MetalZH hat geschrieben:https://m.tagesanzeiger.ch/articles/15081893
Fussballfans stimmen Nein, Linke sagen Ja zum Stadion
Bei der Abstimmung ums Fussballstadion auf dem Hardturm-Areal bilden sich eigenwillige Allianzen. Eine Übersicht.
Die Mischung ist explosiv: Fussball, Bodenpolitik, Hochhäuser, Freiräume und viel Geld. Bei der Abstimmung um das neue Hardturm-Projekt kommt fast alles zusammen, was in der Stadt Zürich politisch zündet.
Die vielen Themen, welche die Vorlage verschweisst, führen zu eigenartigen Konstellationen. Fronten verlaufen quer durch fast alle Parteien. In beiden Lagern kämpfen Menschen miteinander, die sonst selten auf derselben Seite stehen. Parteien attackieren eigene Stadträte oder distanzieren sich von andersdenkenden Mitgliedern. Ein Überblick zur Gefechtslage, rund fünf Wochen vor der Abstimmung.
SP: Spät umgeschwenkt
Das «Ensemble» ist das Kind von zwei linken Stadträten: Hochbauvorsteher André Odermatt (SP) und Finanzvorstand Daniel Leupi (Grüne). Nach dem knappen Volks-Nein von 2013 schrieb der Stadtrat 2015 einen Wettbewerb aus. Ziel: ein Fussballstadion, bezahlt von privaten Investoren. Dies sei die letzte Chance, sagten Odermatt und Leupi.
Doch ihre eigenen Parteien konnten sie nicht überzeugen. Diesen Mai machte die SP bekannt, dass sie das Ensemble ablehnt – obwohl sie 2014 im Gemeinderat eine Querfinanzierungs-Lösung begrüsst hatte. Ende Sommer setzte die stärkste Zürcher Partei den nächsten Schlag und startete eine Initiative für ein städtisch bezahltes Stadion ohne Rendite-Hochhäuser. Ein Grossteil der Delegierten stellte sich hinter die Forderung. Gemäss SP profitieren vor allem die privaten Investoren. Auf städtischem Land dürften keine «Luxuswohnungen» entstehen.
Ganz allein muss sich André Odermatt nicht fühlen. Im Komitee «Linke Flügel» sammeln sich etwa 50 linke Ensemble-Enthusiasten, darunter auch SPler.
Grüne: Gegen Daniel Leupi
Auch die Grünen verweigern ihrem Stadtrat die Gefolgschaft. Ein Haupt-Argument der grünen Gegner ist der Erhalt der provisorischen Stadionbrache. Einige prominente Grüne machen aber beim «Linken Flügel» mit.
AL: Halb-halb
In fast gleich grosse Lager gespalten ist die AL. Daher hat sie Stimmfreigabe herausgegeben.
Bürgerliche: Fast euphorisch
Fest hinter dem Ensemble – und damit hinter dem links-grünen Stadtrat – stehen die bürgerlichen Parteien SVP, FDP, CVP und EVP. Im Stadtparlament sagten sie Ja, an den Delegiertenversammlungen bekundeten sie fast einstimmige Unterstützung: Beim Projekt handle es sich um eine ideale Zusammenarbeit zwischen Staat und Privaten.
Trotz der Euphorie gibt es bürgerliche Stadion-Skeptiker, sie haben sich im bürgerlichen Nein-Komitee zusammengeschlossen. Sechs Mitglieder zählt dieses, darunter die CVP-Nationalrätin Kathy Riklin. Viele Bürgerliche ärgern sich über die Gruppe: Diese bestehe aus Mini-Minderheiten innerhalb der Parteien. Die CVP hat sich öffentlich von Riklin distanziert.
Grünliberale: Ohne Ausnahme
Die einzige Partei, aus der sich keine Abweichler geoutet haben, sind die Grünliberalen. Die GLP hat das Ensemble durch ein Postulat mitangestossen.
Die Beteiligten: Es geht um viel
Hinter der Ja-Kampagne, die derzeit in Zürich läuft, stehen die Gewinner des Investoren-Wettbewerbs. Für sie geht es um viel Geld. Die Thurgauer Firma HRS würde Türme, Stadion und die Genossenschaftssiedlung bauen. Kostenpunkt: rund 525 Millionen Franken. Die Credit Suisse könnte die beiden 137-Meter Hochhäuser mit knapp 600 Wohnungen im Baurecht übernehmen. Die Grossbank rechnet mit einer Jahresrendite von 4,5 Prozent.
Die zwei Zürcher Fussballclubs FCZ und GC werben ebenfalls für ein Ja. Ein reines Fussballstadion habe für sie existenzielle Bedeutung, sagen sie. Und es nütze der ganzen Stadt, da Fussball die Integration fördere.
Zur Ensemble-Gruppe gehört auch die ABZ, die grösste Zürcher Genossenschaft. Sie würde die 174 gemeinnützigen Wohnungen östlich des Stadions übernehmen und beteiligt sich aktiv an der Pro-Kampagne, was linke Ensemble-Gegner befremdet. Deckung erhält die ABZ vom Dachverband der Zürcher Wohnbaugenossenschaften.
In einem separaten Komitee – «Endlich ein Fussballstadion» – sprechen sich Prominente und normale Bürger für das Ensemble-Projekt aus, darunter Beat Schlatter und Roger Schawinski.
Fans: Nicht alle dafür
GC-Fans sehnen sich nach einer Rückkehr auf den Hardturm, wo bis zum Abbruch 2007 ihr Heimstadion stand. Die FCZ-Anhänger sind sich uneinig. Für einen harten Kern gilt der Hardturm als Feindesland. Die Befürworter überzeugt hingegen die Aussicht auf Live-Spiele ohne störende Leichtathletik-Bahn.
Komitees: Von allen Seiten
Jenseits der Parteien haben sich mehrere Anti-Komitees gebildet. Trotz unterschiedlicher politischer Ausrichtung bestreiten sie gemeinsam die Kampagne «Nein zum Hardturm-Bschiss».
Als gefährlichste Gruppe gelten die Höngger «gegen Höhenwahn». Die mehrheitlich älteren FDP-Mitglieder stören sich an den zwei 137-Meter-Türmen. Diese würden das Stadtbild verschandeln. Sie wollen die Hochhäuser juristisch bis vor Bundesgericht bekämpfen. Das könnte Jahre dauern.
Dem linksalternativen Milieu entstammt die «IG Freiräume Zürich-West». Sie will die Stadionbrache retten: Zürich-West brauche solche offenen Orte. Die Anwohner aus der IG Hardturmquartier halten das Ensemble für überrissen. Eine Gruppe von Eltern fürchtet den Schatten der Türme. Und eine Vereinigung aus Bewohnern der Kreise 5 und 10 hat gerade einen Stimmrechtsrekurs eingereicht.
Es gibt aber auch Nachbarn, die das Ensemble unterstützen. Der Gruppe «Höngg sagt JA» haben sich über 100 Höngger Befürworterinnen und Befürworter angeschlossen. Man wolle keine Stadt, die stehen bleibe.
Ehemalige NZZ-Chefredaktoren
Im Abstimmungskampf spielen auch zwei frühere NZZ-Chefredaktoren mit. Felix E. Müller, langjähriger Chef der «NZZ am Sonntag», gehört zu den Höngger Turmgegnern. Ihm steht der frühere NZZ-Chef Markus Spillmann gegenüber, der als Teil der PR-Agentur KMES Partner die Pro-Kampagne mitgestaltet.
Wow, bei so vielen Parteien von Gegenern und Befürwortern, kann man nicht mal ansatzweise sagen, in welche Richtung diese Abstimmung geht. Ich habe aber irgendwie das Gefühl, dass es angenommen wird, da bereits beim knappen Nein im 2013 die meisten Gegner eigentlich nicht direkt gegen ein Stadion waren, sondern gegen die Finanzierung aus Steuereinnahmen. Hinzu kommt, dass sich die Befürworter dieses Jahr viel mehr in der Öffentlichkeit/Medien einsetzen.