Beitragvon withe lion » 06.02.22 @ 9:41
Der Fussballer Marco Schönbächler ist seit einem halben Jahr ohne Verein. Doch aufgeben ist keine Option
Der Zürcher hat sein ganzes Leben im FCZ verbracht. Bis man ihn im Sommer nicht mehr wollte. Wie geht es ihm?
Christine Steffen
05.02.2022, 21.45 Uhr
Als Marco Schönbächler kürzlich im «Limmattaler Tagblatt» nach seinem Lieblingsort gefragt wurde, sagte er: «Urdorf.» Nicht Mykonos oder Dubai oder Zürich, wo er heute wohnt. Nein, er nannte die Gemeinde im Limmattal, in der er aufgewachsen ist, seine Familie lebt und fast alle seine Freunde. Er könne sich gut vorstellen, irgendwann wieder nach Urdorf zu ziehen, sagt Schönbächler.
Der 32-Jährige ist verwachsen mit seiner Stadt, und er war verschmolzen mit seinem Klub. Als 13-Jähriger kam Schönbächler in den Nachwuchs des FC Zürich, drei Jahre später schrieb ein Sportmagazin, er gelte als grösstes Talent, das die Schweiz je hatte, mit 17 debütierte er in der 1. Mannschaft. Eigentlich hatte sich da sein Kindheitstraum schon erfüllt. Im vergangenen Sommer erhielt er keinen Vertrag mehr, obwohl er gerne geblieben wäre.
Seine grösste Eskapade in den 18 Jahren bestand darin, sich als junger Spieler «Schönbi» aufs Leibchen schreiben zu lassen, was die Fans affektiert fanden, kurz haftete ihm der Ruf eines Schnösels an. Das ist vorbei, längst wird Schönbächler zur Klublegende romantisiert.
Als reichte es nicht, die fussballerische Ausbildung im FCZ zu absolvieren, machte er auch die Bürolehre auf der Geschäftsstelle des Klubs. Und irgendwann ging man selbstverständlich davon aus, dass er seine Karriere dort abschliessen würde. Als seltenes Beispiel von Vereinstreue, als Identifikationsfigur, wie es sie eigentlich gar nicht mehr gibt. Bis die FCZ-Führung im Sommer nach einer missglückten Saison den Umbruch plante – ohne Schönbächler.
Total überfluteter Markt
Ein halbes Jahr später ist er immer noch «vereinslos», was harmloser klingt als «arbeitslos», weil es temporärer wirkt. Bei Interesse eines Klubs kann der Status schnell wechseln. In der Theorie ist das so, in der Praxis hat Schönbächler kein Angebot erhalten , das ihn überzeugt hat, weder aus den heimischen Ligen noch aus dem Ausland. Es gebe immer wieder einmal Anfragen, sagt sein Berater Dino Lamberti. «Aber Marco macht nicht alles. Ich respektiere das.»
Neben Schönbächler sind auch Hekuran Kryeziu, Oliver Buff oder Davide Mariani arbeitslos, solide Spieler um die 30; eigentlich kein Alter, um aufzuhören. Ihre Situation ist nicht einfacher geworden, seit Ende Januar die Frist für internationale Transfers abgelaufen ist. Auch vereinslose Spieler können bis zum 1. Juli nur verpflichtet werden, wenn sie als Härtefälle gelten.
Die Pandemie habe das Geschäft «total verändert», sagt Lamberti, die Vereine sind zurückhaltend mit Zuzügen, lieber holen sie einen ausgeliehenen Spieler zurück oder geben einem aus dem Nachwuchs eine Chance, als Geld auszulegen für einen Neuzugang. Die Folgen davon spüren vor allem nicht mehr ganz junge Spieler, die zu einer mittleren Leistungsklasse zählen. Lamberti sagt: «Der Markt ist total überflutet.» Dass so viele Spieler – auch ablösefreie – verfügbar seien, habe er in seiner 20-jährigen Tätigkeit als Berater noch nie erlebt. Ausschliesslich negativ findet er die Entwicklung nicht. Er sagt: «Tendenziell waren die Spieler überbezahlt, sie hatten es zu schön. Heute müssen sie sich mehr Mühe geben.»
Manchmal trifft sich Schönbächler mit den arbeitslosen Kollegen im Gym oder sie spielen zusammen Padel-Tennis. Er sagt, die fussballerische Qualität bei ihnen allen sei ja noch da. Trotzdem sind sie plötzlich überzählig. Sie sind unvorbereitet aus dem Geschäft gefallen, haben keinen Ablösungsprozess und sich wenig Gedanken gemacht, was kommen soll. Statt eines Abschiedsspiels, das ihnen geholfen hätte, das Ende bewusst zu erleben, gab es nur ein seltsames Ausfransen. Dass einem die Entscheidung über das Karrierenende einfach so aus der Hand genommen wird, ist schwer zu akzeptieren.
Schönbächler sagt, er sei nicht bereit aufzuhören, zwei Jahre will er mindestens noch spielen, warum nicht aufsteigen mit einem Klub, oder vielleicht sogar einen Titel holen? Wenn er sich in der Vergangenheit entscheiden musste zwischen einem Angebot aus dem Ausland und dem FCZ, wählte er immer das Vertraute. Zuletzt 2018, als ihn Urs Fischer zu Union Berlin holen wollte. Schönbächler hatte gerade eine Kreuzbandverletzung hinter sich, er war sich nicht sicher, ob man ihm in Berlin die Zeit für einen sorgfältigen Aufbau geben würde.
Oft bremsten ihn Verletzungen, wenn es aussah, als sei er auf dem Absprung, aber entscheidender war sein Bedürfnis nach Sicherheit. Jetzt könnte ihn die unfreiwillige Trennung doch noch wegzwingen.
Ein einfacher Mensch
Nach den ersten Tagen des Unverständnisses über das Ende im FCZ, in denen er das Gefühl hatte, ein Teil seines Lebens würde einbrechen, spielten bald die Reflexe des Profisportlers: Schönbächler hakte ab und orientierte sich nach vorn. Er sagt: «Ich bin ein einfacher Mensch. Ich schaue von Tag zu Tag.» Er dachte an all jene, die die Pandemie schlimmer getroffen hatte und fand, ihm gehe es noch gut.
Er liess sich einen Trainings- und Ernährungsplan zusammenstellen, er geht morgens ins Gym und trainiert nachmittags mit der U 21 des FCZ. «Es gibt eine Struktur, das ist wichtig», sagt er, «sonst bleibst du zu lange wach und kommst morgens nicht gut aus den Startlöchern.»
Schönbächler ist dort wieder Teil einer Gruppe, seine Ratschläge sind gefragt bei den Jungen, ihm macht es Spass zu helfen. Aber die Spiele fehlen, die Spannung und Intensität.
Wie lange gibt er sich Zeit, um auf ein Angebot zu warten? Er lacht und sagt, das habe ihn seine Freundin auch gefragt. Eine Deadline hat er sich nicht gesetzt. Aber in diesem Monat muss etwas passieren.