalisten mal was Abseitiges schreiben dürfen mit etwas Humor drin, waren sie meist im Letzigrund unterwegs, vielleicht noch im Hallenstadion. Im Hardturm sicher nie. Geht die NZZ bei GC (oder beim GC, in diesem Fall) mal etwas tiefer, so meist in Form einer Schelte. Leichtes, Nettes, Witziges aus den Hardturm-Katakomben war seit Jahren nicht mehr zu lesen. Beim Fussvolk dasselbe. In welcher Bar hängt denn schon ein GC-Wimpel ? Sein Mobiliar kann sich ein Wirt ja auch selber zertrümmern, wenn er Lust hat. In Zürich ist man FCZ-Fan. Und findet es super. Weil es ja alle andern auch sind. Weil man es eben ist. Schon immer war. Weil es cool ist. Stadtklub. Arbeiterklub. Subkultur. All das. FCZ eben. Sicher nicht GC.Es braucht kein Gramm Mut, FCZ-Fan zu sein, wenn alle andern es auch sind, wenn die ganze Stadt es ist. Es braucht aber sehr viel Mut, zu GC zu stehen, wenn man weiss, dass das ungefähr das Uncoolste ist, was man sich zwischen Aare und Töss aussuchen kann. All jenen, die als Kind GC-Fans werden, später merken, wie unpopulär das ist, aber trotzdem GC-Fans bleiben, all jenen gebührt grösster Respekt. Schliesslich gilt lebenslange Klubtreue in Fan-Kreisen noch immer als das höchste Gut. Oder was soll in den Augen all der GC-Hasser ein 15-Jähriger machen, der mit GC aufgewachsen ist? FCB-Fan werden ?

Überhaupt : Was wird den GC-Fans denn vorgeworfen ? Dass sie Kinder seien, zum Beispiel, dass in ihrer Kurve alle noch zur Schule gingen. Na und ? Abgesehen davon, dass in manch anderer Kurve sich auch noch nicht alle Protagonisten täglich rasieren müssen, wäre mir neu, dass Jungsein etwas Anrüchiges ist. Dann das Stimmungs-Argument : GC-Fans hört man nicht, in ihrer Kurve ist nichts los, heisst es. Tatsächlich ? Für die 90er-Jahre mag das zutreffend gewesen sein, auswärts vor allem. Doch heute ? Es wäre einmal sehr gründlich abzuchecken, vor wem ausser Basel sich die Hoppers wirklich verstecken müssen, was den Support ihrer Mannschaft angeht. Bleibt der beliebteste Vorwurf an die GC-Gemeinde, jener des Nobelklubs, der sich mit Bonzen-Geldern alimentiert und in dessen Logen Cüpli serviert werden. Fans des FC Aarau oder des FC Thun kann man die Freude lassen, in dieser Weise über GC herzuziehen, so sie denn das Bedürfnis dazu haben. Aber Baslern ? Oder Zürchern ? Wer ist denn nun die Frau, die seit einer Weile ein paar Promille ihres Vermögens in den FCB pumpt ? Mutter Theresa ? Und hat sie ihr Geld mit harter, ehrlicher Arbeit verdient, oder haben da vielleicht auch Dinge wie Heiraten, Erben und Glück eine Rolle gespielt ? Und was die Cüpli-Logen angeht : Ist es ein Gerücht, dass im St.-Jakob-Park nicht nur Landjäger und Rivella serviert werden? Wo, wenn man genau hinsieht, findet denn tatsächlich der in den Kurven so verhasste « moderne Fussball » statt, im Hardturm oder im Joggeli ? Und der FCZ : Hat er Pfarrer Sieber als Präsidenten ? Oder einen steinreichen Mann, einen Bonzen ? Und würden im Letzigrund nicht schon seit Ewigkeiten Cüpli ausgeschenkt, so man denn Logen hätte dafür ? Und sind zur Zeit nicht gerade Pläne sich am Konkretisieren, den lang ersehnten VIP-Raum unter der Haupttribüne einzurichten, um endlich Pöbel von Prominenz zu trennen ?
Was sich GC-Fans anhören müssen, ist letztlich nur eine Sammlung all dessen, wovor sich die Fans der Gegner fürchten (FCZ) oder wovor sie die Augen verschliessen, weil es bei ihnen zuhause schon lange viel schlimmer ist (FCB). GC stand vielleicht einst tatsächlich für Abgehobenheit, Noblesse und zuviel Geld. Inzwischen ist der Klub aber nur noch Projektionsfläche für all das Unbehagen, das der heutige Fussball produziert : Man hasst Logen - und lässt es an GC aus. Man fürchtet Investoren mit viel Geld und schlimmen Ideen - und lässt es an GC aus. Man regt sich über die Amerikanisierung der Stadionatmosphäre auf - und lässt es an GC aus. Ein Glück, dass sich die GC-Fans dadurch nicht beirren lassen. Ihre Kurve wird Jahr für Jahr dichter, daheim wie auswärts, ihre Gesänge werden lauter, ihre Choreographien ein bisschen besser. Der GC-Anhang, beheimatet in einem der besten Fussballstadien der Schweiz, bereichert den Liga-Alltag. Das wissen auch die andern. Und wären sie ehrlich, sie wären froh darum. Doch sie verharren lieber in ihren uralten, längst überholten Stereotypen. Und vielleicht muss das ja auch so sein, vielleicht gehört das einfach dazu. Den GC-Fans, so scheint es, hilft es letztlich nur.

Nur zur Erklärung: Der Autor ist nicht GC Fan, war es nie und wird es auch nie sein

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Beitragvon captain tsubasa » 23.11.06 @ 10:53

http://www.woz.ch/artikel/archiv/14132.html
Wegwerfzubi
von Pascal Claude
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Nach der letzten Kolumne äusserten sich einige Leute zu den gesponsorten Schweizer Fahnen. Jemand meinte, der Satz «Die CVP wirbt mit einem manipulierten Bild von Fussballfans für ein Ja zum Osthilfegesetz» müsste heissen «Die CVP wirbt mit einem manipulierten Bild von manipulierten Fussballfans für ein Ja zum Osthilfegesetz». Jemand anderes ging noch weiter und schlug vor: «Die CVP wirbt mit einem manipulierten Bild von manipulierten Menschen, die sich zwei Stunden lang aufführen, als wären sie Fussballfans, für ein Ja zum Osthilfegesetz». Es ist ein schöner Zug der deutschen Sprache, dass sie solche Ergänzungen bis ins Unendliche zulässt. Und ich unterstütze die beiden Änderungsvorschläge. Nach dem Länderspiel gegen Brasilien bin ich geneigt zu sagen: vor allem den zweiten.

«Weggis zu Gast in Basel», hiess das Motto der Begegnung im ausgebauten St. Jakob-Park. Lässige Leute aus allen Landesteilen waren gekommen, wie damals im Frühsommer am Vierwaldstättersee. Und wie damals waren sie bereit, tief in die Tasche zu greifen. Der SFV und die Schweizer Sportmedien hatten Spektakel versprochen. Sie konnten ihr Versprechen nicht halten. Das Spiel geriet zur Katastrophe. Die Brasilianer kümmerte es wie so oft wenig, dass man von ihnen Sambafussball erwartete, denn was Sambafussball ist, wissen nur wir hier in Europa. Die Brasilianer möchten einfach ihre Spiele gewinnen, so wie alle Mannschaften dieser Welt, und sie verfolgen ihr Ziel mit den Mitteln, die ihnen gerade zur Verfügung stehen. Aus der Hüfte kommt das immer seltener.

Die lässigen Leute im St. Jakob-Park wurden nun leider gleich doppelt enttäuscht. Denn auch die Schweizer Nati ist nicht mehr das, was sie vor kurzem noch war. Sie muss nun bis Juni 2008 kein Spiel mehr gewinnen, das schafft Platz für Hahnenkämpfe und sieht unansehnlich aus. Als Torhüter Pascal Zuberbühler irgendwann in der ersten Hälfte auf frivole Art einen Gegentreffer verschuldete, hatten die Sponsorenfahnenschwinger endlich eine Projektionsfläche für ihren Unmut: Zubi raus.

Zubi ist nicht Zoff. Aber Zubi hütete während Jahren das Tor von GC, dem FCB und der Nati. Wenn er wirklich so schlecht ist, wie er jetzt gemacht wird und wie seine missratenen Auslandeinsätze nahe legen, so heisst das vor allem etwas: Die andern sind noch schlechter. Der FCB hätte sich in seiner Champions-League-Umnachtung sofort einen besseren Schweizer Hüter geholt, gäbe es denn einen. Fabio Coltorti? Im Cupspiel gegen YF Juventus führte GC mit 4:0, ehe der Challenge-League-Schwanzklub noch dreimal traf und den Ausgleich nur wegen eines knappen Abseits verpasste. Beim ersten Tor schlug Coltorti über den Ball, die zwei andern landeten in der kurzen Ecke. Dino Benaglio? Wer kann glaubhaft versichern, ihn schon oft genug spielen gesehen zu haben beziehungsweise das Niveau der portugiesischen Liga fundiert einschätzen zu können?

Zubi ist ein Opfer eines Event-Mobs, der zahlt, um unterhalten zu werden, und wird er nicht unterhalten, rastet er aus. Als der FCB im Frühjahr bei YB 2:4 verlor und damit dem FCZ erst jenes denkwürdige Meisterschaftsfinale ermöglichte, sah Zubi wieder einmal nicht gut aus. Er begleitete einen Freistossball Hakan Yakins streichelnd ins Lattenkreuz. In der Pause auf dem Pissoir winselte ein stark betrunkener Basler Anhänger ein ergreifendes Klagelied auf den eigenen Goalie: «Es wird nie was mit ihm». Das war auch eine Zubi-Kritik. Aber sie war leise, verzweifelt, von Herzen. Sie war typisch für einen Klub-Fan. Die Baslerinnen und Basler haben viel gelitten mit ihrem Schlussmann, trotzdem gehörte er immer und entschieden zu ihnen. Ähnlich wars mit Pascolo beim FCZ. Was stand den Leuten das Herz still. Aber Pascolo war ihr Torhüter. Damit hatten sie zu leben.

Der klassische Fussballfan ist ein Anachronismus. Er trägt seit Jahren den selben Schal, statt sich jedes Jahr den neuen offiziellen zu kaufen. Er will lieber stehen für fünfzehn statt sitzen für fünfzig Franken. Er will nicht jede Saison 22 neue Spielernamen auswendig lernen. Er will am liebsten Stillstand, mindestens aber Kontinuität und Vertrautheit. Dafür ist er bereit, etwas zu geben: Geduld. Der lässige Sponsorenfahnenfan mit Weggiserfahrung hingegen ist der Fan von heute. Er kauft alles, was sie ihm anbieten, und wirft es schnell wieder weg. Auch wenns der eigene Goalie ist. Der Fan von heute konsumiert, Bo-Katzmann-Chor, Spacedream, Schweiz-Brasilien, Hauptsache mega. Das sieht man gern, in Muri bei Bern. Und dass der Fan von heute keine Leuchtfackeln reinschmuggelt, das sieht man noch lieber.

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WOZ vom 23.11.2006

bitzli
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Beitragvon bitzli » 23.11.06 @ 11:29

hammer!
weiss jemand, wann die "gc-fans" geschichte geschrieben wurde? da steht nur 'nr 13/04' daneben - wird wohl aus dem zine sein, oder?


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