http://tagesanzeiger.newsnetz.ch/kultur/pop-und-jazz/Gygax-macht-die-TechnoSchwalbe/story/24649302Gygax macht die Techno-SchwalbeVon Philippe Zweifel;Fussballer Daniel Gygax hat eine offizielle Street-Parade-CD gemixt. Sie ist eine zwar unabsichtliche, aber erhellende musikalische Analyse des Techno-Umzugs.
Es ist das Coming-Out des Sommers: Fussball-Natispieler Daniel Gygax ist DJ! Als Beweis trat er in Zürcher In-Clubs an die Plattenteller, bekannte sich als Sven-Väth-Fan und lieferte nun eine Mix-CD ab. Nicht irgendeine CD, sondern eine der vier offiziellen Street-Parade-Mixes, Titel: «Underground». Der englische Ausdruck bezeichnet in der Techno-Szene Sounds mit hohem künstlerischem Anspruch, vergleichbar mit Independent-Produktionen in der Filmbranche.
In Ballermann-6-Nähe
Nun macht Underground an der Street-Parade so viel Sinn, wie ein Kunstmuseum auf Ibiza. Nicht so für Gygax: Es gäbe sehr wohl Underground-Tracks, die die Menge begeistern können. Ist dem Nürnberg-Stürmer tatsächlich ein grosser Wurf gelungen? Immerhin, so steht es im CD-Booklet geschrieben, feile Gygax seit 13 Jahren an seinen DJ-Fertigkeiten. Oder ist das Album blosse PR? Bedaure, ja. Die Track-Auswahl auf «Underground» ist so überraschend wie «We Are The Champions» nach einem WM-Final.
«Underground», sagt Gygax, sei eine persönliche Sammlung von Tracks, die ihn durch die letzten Jahre begleitet haben. Das hört man den Tracks auch an: Gregor Tresher, Dave Ellesmere und Extrawelt sind in der Szene längst institutionalisiert. Und dann Sven Väth! Der teutonische Techno-Gott ist laut Gygax «ein Vorbild». Originell – oder gar undergroundig – ist das nicht, zumal Väth in den letzten Jahren in Ballermann-6-Nähe gerückt ist.
Streben nach mehr Glaubwürdigkeit
Ob sich Gygax dessen bewusst ist? Kaum. Als Fussball-Profi hat er wohl keine Zeit, sich in der Technoszene auf dem Laufenden zu halten. Das ist nicht weiter schlimm, auch Profi-Aufleger haben aufgrund ihres vollgepackten Terminkalenders oftmals keine Zeit dazu. Warum auch? Im Internet-Zeitalter lädt man sich einfach die meistgekauften Tracks von einem Portal, dann ist man musikalisch wieder bei den Leuten. Und so wird klar, nach welchem Rezept «Underground» gemixt wurde: Ein paar erprobte Dancefloor-Filler, ein Hauch angesagter Minimal, ein Schuss Old-School-Techno, fertig ist der massenkompatible Einheitsbrei, den man heute – wohl aufgrund seiner Gesichtslosigkeit – etwas ratlos «Elektro» nennt.
Doch Fairplay ist angesagt. Gygax' CD ist nicht mieser als andere Produktionen, die vor der Street Parade auf den Markt geworfen werden, sie ist ungefähr gleichermassen uninspiriert. Wenn auch unbeabsichtigt, so hat Gygax mit «Underground» aber immerhin eine erhellende musikalische Analyse der diesjährigen Street Parade abgeliefert: Man strebt nach mehr Glaubwürdigkeit, scheitert jedoch, weil das bierernste Rezyklieren von Technotrends ebenso in die Kommerzfalle führt, wie das bisherige Zugpferd der Parade, der süss-sphärische Trance-Sound. Lösungsvorschlag: Die Street Parade überlässt den Underground den Clubs (das macht auch semantisch mehr Sinn) und steht zu dem, was sie ist – eine wummernde Chilbi. Oder im Fall Gygax: Ein Fussballer. (Tagesanzeiger.ch/Newsnetz)