Beitragvon yellow » 11.11.24 @ 10:12
Hab den gestrigen Bericht der SZ über Marco Schönbächler mal hierhin kopiert.
Immerhin haben nur fünf Spieler mehr Spiele für den FCZ absolviert als er.
Manches ändert sich nie. Ob man nun in der Champions League oder in der 2. Liga Fussball spielt. Vor einigen Wochen bekam Marco Schönbächler Gelb-Rot, weil er zum Schiedsrichter sagte, er solle eine klare Linie haben. «Das ist meine Linie», antwortete dieser und zeigte zum zweiten Mal Gelb.
«Die lieben Schiedsrichter …», sagt Schönbächler nun und lacht. Dass er die Situation nicht mehr allzu ernst nehmen muss, hat damit zu tun, dass er nicht mehr beim FC Zürich spielt. Schönbächler ist seit drei Jahren Spieler des FC Urdorf.
Leben nach der Sportkarriere
Plötzlich kein Spitzensport mehr: Vier besondere GeschichtenRücktritt – und dann?Plötzlich kein Spitzensport mehr: Vier besondere Geschichten
15 Jahre hat er zuvor im Profifussball verbracht, immer hat er für den FCZ gespielt, er wurde mit dem Verein Meister, stieg mit ihm ab und wieder auf. Bloss fünf Spieler haben mehr Spiele für die Zürcher absolviert als er, Karl Grob, Köbi Kuhn, solche Figuren eben.
«Schönbi» beim FCZ, das ist eine Geschichte, wie es sie im modernen Fussball nicht mehr oft gibt. Im Sommer 2021 aber wurde ihm nach 353 Einsätzen und 54 Toren mitgeteilt, dass er keinen neuen Vertrag bekommt. Für Schönbächler kam das überraschend. Er war erst 31.
Als wir Sie für dieses Interview anfragten, sagten Sie: Was für ein Rücktritt? Ich greife nochmals an! Wie ernst war Ihnen das?
Gar nicht ernst. (lacht) Fussball spielen kann ich zwar immer noch, es ist mehr die Fitness, die nicht mehr auf demselben Level ist. Das sage ich auch den Jungs bei Urdorf: «Der grösste Unterschied zwischen euch und den Profis ist die Fitness – und die Profis sind im Kopf schneller.» Wir haben im Team Spieler, die technisch vielleicht besser sind als einige Mitspieler, die ich beim FCZ hatte.
Das grosse Comeback war also nie Thema?
Nein. Wenn man in den Regionalfussball geht, ist dieses Thema abgeschlossen. Und damit habe ich mich abgefunden. Irgendwann musste ich mir sagen: «Jetzt ist fertig, schau darauf, was nachher kommt.» Und ich wollte nicht bloss weiterspielen, um das Ganze hinauszuzögern. Viele tun das, weil sie nicht wahrhaben wollen, dass es eines Tages so weit ist.
Angebote gab es damals aber?
Ja, klar. Ich war noch fit und wusste, dass ich auf diesem Niveau spielen kann. Wir suchten Clubs, aber es war für mich persönlich nicht das dabei, was mich reizte, um weiterzuspielen. Ich war beim FCZ, seit ich 13 war, für mich gab es nur diesen Club. Darum wollte ich schon einmal nicht in der Schweiz bleiben, und etwas anderes ergab sich nicht.
Sie sind eine grosse Nummer in diesem Club. War es auch schön, abzuschliessen mit dem Gefühl, nur für den FCZ gespielt zu haben?
Mega. Ich spüre das, wenn ich in Zürich unterwegs bin. Die Leute haben Freude, wenn sie mich sehen, und bedanken sich. Ich war so lange dabei, viele Fans sind mit mir aufgewachsen. Das ist extrem schön. Klar, ich hätte mal ins Ausland wechseln können, aber ich hatte eine coole Karriere, habe alles erlebt mit diesem Club, Positives wie Negatives. Nur das Ende hätte anders ablaufen können.
Wie schauen Sie heute auf den Sommer zurück, in dem Sie keinen Vertrag mehr bekamen?
Ich sage es mal so: Ein Jährchen mehr wäre schön gewesen, weil der FCZ 2022 Meister wurde. Das wäre schon dringelegen. Aber wie soll ich sagen? Ich war hässig, weil man es anders hätte lösen können. Es fanden nie richtige Verhandlungen statt, das fand ich schade – weil ich nicht zwei Jahre dort war, sondern mein halbes Leben. Aber so ist es in der Berufswelt auch, es gibt schöne und weniger schöne Abgänge.
Nicht nur für Schönbächler selbst kam der Abgang im Juni 2021 überraschend. Gerade hatte die Fussball-EM Fahrt aufgenommen, die Schweizer Nationalmannschaft gegen Wales 1:1 gespielt, da vermeldete der FCZ das Ende der Identifikationsfigur im Verein.
Schönbächler machte der Entscheid zu schaffen, er sagte das in Interviews offen. Im «Blick» zum Beispiel erzählte er, dass es emotional wurde, als er seinen Spind räumen musste und er all die schönen Fotos von früher sah.
Mit einiger Distanz schrieb Schönbächler seine Gefühle nieder, veröffentlicht wurde der Text im März als Blogbeitrag bei Swiss Olympic. Natürlich ist der Moment ein Thema, in dem beim FCZ alles endet. Schönbächler schreibt aber auch darüber, wie er sich umorientieren musste – und darüber, wie viel Überwindung es ihn kostete, aufs RAV zu gehen.
Wie waren die Rückmeldungen auf Ihren Blogbeitrag?
Megapositiv. Viele Leute fanden das interessant und meldeten sich bei mir. Auch andere Sportler schrieben mir und stimmten mir zu. Viele aus dem Fussball haben Hemmungen, darüber zu sprechen. Die Gedanken gehen aber in vielen Köpfen herum. Wenn ich jetzt mit einem 25-jährigen Fussballer rede, sage ich ihm: «Glaub mir, schau rum, geh schnuppern, nutz die Kontakte.» Bei vielen scheitert es leider schon am Fragen. Aber vielleicht ist man am Tag X froh, wenn man mal geschnuppert hat während der Karriere.
Es ist bei den Clubs nicht immer gern gesehen, wenn Spieler zu abgelenkt sind, zum Beispiel durch ein Studium.
Wenn ein Club für 20 Spieler eine Stelle hätte für nach der Karriere, wäre das okay. Aber das hat ja keiner. Es gibt viele sehr gute Fussballer, die nebenbei eine Ausbildung machten. Wenn man aber erst mit 35 zum Studium kommt und beim Abschluss 40 ist, hat man noch nicht gearbeitet und kein Geld verdient. Das ist ein Problem. Dabei wird als Junior immer viel Wert auf die Ausbildung gelegt.
Es gibt zum Beispiel die United School of Sports, in der viele junge Fussballer eine KV-Lehre absolvieren.
Genau, und das ist ja gut von den Clubs. Aber während der Karriere … Es ist ja nicht so, dass man keine Zeit hat, nebenbei zu studieren. Darum verstehe ich es nicht. Klar, der Club möchte, dass man sich auf den Fussball konzentriert, aber ob man jetzt studiert oder sechs Stunden täglich Playstation spielt …
Hätten Sie gerne studiert?
Ich war kein Musterschüler, darum weiss ich nicht, ob das etwas geworden wäre. (lacht) Aber es muss ja kein Studium sein, es kann ja sonst etwas sein für den Kopf.
Fussball war Ihr Traum und ist immer noch Leidenschaft. Fiel es schwer, irgendwann auch die kritischen Seiten dieses Traums zu sehen?
Das konnte ich auch schon vorher. Aber bei mir lief es immer einigermassen reibungslos. Ein Spieler, der schon fünfmal den Club wechselte, wurde mehrmals damit konfrontiert, dass das Geschäft nicht immer so rosig ist, wie alle sagen. So ist es in der Berufswelt ja auch, es gibt viele Parallelen. Und es kann ja nicht immer alles schön und gut sein.
Nach einem Jahr ohne Verein zog Schönbächler den Schlussstrich und wandte sich vom Profifussball ab. Er liess sich beraten und merkte, dass er nun auf die Leute zugehen musste, um im Berufsalltag Fuss zu fassen.
Mit seinem ehemaligen Teamkollegen Adrian Winter und dem gemeinsamen Freund Giacomo Arce eröffnete Schönbächler im März 2023 eine Padel-Halle in Rüti im Zürcher Oberland, das Trio investierte viele Stunden in die Anlage und erledigte von Marketing bis zum Plattenlegen viele Aufgaben gleich selbst.
Hin und wieder steht Schönbächler auch selbst an der Bar, wenn nebenan gespielt wird. Es läuft gut in der Halle, berichtet er. Seine Hauptbeschäftigung liegt aber in einem anderen Bereich: Er arbeitet heute in einer Immobilienfirma, über einen Bekannten kam er vor rund einem Jahr zu einem Praktikum, nun ist er fest angestellt.
Wie war es, als Sie dem Fussball den Rücken kehrten?
Ich hatte das Gefühl, es würde schon ein Jobangebot auf mich zukommen, so wie im Fussball halt ständig irgendwelche Angebote kommen. Man denkt, es kommt jemand, der gelesen hat, dass du ohne Verein bist, und bietet dir einen Job an, wenn möglich noch mit super Lohn. Aber so war es definitiv nicht.
Was kam damals auf Sie zu?
Als Fussballer lebt man in einer Blase, alles wird einem gemacht, danach kommt man richtig auf die Welt. Klar, in anderen Sportarten ist das anders. Und auch im Fussball gibt es zum Beispiel in der Challenge League Spieler, die nebenbei noch arbeiten. Aber für mich war es eine Umstellung. Ich bin etwas erschrocken. Man braucht seinen Kopf mehr, nimmt Informationen auf und lernt viel. Ich bin an zwei oder drei Orten gleichzeitig tätig, komme also auf ein Pensum, das 100 Prozent übersteigt. Aber irgendwann wird sich das beruhigen.
Wie waren die ersten Wochen in der Immobilienbranche?
Zuerst schnupperte ich, es war alles easy. Dann kamen drei Monate Praktikum, jetzt bin ich angestellt. Ich hatte in dieser Branche nie eine Ausbildung gemacht, es war also alles Learning by Doing. Es ist sicher auch Charaktersache, ob man das will oder nicht. Ich eignete mir viel Wissen an. Ich muss mich gut auf die Menschen vorbereiten und klar kommunizieren.
Das war vorher anders?
Mir wurde alles abgenommen, jetzt muss ich auch mal Hilfe suchen und Leute fragen. Das fällt vielen Profisportlern schwer, weil alles für einen gemacht wird und alle etwas von einem wollen. Man darf sich aber nicht davor scheuen, Menschen um Rat zu fragen. Und schon gar nicht das Gefühl haben, als ehemaliger Profisportler ist man zu gut für etwas.
Fiel Ihnen das schwer?
Irgendwie nicht. Ich war früher eher zurückhaltend, da hätte ich keine Chance gehabt. Aber irgendwann machte es Klick. Ich war vielleicht an dem Punkt, an dem jemand nach der Lehre oder gar nach der Oberstufe steht. Nur war ich ein paar Jährchen älter. Aber das sollte ja keinen Unterschied machen.
Urs Fischer«Ich staune immer wieder, wie viele Leute sich äussern und das Gefühl haben, dass sie Bescheid wissen»