Interview mit Fredy Bickel in der Aargauer Zeitung

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fischbach
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Interview mit Fredy Bickel in der Aargauer Zeitung

Beitragvon fischbach » 10.04.06 @ 11:57

«Fusion mit GC? Niemals!»

Fussball Der FC Zürich ist das Überraschungsteam der Saison. Sportchef Fredy Bickel sagt, warum der FCZ tolle Perspektiven hat

Der FCZ ist in Zürich der Klub des Herzens. Nach Jahren des Leidens erlebt der Verein in dieser Saison einen Aufschwung. Entscheidend dabei: Mit Fredy Bickel verfügt der Stadtverein über einen kompetenten Sportchef.

felix bingesser
«Tag und Nacht nur einen Gedanken, oh, oh, Basel ist am Wanken». Dieser Schriftzug prangt an der Garderobentür des FC Zürich. Nach dem 3:3 gegen YB ist der Meistertitel aber wohl kein Thema mehr?

Fredy Bickel: Dieses Plakat ist von unseren Fans. Das Thema Titelgewinn geisterte zuletzt tatsächlich durch den Letzigrund. Aber offensichtlich will die Mannschaft nicht. Wir haben in den Heimspielen gegen Schaffhausen und YB unsere gute Ausgangslage fast leichtfertig verspielt. Vielleicht waren wir mental auf diese Situation zu wenig vorbereitet. Wir hatten eine andere Zielvorgabe: Eine solide Saison, ohne Leistungseinbrüche.

Was spricht denn im Titelkampf noch für den FCZ?

Bickel: Nichts. Wir können nicht Meister werden. Basel kann den Titel nur verlieren.

Auch ohne Titel: Der FCZ ist nach Jahren der Irrungen und Wirrungen wieder auf dem Weg, eine feste Grösse im Schweizer Fuss ball zu werden. Worauf führen sie diesen Aufschwung zurück?

Bickel: Es ist schwierig für mich zu beurteilen, was in den letzten Jahren falsch gelaufen ist. Ich kam im Dezember 2003 dazu, und da war der FCZ Tabellenletzter. Damals war klar: Wir wollen eine neue Mannschaft aufbauen, wir bekommen bald ein neues Stadion, wir wollen in den nächsten Jahren immer im Europacup dabei sein. Da arbeiten wir gemeinsam darauf hin. Vielleicht kommt der Erfolg jetzt einfach ein wenig schnell. Das muss aber nicht für uns, das kann auch gegen die anderen sprechen.

Die emotionalste Komponente ist wohl der rührige FCZ-Präsident Sven Hotz, der seit mehr als zwanzig Jahren jede Saison zwei bis drei Millionen Franken in den Verein steckt. Ihm wäre ein Titelgewinn zu gönnen. Spürt man in der Mannschaft so etwas wie eine moralische Verpflichtung gegen über Sven Hotz?

Bickel: Ja, das spürt man. Es wäre toll, Herr Hotz könnte noch einen Meistertitel erleben, zumal er ja nicht mehr zwanzig Jahre Präsident sein wird. Für mich ist das auch eine ganz persönliche Geschichte. Die Situation nach meinem abrupten Abgang bei YB war schwierig. Ich habe mit vielen Vereinen Kontakt gehabt, aber ich habe überall gewisse Vorbehalte gespürt. Niemand wollte das Risiko mit Fredy Bickel eingehen. Herr Hotz kam zu mir und sagte: «Ich kenne Sie von früher. Wir beginnen bei null, Sie können mir jetzt zeigen, was Sie können.» Von diesem Vertrauen möchte ich schon etwas zurückgeben.

Hat der Aufschwung des FCZ mit der Verpflichtung von Fredy Bickel zu tun?

Bickel: Ich habe ein Gespür dafür, wie man eine Mannschaft zusammensetzt und weiterbringt. Wenn sich das, wie in unserem Fall mit Lucien Favre, ergänzt, dann ist es im Fussball wirklich möglich, eine Mannschaft aufzubauen. Davon reden viele, aber die wenigsten können es. Das gelang schon mit YB, das Zweitletzter der Nationalliga B war, als ich gekommen bin. Aber es wäre vermessen zu behaupten, der Aufschwung beim FCZ sei mein Verdienst.

Bis anhin haben die Trainer mit der Brieftasche von Sven Hotz einfach zusammengekauft, was auf dem Markt war.

Bickel: Diese Feststellung ist mir zu plakativ und zu einfach. Wichtig ist, dass ein Verein einen Sportchef hat. Jemand, der die mittel- und langfristige Entwicklung im Auge hat und der sich mit einem Trainer auseinander setzt. Diese mitunter auch kontroversen Diskussionen bringen einen Verein vorwärts.

Aber in der Schweiz gibt es ja viel zu wenig kompetente Sportchefs. Man kann ja diesen Job auch nicht lernen, es sei denn, man ist zu Übervater Erich Vogel in die Schule gegangen.

Bickel: Am Schluss trennten sich die Wege von Erich Vogel und mir ja nicht bei eitlem Sonnenschein. Aber er hat mir die Chance gegeben, dieses Geschäft zu lernen. Ich kam als Pressechef und Buchhalter zu GC. Nach drei Monaten hat mich Erich Vogel an seine Seite genommen und mir diesen Job beigebracht. Später kam noch Ilja Känzig dazu. In dieser Zeit, das muss ich rückblickend und auch dankbar sagen, gab es keinen andern Lehrmeister als Erich Vogel. Ich bin heute beim FC Zürich, Känzig hat gar den Sprung in die Bundesliga geschafft.

Aber Ihren Durchbruch haben Sie bei den Berner Young Boys geschafft.

Bickel: Bern war eine tolle Zeit. Der Verein lag am Boden, wir konnten alles von Grund auf neu aufbauen. Es war auch menschlich eine einzigartige Erfahrung. Ich hatte ein 1-Zimmer-Appartement mit einer Matratze drin. Dann fragte mich Trainer Marco Schällibaum, ob er nicht auch zu mir kommen könne. Wir stellten ein Sofa rein. Dann kam Torhütertrainer Martin Brunner und fragte, ob er nicht auch bei uns wohnen dürfe. Wir stellten ein zweites Sofa rein. Und dann kam Assistenztrainer Harry Gämperle und sagte: «Ihr wohnt alle zusammen und habt es lustig. Und ich soll jetzt ganz allein eine Wohnung beziehen.» Dann stellten wir halt noch ein weiteres Sofa in diesen einen Raum. Am Morgen mussten wir immer gestaffelt aufstehen, damit alle kurz ins Badezimmer kamen.

Das Ende, Sie haben es angetönt, war unschön.

Bickel: Ja. Es war ein Machtkampf, bei dem ich den Kürzeren gezogen habe. Es war eine schwierige Zeit, mir hat man unheimlich viel Dreck nachgeworfen und ich hatte tatsächlich Angst, dass man mir nicht nur YB, sondern grundsätzlich den Job genommen hat. Darum bin ich Sven Hotz extrem dankbar.

Bewegt man sich als Sportchef eines Profi-Fussballvereins nicht ständig in einer Grauzone?

Bickel: Es gibt halt viele Gerüchte, es gibt Wettskandale wie gerade jetzt, es gibt viele dubiose Leute in diesem Geschäft. Das ist mir bewusst. Aber die erfahrenen Leute wissen, dass alles sauber und transparent sein muss. Wenn ich bei YB wirklich einen kapitalen Fehler gemacht hätte, dann wäre ich jetzt weg vom Fenster.

Man redet immer von den strukturellen Problemen im Schweizer Fussball. Ihre Einschätzung zu diesem Thema?

Bickel: Unsere grösste Schwäche ist nach wie vor die in vielen Vereinen mangelhafte Infrastruktur. Eine Saison in der Super League kostet mindestens sechs Millionen. Und wenn man nur ein wenig an der Spitze mitmachen will, kos tet es acht, neun oder zehn Millionen. Wenn man keine perfekte Infrastruktur hat, kann kein Klub in der Schweiz mehr als fünf, sechs Millionen generieren. Jeder, der die Infrastruktur nicht hat, hat also zum vornherein ein Minus. Und beim FC Zürich wird das einfach von Sven Hotz gedeckt.

Und wer keinen Hotz hat?

Bickel: Wer keinen solchen Mann hat und über kein modernes Stadion verfügt, kann sich mittelfris tig keinen Profifussball leisten.

Was bringt denn ein modernes Stadion?

Bickel: Früher hatten wir bei GC den Leibchensponsor Beretta. Die wollten einfach auf dem Trikot sein, hatten Freude und zahlten dafür eine halbe Million Franken. Heute wollen sämtliche potenziellen Partner ganz andere Leistungen. Sie wollen ihre Kunden einladen, sie wollen Geschäftspartner treffen, sie wollen den Trainer und die Spieler nach dem Match sehen. Sie wollen, wie man so schön sagt, einen Event. So etwas ist nur mit entsprechender Infrastruktur möglich.

Der Schweizer Fussball feiert international grosse Erfolge trotz sinkender Budgets. Auch beim FC Zürich setzt man auf die Jugend und nicht mehr auf alternde Stars. Hat man aus der Not eine Tugend gemacht?

Bickel: Vielleicht ist das ein wenig Ironie des Schicksals, dass viele Vereine nur aufgrund wirtschaftlicher Zwänge eine vernünftige Politik betreiben. Aber das Dilemma bleibt: Man kann, wie in unserem Fall, noch so vernünftig wirtschaften. Ohne eine entsprechende Infrastruktur bleibt am Ende ein Loch, das es zu stopfen gilt.

Es gibt einen neuen Fernsehvertrag. Was erwartet da der FC Zürich in Zukunft an Einnahmen?

Bickel: Man hört da immer wieder Fantasiezahlen aus dem Ausland. Unser Markt spielt anders. Natürlich, eine Verdoppelung wird angestrebt. Aber ich erwarte da keine Wunderdinge. Wenn das für den FC Zürich mal eine Million Franken im Jahr geben würde, wäre das schon wunderbar.

Der FC Zürich musste in den letzten Jahren immer hinter dem Grasshopper Club zurück stehen. Findet derzeit eine Wachablösung auf dem Platz Zürich statt?

Bickel: Ich sehe die positiveren Zukunftsaussichten für den FC Zürich. Wir wollen die Nummer eins sein. Und ich spüre tagtäglich: Die Leute in der Stadt stehen hinter dem FCZ. Wenn wir einigermassen gut arbeiten, wird es schwierig für GC. Sie sind einfach nicht der Stadtklub.

Sie kamen vom dünkelhaften GC zum Arbeiterverein FCZ. Sind das nur noch Klischees oder spürt man da Unterschiede?

Bickel: Ich habe mir einen Bubentraum erfüllt und mir einen alten VW-Porsche geleistet. Ich spüre schon, wenn ich mit diesem teuren Auto ins Stadion fahre, dass es skeptische Blicke gibt. Aber es gibt für mich einen anderen wichtigen Aspekt: Wir sind im Kreis 4. Man hört und liest immer wieder, der Kreis 4 mit seiner ganzen Ausländerproblematik sei eine Katastrophe. Jetzt haben wir Leute wie Dzemaili und Stanic. Junge Leute, die in diesem Quartier aufgewachsen sind und diese multikulturelle Gegend bestens vertreten. Es sind die angenehmsten Spieler, sie sind Schweizer wie wir und sind mehr Zürcher als wir selber. Diese Jungen kommen zum FC Zürich. Die verkörpern das moderne Zürich.

Man hört immer wieder von einer möglichen Fusion mit GC, gerade weil man ja mittelfristig in einem gemeinsamen Stadion spielt.

Bickel: Da bin ich völlig dagegen. Konkurrenz tut gut. Wir können vieles gemeinsam machen, wir können gemeinsam ein Stadion vermarkten und in vielen Bereichen zusammenarbeiten. Aber eine Fusion: Nein. Wenn der neue Hardturm steht, werden wir für die Heimspiele halt über die Geleise gehen. Aber unsere Heimat bleibt der Letzigrund.

Fredy Bickel

Der 41-jährige «Säuliämter» Fredy Bickel wollte nach seiner kaufmännischen Ausbildung Journalist werden und hat bei einem Lokalradio ein Praktikum absolviert. Damals musste er ein Interview mit Schlagersänger Heino machen. Seither ist Bickel Schlagerfan und der Sänger Leonard ist Götti von einer seiner zwei Töchter. 1991 kam Bickel als Buchhalter und Pressechef zu GC und arbeitete da an der Seite von Erich Vogel. Von 1999 bis 2002 war er Sportchef bei YB und seit dem Jahr 2003 arbeitet er für den FC Zürich.


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ghettokrieger
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Beitragvon ghettokrieger » 10.04.06 @ 12:11

fredy! du bist der beste.

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Friedrich
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Beitragvon Friedrich » 10.04.06 @ 13:07

ghettokrieger hat geschrieben:fredy! du bist der beste.

Aber sein Musikgeschmack bleibt unterirdisch…
«Der hat doch einen IQ von 0,1!»
Lucien Favre über Loddar

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lini
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Beitragvon lini » 10.04.06 @ 13:19

sehr gutes Interview vo eusem fredy...FCZ FOREVER!FUSION NEVER!
EINE STADT -FCZ- EIN VEREIN

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duja
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Beitragvon duja » 10.04.06 @ 13:26

Gutes Interview!
Letzigrund

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Beitragvon zZz » 10.04.06 @ 15:04

Friedrich hat geschrieben:
ghettokrieger hat geschrieben:fredy! du bist der beste.

Aber sein Musikgeschmack bleibt unterirdisch…


Was hört er denn so?

Das Interview lohnt eine Lektüre in der Tat!
Als ich klein war, glaubte ich, Geld sei das wichtigste im Leben. Heute, da ich alt bin, weiß ich: Es stimmt.

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Brave New World
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Beitragvon Brave New World » 10.04.06 @ 15:34

zZz hat geschrieben:
Friedrich hat geschrieben:
ghettokrieger hat geschrieben:fredy! du bist der beste.

Aber sein Musikgeschmack bleibt unterirdisch…


Was hört er denn so?

Das Interview lohnt eine Lektüre in der Tat!


Schlager.

Freddy hat ein knallrotes Gummiboot


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