Beitragvon Mido » 25.07.05 @ 15:37
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Ein neuer Prinz im Letzigrund
Dank des klaren 4: 2- Sieges ist der FC Zürich seit sieben Derbys gegen GC ungeschlagen. Mit zwei Toren und einem Assist war der junge Rafael der Matchwinner.
Von Dieter Seeger ( Bilder) und David Wiederkehr ( Text), Zürich
Leicht gebückt der Gang. Den Kopf zu Boden geneigt. Unsicher, fast ängstlich, scheu und zurückhaltend. Rafael de Araujo tritt hinter der Glastür der Letzigrund- Tribüne hervor, hinaus zu den Fans, die vor der Flachpassbar einen klaren Sieg gegen die Grasshoppers feiern. Was ihn dort erwartet, hat er nicht ahnen können.
Warum auch. Er war als junges Talent zum FCZ gekommen, als ein Juwel, das im Letzigrund geschliffen wird. Schonzeit inklusive. Und plötzlich klatschen die Fans, wenn sie ihn sehen, winken ihm zu, rufen seinen Namen. Irgendwann schmunzelt Rafael. Er, ein 20- jähriger Brasilianer, ist in Zürich angekommen. Und nun kommt er in der Menge nur langsam voran.
Logisch, denn die Zürcher Fans bestürmen den Mann des Spiels. Zwei Tore hat Rafael gegen GC geschossen: das frühe, so wichtige 1: 0 mit einem Kopfball knapp über dem Rasen, und das vorentscheidende 3: 1 – ein für den FCZ atypisches Tor, weil es brillant erspielt war. Danach bediente er mit einem weiten Pass Alhassane Keita, den zweiten überragenden Spieler, der in der 56. Minute mit dem 4: 1 den verdienten Sieg des FCZ festigte.
Nach Xavier Margairaz im Winter und Steve Von Bergen auf diese Saison hin ist Trainer Lucien Favre ein weiterer Transfer eines jungen Spielers gelungen, der für Zürich dereinst Gold wert sein könnte. Für Chiasso hatte Rafael in der vergangenen Saison 15 Tore geschossen. Nun schiesst er sich für den FCZ ein.
Den Tipp für Rafael hatte Favre von seinem Sohn Loïc erhalten, der bei Bellinzona gespielt und seinen Vater schon vor zwei Jahren auf den Chiasso- Spieler aufmerksam gemacht hatte. « Ich bin sehr zufrieden mit ihm » , sagt Favre. Wen er meint, ob Rafael oder Sohn Loïc, ist nicht ganz klar. Vermutlich beide. Damals war Rafael mit 18 Jahren noch zu jung gewesen für einen Wechsel nach Zürich. Vergangenen Mai sah sich Favre das Video eines Spiels von Chiasso mit dem überragenden Rafael an – gleich neunmal die kompletten 90 Minuten. Danach war Favre klar, dass er Rafael haben wollte. Gestern dürfte dem Trainer bewusst geworden sein, wie gut dieser Entscheid war.
Sowieso ist Favre ein Strahlemann an diesem Tag. Doch nicht nur er – ein Grossteil der 18 400 Zuschauer im Letzigrund dürfen sich freuen. Zürich schlägt im Derby die Grasshoppers und ist gegen den Stadtrivalen nun seit sieben Spielen ungeschlagen. « Ein Sieg gegen GC ist immer das Schönste einer Saison » , sagt Goalie Davide Taini, der seine Schulter kühlt und trotzdem lacht. « Und es ist noch schöner, dass wir vor GC klassiert sind. »
Details – die grossen Unterschiede
Wie lange, wird sich zeigen. Vorerst sind sie es, und das macht die Fans in der Südkurve glücklich. Allerdings mahnte Trainer Favre, dass oft Details den Unterschied ausmachen und über den Spielausgang entscheiden. So auch gegen GC.
Hätte Djemba Touré kurz nach dem 0: 1 nicht wenige Zentimeter neben das Tor geschossen, sondern getroffen, wäre das Spiel mit dem 1: 1 von vorn losgegangen. Hätte Dusan Pavlovic seine Grosschance in der 53. Minute verwertet, wären vielleicht nicht eine und drei Minuten später die Tore zum 3: 1 und 4: 1 gefallen. Oder wären Eduardo und Tariq Chihab in der Schlussphase nicht des Feldes verwiesen worden, hätte GC das 2: 4 ( das Cabanas zuvor erzielt hatte) womöglich noch aufholen können.
Weil aber der Fussball für den Konjunktiv nichts übrig hat, war es nicht der Tag der Grasshoppers, sondern jener des FCZ. Und ganz besonders der Tag des neuen Letzigrund- Prinzen Rafael.
Ein logischer FCZ- Sieg, Seite 32
Die Logik des FCZ- Sieges
Der FCZ hatte kollektive und spielerische Vorteile, die das 201. Zürcher Derby entschieden.
Das 4: 2 vor 18 400 Zuschauern gegen GC war restlos verdient.
Von Thomas Schifferle, Zürich
« War doch gut, nicht wahr? » , fragte Sven Hotz. Seine Miene liess auf den ersten Blick zwar nicht darauf schliessen, aber der Dauer- Präsident vom Letzigrund war von tiefer Zufriedenheit erfüllt. Dass er zwischendurch « fluchte » , weil seine Mannschaft nach dem 4: 1 selbstverliebt war und nicht mehr konzentriert genug zu Werke ging, spielte jetzt auch keine Rolle mehr. Sieg ist Sieg, erst recht bei dieser Kulisse, erst recht gegen GC. Seit über 25 Jahren und einem 5: 1 hat der FCZ gegen den Nachbarn nicht mehr so viele Tore in einem Meisterschaftsspiel erzielt.
Dieser Erfolg war verdient, und er hatte seine tiefe Logik. Das Spiel lief für den FCZ, im Gegensatz zum Gegner nutzte er in den entscheidenden Momenten seine Chancen, er war effizienter, individuell und von der Spielanlage her überlegen. Nicht, dass er gleich fehlerfrei gewesen wäre, aber es war ein FCZ voller Selbstvertrauen, ein FCZ, der nicht zweifelte, sondern das ausspielte, was an Klasse in ihm steckte.
Das Spiel lief also für ihn. Er ging nach zehn Minuten durch Rafael in Führung und kam schadlos davon, als Touré drei Minuten später allein auf Taini zustürmte. Er erzielte kurz vor der Pause das 2: 0, diesmal traf Nef. Im Überschwang verlor er die Konzentration, Dos Santos traf zufällig an Tourés Knie und von da ins Tor. Der Moment war kritisch, so kurz vor der Pause. Und nach 52 Minuten folgte die, im Rückblick betrachtet, wohl entscheidendste Szene überhaupt. Rogerio trickste Von Bergen elegant aus, legte den Ball quer, und Pavlovic brachte es aus fünf Metern fertig, nebens Tor zu setzen. « Und plötzlich stand es 4: 1 » , sagte GC- Trainer Hanspeter Latour später.
Der FCZ konterte seinen Gegner aus, zweimal innert rund 100 Sekunden. Das 3: 1 war ein Angriff für einen Lehrfilm, eine Passfolge von Tararache, Rafael, Cesar und Keita zurück zu Rafael, alles mit einer Ballberührung, schlicht perfekt. Das 4: 1 zeigte den unwiderstehlichen Keita, der allein die ganze GC- Abwehr überforderte.
Rafael hatte den Angriff eingeleitet. Das zweite Gegentor durch Cabanas’ Elfmeter war nur für die Statistik.
Das Hauptübel bei GC
Man dürfe diese Niederlage « nicht dramatisieren » , befand Latour. Das braucht auch er nicht, gleichwohl tut er gut daran, die richtigen Schlüsse aus diesem Spiel zu ziehen, das durch die späten Platzverweise gegen Chihab und Eduardo zusätzlich getrübt war ( siehe Kasten).
Das Hauptübel war, dass Latours Mannschaft nicht kompakt war, keine Einheit, verwundbar schon bei dem Mann, der eigentlich der neue Rückhalt sein soll. Für Fabio Coltorti begann das Spiel miserabel mit dem 1: 0, das er hätte verhindern müssen. Von da an zitterte er und liess fast jeden noch so harmlosen Ball abprallen.
Jaggy war undiszipliniert auf der linken Abwehrren Mitreski und Salatic so ungenügend wie gerade in der Schlussphase gegen Yverdon. Wobei nicht zu verkennen war, dass ihnen allen vom Mittelfeld die nötige Rückendeckung fehlte. Im Rhombus mit dem vorgelagerten Cabanas war Renggli als defensive Kraft zu überfordert, um die vielen und grossen Löcher allein schliessen zu können. Cabanas war enttäuschend und wirkungslos, abgesehen vom Elfmeter, erneut nicht im Rhythmus des Frühjahres. Vom Rest war keiner gut, kein Chihab, Dos Santos, Pavlovic, Rogerio oder Touré. Und Eduardo war ein Ausfall.
Die Klasse des FCZ
Die starken Kräfte stellte der FCZ, vor allem im Mittelfeld, vor allem in der Offensive. Tararache und Margairaz beherrschten das Mittelfeld, waren zweikampfstark und ballsicher, Di Jorio spulte rechts seine Kilometer ab, Cesar, der schlaksige Brasilianer, wies auf der anderen ch, welchen Wert er für das Team besitzt, wenn er konzentriert arbeitet. Rafael gab in der Rolle des zurückhängenden Stürmers ein Heimdebüt, wie es besser nicht sein konnte, mit zwei Toren und einem Assist, und er spielte so stark, dass Favre keinen Moment bedauern musste, wegen Dzemailis Sperre zu Umstellungen gezwungen worden zu ein. Favre hat im Moment auch keinen Grund, nächsten Samstag in Basel zur alten Besetzung mit Dzemaili im Mittelfeld, Margairaz in offensiver Rolle und Rafael auf der Ersatzbank zurückzukehren.
Blieb Keita, der nicht bloss sein Tor schoss, sondern gleich zwei vorbereitete. Er war der Sprinter mit Übersicht, den die GC- Abwehr nie unter Kontrolle bekam. Auch Keita war so gut, dass Tainis Fehlgriff beim 2: 1, von Bergens zwei, drei Patzer und das zwischenzeitige Nachlassen nach dem 4: 1 ohne weitere Folgen blieben. « Es war einfach fantastisch » , bilanzierte Favre. Und Hotz freute sich auf einen ruhigen Abend daheim.