Knapp daneben

Hier kommt alles über Fussball rein, das nicht mit dem FCZ zu tun hat.
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pexito
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Beitragvon pexito » 24.08.07 @ 13:34

Elim13 hat geschrieben: 3. Generation NICHT erleichterte/automatische Einbürgerungen erhalten.
Willkommen in der Schweiz!


Und ich nehme dabei auch Secondos nicht in Schutz, das Phänomen des Eingebürgerten und selbst gegen Ausländer nimmt ebenfalls zu.

Dabei soll mir einer erklären, worin sich ein 3. Generation Ausländer von einem Schweizer unterscheidet.
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tiis
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Beitragvon tiis » 24.08.07 @ 19:14

pexito hat geschrieben:
Elim13 hat geschrieben: 3. Generation NICHT erleichterte/automatische Einbürgerungen erhalten.
Willkommen in der Schweiz!
Dabei soll mir einer erklären, worin sich ein 3. Generation Ausländer von einem Schweizer unterscheidet.

Pauschal betrachtet und meistens wohl durch den Nachnamen.

Subjektiv und aus eigener Erfahrung (auch ich bin ein eingebürgerter Ausländer) glaube ich, dass es durchaus noch kulturelle Unterschiede geben kann, auch in der 3. Generation. Sehe ich in meiner eigenen Familie...längst nicht alle Secondos haben sich integriert bzw. finden sich gleichermassen gut in der eigenen wie in der schweizerischen Kultur zurecht. Es kann nicht allzusehr verwundern, dass dies auch auf deren Kinder einen Einfluss hat.

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captain tsubasa
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Beitragvon captain tsubasa » 30.08.07 @ 6:29

http://www.woz.ch/artikel/rss/15327.html

Eins weniger
von Pascal Claude

Bayern München, Neuchâtel Xamax, und dann ist Schluss. Eines der verdientesten, stimmungsvollsten Stadien der Schweiz darf abdanken. Bald werden sie mit Baggern auffahren, mit Abrissbirnen, Schlagbohrern und Dynamit und den Hardturm in Schutt und Asche legen. Was danach kommt, weiss niemand. Die CS beteuert, am geplanten Fünfeck festzuhalten, doch glauben mag das kaum noch jemand. Die EM wird auf der anderen Seite der Geleise gespielt, und für GC und den FCZ braucht es keinen zweiten Vorzeigebau mit 30000 Plätzen. Das wissen auch die knochenharten Kalkulierer bei der Grossbank. Noch spricht es niemand aus, doch ein einfacher Weg, das Beschwerdeduell mit den AnwohnerInnen unblutig zu einem Ende zu bringen, wäre die Projektierung eines maximal 20000 Plätze fassenden viereckigen Fussballstadions mit schönen Stehplatzsektoren hinter den Toren.

Bis es so weit ist, heisst es trauern, erreicht das Stadionsterben mit dem Ende des Hardturms doch seinen vorläufigen Höhepunkt. In der Schuhschachtel, in der ich die Matchtickets aufbewahre, fand ich über vierzig Erinnerungen an die GC-Heimstätte. Für siebzig Franken - was wir damals unverschämt teuer fanden - waren die drei Spiele der Champions League 1995/1996 zu sehen. Den Auftakt machte Ferencváros Budapest, das mit einer Hundertschaft Neonazis angereist war, die ihren ausgestreckten rechten Arm nur dreimal einzogen, beim Jubel über das 0:1, das 0:2 und das 0:3. Diesen Auftritt vor Augen, verwundert die eben erfolgte Gründung der Ungarischen Garde wenig; es hatte sich abgezeichnet.

Zwei Jahre später war Croatia Zagreb zu Gast, «Preis Fr. 15.00, Sektor freie Wahl». Die Dinamo-Fans, mitten im Kampf gegen die von Klub- und Staatspräsident Franjo Tudjman durchgesetzte Umbenennung, prügelten sich im eigenen Sektor und feuerten eine Fackel nach der andern aufs Feld. Der dribbelnde Türkyilmaz im leuchtenden Strafraum war selbst der «L.A. Times» ein Bild wert. GC verlor null zu fünf, Zuberbühler sah rot, Smiljanic stand für ihn ins Tor, und hinter ihm brüllten die GC-Fans «Scheiss Jugos» in Richtung der Kroaten.

Im Hardturm genossen immer auch Mannschaften Gastrecht, die aus irgendwelchen Gründen ihre Spiele nicht bei sich zu Hause austragen konnten. Als 1997 Albaniens Staatsstrukturen in sich zusammenzufallen drohten, musste die Nationalmannschaft ihre Qualifikationsspiele für die WM 1998 ausser Landes austragen. Albanien schlug vor Tausenden von Landsleuten im Hardturm Nordirland mit 1:0, und die drei bärtigen Zürcher, die sich als Fans der Nordiren ausgaben, hörten irgendwann auf zu singen. Auch zahlreiche Schweizer Vereine, deren Stadien nicht internationaler Norm entsprachen, empfingen ihre Gäste in Zürich. Hier warf St. Gallen Chelsea aus dem Uefa-Cup und scheiterte in letzter Minute an Brügge. Hier spielte der FCB gegen Feyenoord Rotterdam (26. Oktober 2000), was den Hooligan-Fahndern den Schweiss auf die Stirn trieb, weil Lausanne-Sport am selben Abend Ajax Amsterdam empfing. Hier trat der FCZ gegen Aston Villa an (Preis: Fr. 25) und YB gegen Roter Stern Belgrad (Fr. 20). Der Hardturm war eine Adresse. Fans von Zenit St. Petersburg (19.9.2002, Fr. 20) zeigten der Schweiz, was besoffen sein wirklich bedeutet. Die Tifosi der AC Fiorentina (20.10.1998, Fr. 20) tauchten den Gästesektor in Violett und beglückten das Rund mit den schönsten Gesängen. Und einige Fans von Leeds United (22.11.2001, Fr. 25) strandeten nach dem Spiel in der nahen Buch- und Kulturbar Sphères: «Was wollen wir hier? Das ist eine gottverdammte Bibliothek!» «Ja, aber eine, in der die Leute Bier saufen!»

Irgendwann wurde die alte Westtribüne abgerissen, die klaffende Lücke gab den Blick frei auf den Zürcher Hausberg. Weil GC dann während einiger Spiele kaum mehr ins westseitige Tor traf, gebar der «Blick» die unerreichte Schlagzeile vom «Üetliberg-Komplex». Mit dem Bau des neuen Gästesektors 1998 normalisierte sich die Situation, was wieder vermehrt Heimspiele der Nationalmannschaft zur Folge hatte. Als am 2. September 2000 Russland in der WM-Quali zu Gast war (0:1), tischte der Schweizerische Fussballverband im Stadioncafé russischen Salat auf - eine schöne, nahe liegende Geste, von den russischen Journalisten leider mit totaler Nichtbeachtung bestraft. Ob man in Russland den russischen Salat überhaupt kennt? In England wird man ja auch oft auf die Swiss Roll angesprochen, und ich weiss bis heute nicht, was das ist.

Der Hardturm wird fehlen. Die ganze internationale Prominenz einmal weggerechnet, war er einfach ein ausgezeichnetes Nationalligastadion, mit den Vorzügen der Nähe zum Spielfeld, der idealen Grösse und der guten Akustik und einigen hübschen Eigentümlichkeiten wie den Durchsagen des berndeutschen Platzspeakers im Falle von Feuerwerk («Bitte, lööds doch eyfach la sii») oder die am seltsamsten Ort angebrachte Anzeigetafel. Vor dem Freundschaftsspiel gegen die Bayern setzte sich ein geföhnter Zürcher zu drei Münchnern an den Tisch und spendierte ihnen eine Flasche Bier. «Was wollt ihr hier», fragte er sie beim Anstossen, «das ist eine alte, furchtbare Bruchbude. Wir haben in der Schweiz keine Allianz-Arena.» «Och», fand der kahlrasierte Münchner im roten Umbro-Shirt und leerte die halbe Flasche in einem Zug, «ich mag solche Stadien ganz gern. Das findest du bei uns nicht mehr.»

Stadionverbot
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Beitragvon Stadionverbot » 30.08.07 @ 8:35

Knapp daneben Nr. 13/04 von Pascal Claude

Mutige Family
Wer sich selber lustig findet, macht sich über GC-Fans lustig. Dabei zeigen genau die, was Klubtreue wirklich heisst.

Die Schweizer Fussballlandschaft ist erfreulich vielseitig. Da haben wir Basel, wo eine Stadt und ihre Umgebung vollkommen vorbehaltlos und in einzigartiger Weise hinter ihrem Verein stehen. Wir haben St. Gallen, wo der Stadtklub sinnstiftend ist für eine ganze Region bis weit ins Rheintal und sich die Hingabe für den FCSG selbst in Krisenzeiten in einer Art manifestiert, die Gästefans beeindruckt. Wir haben den FC Aarau mit seinem Schrebergarten-Charme und dem bezaubernden Brügglifeld, das hoffentlich nie abgerissen wird. Wir haben den FC Zürich mit seinem seltsamen Präsidenten und einem Anhang, der das sonderbarste und stimmungstötendste Stadion der Welt zu beleben vermag. Wir haben Bern, wo wieder etwas entstanden ist rund um den BSC YB und alle gespannt darauf warten, was nächstes Jahr passiert. Und wir haben Genf, Neuchâtel, Thun und Wil, die allesamt etwas zu bieten haben, ausser Geld. In ihrem Facettenreichtum verdient die Superleague ihren Namen. Und doch gibt es diesen einen Punkt, der allen gemeinsam ist und der alle vereint: Man findet GC Scheisse. Das kann man ja auch verstehen, bis zu einem gewissen Grad. Immer diese Verflechtungen mit der Hochfinanz, fast immer dieser Erfolg, immer dieses abgehobene Gehabe der Chefetage, immer zuviel Gel in den Haaren der Spieler und Event-Manager. Und immer diese dummen PR-Aktionen ; das alles macht einen Verein nicht wirklich anmächelig. Interessanterweise zielt der Spott der Gegner aber nicht darauf, sondern auf die Fans. Sie sind Zielscheibe für all die pauschale Abscheu, die dem Grasshopper Club of Zürich entgegengebracht wird. Das ist dumm. Und die GC-Fans haben es nicht verdient. Denn sie beweisen Mut. Viel mehr Mut als alle anderen Fans zusammen.
Nehmen wir die Stadt Zürich : Was passiert denn, wenn der FCZ mal wieder mehr als ein Spiel in Serie gewinnt ? Alle, wirklich alle sind plötzlich und waren schon immer FCZ-Fans. Die Stadt an der Limmat, eine einzige Südkurve. Der Tages-Anzeiger glänzt seit Jahren jeden Samstag mit der Rubrik des armen « Kroll », einem (meist leidenden) FCZ-Anhänger, der von seinem Leben rund um den Letzigrund berichtet. Erscheinen im Kulturteil der Tageszeitung Berichte zum Fussball, stecken in neun von zehn Fällen FCZ-Fans dahinter. Auf der Redaktion des Tagi gibt es durchaus auch GC-Fans, doch hüten die sich, jemals dazu zu stehen. Denn sie wissen um den Spott.
Ähnliches bei der NZZ : Wenn Journalisten mal was Abseitiges schreiben dürfen mit etwas Humor drin, waren sie meist im Letzigrund unterwegs, vielleicht noch im Hallenstadion. Im Hardturm sicher nie. Geht die NZZ bei GC (oder beim GC, in diesem Fall) mal etwas tiefer, so meist in Form einer Schelte. Leichtes, Nettes, Witziges aus den Hardturm-Katakomben war seit Jahren nicht mehr zu lesen. Beim Fussvolk dasselbe. In welcher Bar hängt denn schon ein GC-Wimpel ? Sein Mobiliar kann sich ein Wirt ja auch selber zertrümmern, wenn er Lust hat. In Zürich ist man FCZ-Fan. Und findet es super. Weil es ja alle andern auch sind. Weil man es eben ist. Schon immer war. Weil es cool ist. Stadtklub. Arbeiterklub. Subkultur. All das. FCZ eben. Sicher nicht GC.Es braucht kein Gramm Mut, FCZ-Fan zu sein, wenn alle andern es auch sind, wenn die ganze Stadt es ist. Es braucht aber sehr viel Mut, zu GC zu stehen, wenn man weiss, dass das ungefähr das Uncoolste ist, was man sich zwischen Aare und Töss aussuchen kann. All jenen, die als Kind GC-Fans werden, später merken, wie unpopulär das ist, aber trotzdem GC-Fans bleiben, all jenen gebührt grösster Respekt. Schliesslich gilt lebenslange Klubtreue in Fan-Kreisen noch immer als das höchste Gut. Oder was soll in den Augen all der GC-Hasser ein 15-Jähriger machen, der mit GC aufgewachsen ist? FCB-Fan werden ?

Überhaupt : Was wird den GC-Fans denn vorgeworfen ? Dass sie Kinder seien, zum Beispiel, dass in ihrer Kurve alle noch zur Schule gingen. Na und ? Abgesehen davon, dass in manch anderer Kurve sich auch noch nicht alle Protagonisten täglich rasieren müssen, wäre mir neu, dass Jungsein etwas Anrüchiges ist. Dann das Stimmungs-Argument : GC-Fans hört man nicht, in ihrer Kurve ist nichts los, heisst es. Tatsächlich ? Für die 90er-Jahre mag das zutreffend gewesen sein, auswärts vor allem. Doch heute ? Es wäre einmal sehr gründlich abzuchecken, vor wem ausser Basel sich die Hoppers wirklich verstecken müssen, was den Support ihrer Mannschaft angeht. Bleibt der beliebteste Vorwurf an die GC-Gemeinde, jener des Nobelklubs, der sich mit Bonzen-Geldern alimentiert und in dessen Logen Cüpli serviert werden. Fans des FC Aarau oder des FC Thun kann man die Freude lassen, in dieser Weise über GC herzuziehen, so sie denn das Bedürfnis dazu haben. Aber Baslern ? Oder Zürchern ? Wer ist denn nun die Frau, die seit einer Weile ein paar Promille ihres Vermögens in den FCB pumpt ? Mutter Theresa ? Und hat sie ihr Geld mit harter, ehrlicher Arbeit verdient, oder haben da vielleicht auch Dinge wie Heiraten, Erben und Glück eine Rolle gespielt ? Und was die Cüpli-Logen angeht : Ist es ein Gerücht, dass im St.-Jakob-Park nicht nur Landjäger und Rivella serviert werden? Wo, wenn man genau hinsieht, findet denn tatsächlich der in den Kurven so verhasste « moderne Fussball » statt, im Hardturm oder im Joggeli ? Und der FCZ : Hat er Pfarrer Sieber als Präsidenten ? Oder einen steinreichen Mann, einen Bonzen ? Und würden im Letzigrund nicht schon seit Ewigkeiten Cüpli ausgeschenkt, so man denn Logen hätte dafür ? Und sind zur Zeit nicht gerade Pläne sich am Konkretisieren, den lang ersehnten VIP-Raum unter der Haupttribüne einzurichten, um endlich Pöbel von Prominenz zu trennen ?
Was sich GC-Fans anhören müssen, ist letztlich nur eine Sammlung all dessen, wovor sich die Fans der Gegner fürchten (FCZ) oder wovor sie die Augen verschliessen, weil es bei ihnen zuhause schon lange viel schlimmer ist (FCB). GC stand vielleicht einst tatsächlich für Abgehobenheit, Noblesse und zuviel Geld. Inzwischen ist der Klub aber nur noch Projektionsfläche für all das Unbehagen, das der heutige Fussball produziert : Man hasst Logen - und lässt es an GC aus. Man fürchtet Investoren mit viel Geld und schlimmen Ideen - und lässt es an GC aus. Man regt sich über die Amerikanisierung der Stadionatmosphäre auf - und lässt es an GC aus. Ein Glück, dass sich die GC-Fans dadurch nicht beirren lassen. Ihre Kurve wird Jahr für Jahr dichter, daheim wie auswärts, ihre Gesänge werden lauter, ihre Choreographien ein bisschen besser. Der GC-Anhang, beheimatet in einem der besten Fussballstadien der Schweiz, bereichert den Liga-Alltag. Das wissen auch die andern. Und wären sie ehrlich, sie wären froh darum. Doch sie verharren lieber in ihren uralten, längst überholten Stereotypen. Und vielleicht muss das ja auch so sein, vielleicht gehört das einfach dazu. Den GC-Fans, so scheint es, hilft es letztlich nur

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Beitragvon captain tsubasa » 30.08.07 @ 11:30

Wer sich die Knapp Daneben Texte als RSS-Feed abonnieren möchte, ich habe eine Yahoo-Röhre erstellt:
http://pipes.yahoo.com/pipes/pipe.run?_ ... render=rss

Pieder
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Beitragvon Pieder » 30.08.07 @ 15:06

Werter Pexito

Nerv dich ab meiner Meinung und nicht deswegen, weil ich ein Secondo aus Südeuropa bin. Idiot.

Genau das habe ich ja gemacht. Den Idiot kannst du dir deshalb sonst wohin stecken. Vielleicht hätte ich statt "die (Secondos)", "jene" schreiben sollen, vielleicht wolltest du mich aber ganz einfach nicht verstehen.


Zum Glück bin ich in Zürich aufgewachsen und jahrelang nur unter Secondos gelebt (kannst somit deine Tirade gleich weiterführen).

Wie du meinen Text als Tirade interpretieren konntest, verschliesst sich mir. Aber eben, vielleicht wolltest du es einfach als Tirade verstehen. Eventuell verhindert ja gerade die Tatsache, dass du (und auch Elim13) nur euer "Ghetto" in Zürich kennt, eine etwas differenzierte Sicht auf die Schweiz und die Schweizer. In Zürich die weltoffenen, urbanen und liberalen Schweizer, während im Rest der Schweiz nur konservative, reaktionäre, ausländerfeindliche, geranienzüchtende und schwulenfressende Bünzlischweizer zuhause sind, zu welchen gemäss deinem superkreativen Wortspieli ja auch ich gehöre. Aber stell dir vor, ich bin einem CVP-Elternhaus in einem Dorf in der Pampa mit 100 Einwohnern und 20 Misthaufen aufgewachsen, habe so ca. 250 Diensttage im Militär hinter mich gebracht, sitze sehr gerne in der Dorfbeiz am Stammtisch, habe aber noch nie bürgerlich gewählt (was sich diesen Herbst allerdings angesichts der unheilvollen Polarisierung ändern wird) und dann auch noch eine Ausländerin geheiratet, deren Mutter trotz über 30 Jahren in der Schweiz kein Wort deutsch spricht. Aber es ist halt schon so, mit einem sehr einfach gehaltenen Koordinatensystem geht es sich einfacher durchs Leben.

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Beitragvon captain tsubasa » 06.09.07 @ 8:26

Krebse, Schwalben, Stiche und Striche
von Pascal Claude

Wie niveauvoll Leserinnen und Leser sind, ist unter anderem daran zu erkennen, wie gut sie sich in Speisefragen auskennen. Die «Swiss Rolls», schrieb Leser D. als Reaktion auf die letzte «Knapp daneben»-Kolumne, seien «diese Himbeerrouladen mit dem weichen Teig». Noch weiter ging Leser U., der mit einem gezielten Hinweis Licht in die undurchsichtige Beziehung der Russen zum russischen Salat brachte. Der russische Salat nämlich wurde von einem Franzosen erfunden, er heisst in Wahrheit «Oliviersalat». Olivier kochte im zaristischen Moskau und wurde für seine fette Salatsauce berühmt. Dank Leser U. wird auch klar, weshalb die russische Delegation damals beim Länderspiel im Hardturm einen weiten Bogen um den russischen Salat machte: Während wir hier einfach ein paar Erbsen, Rüebli und Eier mit Mayonnaise zudecken, verwendete Olivier Haselhühner, Kalbszunge, Kaviar und Flusskrebse. Es hat also nicht nur Nachteile, wenn in der Schweiz alte Stadien das Zeitliche segnen - es kommen dafür auch neue Rezepte ins Land.

Wobei so ein Nachruf auf ein Stadion gar nicht so ungefährlich ist, wie ein Journalist eines immer grösser werdenden Verlagshauses erfahren musste. Seine samstäglichen Zeilen zum Hardturm erschütterten die kleine Welt zwischen Töss und Reuss so sehr, dass er sich am Montag zu einem entschuldigenden Kommentar genötigt sah. Genötigt von wem?, möchte man nachfragen, lässt es aber bleiben. Sicher ist, dass ein, zwei Belehrungen in Essensfragen gut zu verdauen sind angesichts des Orkans, der über den armen Reuigen von der Werdstrasse hinweggefegt ist.

Der Vollständigkeit halber darf nun aber auch der unbekannte Gastleser J. nicht unerwähnt bleiben, für dessen Geschmacksnerven die Beschreibung der Budapester Fussballfans, die 1997 im Hardturm zu eindeutigem Grusse ansetzten, eindeutig zu weit ging. In einem Mail an die WOZ weist er darauf hin, dass das normale Begrüssungsritual der Ferencváros-Fans zu Spielbeginn «Ähnlichkeit hat mit der nationalsozialistischen Begrüssung» und ich mich deshalb wohl geirrt hätte. Damit ich mich, statt wild zu spekulieren, mit Fakten befassen könne, verlinkte mich J. mit der englischen Wikipedia-Seite über Ferencváros Budapest. Dort ist zum Beispiel über das Uefa-Cup-Heimspiel gegen Millwall 2004 zu lesen: «Inside the ground, Millwall’s black players were subjected to racist abuse and ‹monkey chanting› for the duration of the entire match.» Dass vor dem Spiel zwei Millwall-Fans von einem Ferencváros-Anhänger niedergestochen worden waren, soll hier nicht mehr als eine Randnotiz sein.

Leider führt die zitierte Wikipedia-Stelle mehr oder weniger direkt zum hiesigen Tagesgeschäft, hat der YB-Spieler Frimpong, nachdem er gegen den FC St. Gallen zur Faust gegriffen hatte, doch verlauten lassen, die von ihm angegangenen Spieler hätten ihn zuvor rassistisch beleidigt. Auslöser des Aufruhrs war ein von Frimpong herausgeschundener Elfmeter inklusive Platzverweis für St. Gallens Torhüter. Die Frage ist nun: Gelingt es, die beiden Vorfälle getrennt zu beurteilen? Ein Blick ins Forum der Fans des FC St. Gallen bestätigt die schlimmsten Befürchtungen nicht: Bis zur Forderung nach sofortiger Ausschaffung Frimpongs samt Frau ist zwar nahezu alles zu lesen, doch wird immer auch wacker dagegen gehalten und differenziert. Bevor Frimpong mit den Vorwürfen an die Öffentlichkeit ging, hatte ich gedacht, seinen auffälligen Auftritt gegen St. Gallen (ein Tor, eine Schwalbe, eine Rote) zum Anlass zu nehmen, kurz über seinen Vornamen nachzudenken: Joetex. Frimpongs Eltern haben nämlich Geschmack bewiesen bei der Taufe, stand ihrem Sohn doch in Joe Tex eine wilde Soulgrösse Pate, die mit Hüftschüttlern wie «I gotcha» und «I can’t see you no more» die Tanzböden polierte. Darauf näher einzugehen wäre zum jetzigen Zeitpunkt aber unpassend.

Vielleicht nur unpassend, vielleicht auch ungut ist die orthografische Verrenkung, mit der die «Sportinformation» dem Phänomen der Doppelbürgerschaften Herr zu werden versucht: «Die beiden ‹Schweizer› Mladen Petric (Dortmund) und Ivan Rakitic (Schalke 04) sind für die EM-Qualifikationsspiele Kroatiens gegen Estland und in Andorra aufgeboten worden», war in der NZZ zu lesen. Was ist ein Schweizer in Anführungszeichen? Ein vermeintlicher? Ein Möchtegern-? Ein halber? Striche sagen mehr als tausend Worte.

http://www.woz.ch/artikel/archiv/15348.html


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