Die SP vollzieht eine Kehrtwende und empfiehlt das Zürcher Stadionprojekt zur Ablehnung.
https://www.nzz.ch/zuerich/die-sp-vollz ... ld.1571120Die SP vollzieht eine Kehrtwende und empfiehlt das Zürcher Stadionprojekt zur Ablehnung
Die grösste Partei der Stadt Zürich hatte versprochen, sich in Sachen Stadion neutral zu verhalten. Doch nun hat die Parteileitung anders entschieden. Derweil werden linke Politiker, die sich für ein Ja einsetzen, von Stadiongegnern als «Lügner» diffamiert.
Michael von Ledebur
12.08.2020, 22.21 Uhr
«Wir werden dem Stadionprojekt keine Steine mehr in den Weg legen.» Mit diesem Satz hatte sich der damalige SP-Präsident Marco Denoth nach der verlorenen Stadion-Abstimmung im Herbst 2018 klar positioniert. Die SP hatte das Projekt Ensemble heftig bekämpft. Die Stimmberechtigten nahmen die Vorlage mit 53,8 Prozent Ja-Stimmen-Anteil an. Es war nicht die SP, sondern die IG Freiräume Zürich-West, die die jetzige zweite Abstimmung erzwang. Sie hat das Referendum gegen den Gestaltungsplan ergriffen.
Drohende Grabenkämpfe
Bei der Beratung im Gemeinderat über den Gestaltungsplan hatte sich die SP-Fraktion noch enthalten. Nun bricht die Partei ihr Versprechen. Der Parteivorstand hat am Mittwoch überraschend die Nein-Parole gefasst. «Dass auf dem Hardturm-Areal teure Luxus-Wohnungen gebaut werden, die Stadt Profite der CS-Anlagefonds subventioniert und in Zeiten der Klimaerwärmung ein Areal von 55 000 Quadratmetern komplett versiegelt werden soll, ist und bleibt nicht nachvollziehbar.» Damit wächst das Lager der Stadion-Gegner. Bereits zuvor hatten AL und Grüne die Nein-Parole gefasst. Die übrigen Parteien und der Stadtrat empfehlen Zustimmung.
Der Entscheid ist erstaunlich, weil die SP Grabenkämpfe riskiert. Zwar scherten 2018 nur einzelne Gemeinderäte aus. Aber an der Urne nahm der Wahlkreis 4 und 5, Kernland der SP, die Vorlage an, womit klar war, dass die SP an einem grossen Teil ihrer Wählerinnen und Wähler vorbeipolitisiert hat.
Die Partei weiss natürlich um das damalige Versprechen ihres Parteipräsidenten. Das neue Präsidium, bestehend aus Liv Mahrer und Oliver Heimgartner, schreibt: «Wie nach der verlorenen Abstimmung 2018 angekündigt, verzichtet die SP bei dieser Abstimmung auf eine aktive Abstimmungskampagne.» Die SP ist also gegen das Stadion, will sich aber nicht dagegen einsetzen. Damit will die Partei dem Vorwurf entgegentreten, wortbrüchig geworden zu sein. Ob ihr dies gelingt, sei dahingestellt.
Dass es im linken Lager auch zahlreiche Befürworter des Projekts Ensemble gibt – darauf machte am Mittwoch der«linke Flügel» aufmerksam. Im Hardhof traten zwei Mannschaften mit Spielerinnen und Spielern aus elf Nationen gegeneinander an. Vor diesem telegenen Hintergrund gaben Politikerinnen und Politiker von AL, Grünen und SP Auskunft, Tenor: Der Breitensport Fussball ist ein Integrationsmotor, und er braucht den Spitzenfussball als Antrieb.
Am Mittwochnachmittag kam eine unerwartete Replik auf die Medienkonferenz. Die IG Freiräume schrieb, sie nehme mit Befremden zur Kenntnis, «dass prominente Politiker*innen aus dem linken Lager sich weiterhin für den Bau eines zweitens Fussballstadions in Zürich starkmachen. Der sogenannte ‹linke Flügel› spielt nur auf der Ersatzbank!» Er sei nicht repräsentativ für die linken Parteien und verbreite «Lügen». So stimme es nicht, dass es sich um die letzte Chance für ein Stadion handle. Und wahre Integration finde auf der Stadionbrache statt. Zum Beispiel werde dort Flüchtlingen das Klettern beigebracht. Der AL-Gemeinderat Andreas Kirstein sagte auf Anfrage, man habe offensichtlich unterschiedliche Einschätzungen. Von Lügen könne keine Rede sein.
Im stilistischen Grenzbereich
Es ist ungewöhnlich in einem Abstimmungskampf, dass der Anlass eines Komitees von einem anderen verbal attackiert wird. Nicht zum ersten Mal agiert die IG Freiräume stilistisch an der Grenze. Mitte Juli, nachdem der FC Zürich mehrere Corona-Fälle vermeldet hatte, schrieb eine Anti-Stadion-Gruppierung auf Facebook: «Ein zweites Stadion für den Corona-kranken Fussball?» Der Post erregte auch bei Kritikern des Ensemble-Projekts Abscheu.
Der Entscheid über ein Fussballstadion für 18 000 Zuschauer sowie eine Genossenschaftssiedlung und zwei Hochhäuser auf dem Hardturmareal wird am 27. September an der Urne gefällt.
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