Beitragvon tadaeus » 11.02.24 @ 10:49
Vorhin in der NZZ entdeckt:
Der FCZ und seine Trainer: Glaube, Liebe und ganz, ganz, ganz grosse Gefühle
Im FC Zürich kündigt sich der nächste Trainerwechsel an, und wieder geht ein Coach, der eine Wunschlösung war und perfekt passte. Von Challandes bis Henriksen – eine Geschichte von Emotionen und Enttäuschungen.
Benjamin Steffen, Christine Steffen, Stephan Ramming
09.02.2024, 16.45 Uhr 7 min
Als Bo Henriksen am Freitagmittag den Medienraum verlässt und die Mikrofone und Kameras ausgeschaltet sind, erklärt der Trainer des FC Zürich den Medienleuten, was gerade nicht stattgefunden hat: eine Beerdigung.
«Hey, it’s not a funeral!», ruft der Däne und geht. Offenbar hat er den Eindruck gewonnen, es habe eine Abdankung stattgefunden – seine eigene als FCZ-Trainer. Dabei ist er quicklebendig, er hat den «happy Bo» in Höchstform gegeben: als FCZ-Glücklichmacher.
Der FCZ ist gerade nicht so glücklich. Sportlich ist er in der Krise, der Umbau des Klubs verursacht Unruhe. Am Mittwoch verschickte der Präsident Ancillo Canepa die Mitteilung mit dem Inhalt, der nach wochenlangem Hin und Her keine Überraschung war: Klub und Trainer trennen sich Ende Saison. Wer wen verlässt, ist nicht so klar.
Klar ist nur, dass die Trennung früher vonstattengeht, wenn die Punkte ausbleiben. Für Henriksen ist das kein Thema. Er spricht lieber von der Vorfreude, nach dem Derby-Sieg am Samstag gegen GC ein Bier zu öffnen. Er schwärmt vom Cup-Final, obwohl der FCZ erst im Viertelfinal steht. Man trennt sich und feiert Party, nicht Beerdigung.
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Lucien Favre, der Trainer, der den FCZ verliess, obwohl er bleiben wollte
Immer Emotionen, immer Übersteigerung: Der Eindruck passt zum FCZ und zur jüngeren Geschichte mit seinen Trainern. Als Bernard Challandes gehen musste im Frühling 2010, flimmerte über die Bildschirme im Letzigrund ein Filmchen von Challandes’ Zeit beim FCZ. Meister-Jubel 2009, etwas rührselig, mit der Anmutung einer Beerdigung, als hätte der FCZ nicht einen Coach entlassen, sondern ihn verloren.
Challandes war der erste Trainer, den der Präsident Canepa angestellt hatte. Der FCZ präsentierte ihn Mitte Juni 2007, Canepa erzählte von 21 Bewerbungen und sagte: «Er war unser Wunschtrainer, von Anfang an.» Abgesehen natürlich von Lucien Favre, dem Meistertrainer 2006 und 2007, den der FCZ gern behalten hätte, aber kurz zuvor verloren hatte.
Canepa schilderte, dass er von Favre per SMS über das Interesse von Hertha Berlin informiert worden sei; dass Favre geschrieben habe, er habe keine Lust, den FCZ zu verlassen. Erst via Medien soll der FCZ erfahren haben, dass Favre für Verhandlungen nach Deutschland geflogen war. Auch das Interesse am Assistenztrainer Harald Gämperle irritierte den FCZ, «offensichtlich herrschen in der Bundesliga andere Sitten», sagte Canepa.
Der FCZ der Ära Canepa sollte noch einiges lernen in den nächsten anderthalb Jahrzehnten über andere Länder, andere Sitten – und vielleicht über sich selber, weil er ganz eigene Sitten entwickelte. Mit Trainern ging es oft um grosse Emotionen und volle Hingabe, am Ende um Enttäuschungen und gegenseitige Irritationen, und ganz, ganz, ganz sicher, zu 200 Prozent, um Übertreibungen.
Urs Fischer, der Trainer, den der FCZ entdeckte und verkannte
Auf Challandes folgte die Klublegende Urs Fischer. Ihn beförderte der FCZ aus dem eigenen Nachwuchs. Es war der zweite Trainer, den Canepa anstellte. Er sagte trotzdem schon: «Ich war mir noch nie so sicher, mit einem Trainer die richtige Wahl getroffen zu haben.» Und: «Nach dieser Vorbereitungsphase bin ich zu 200 Prozent von Fischer überzeugt.»
Zwei Jahre später musste Fischer gehen, schwer ernüchtert, in einem Unfrieden, wie er selten vorkommt in einer Beziehung zwischen Klub und Legende. Als Fischer später immer mehr Anerkennung fand, in Thun und Basel und vor allem bei Union Berlin, durfte sich Canepa als Fischers Entdecker verstehen. Und dass er ihn entdeckt, später aber verkannt hatte, liess sich im FCZ damit erklären, dass Fischer noch ein unreifer Trainer gewesen war.
Nach Fischer kam Rolf Fringer, ein reifer Trainer, aber mit ähnlichem Weg: von grosser Liebe zu tiefer Abneigung. Fringer war zuvor an elf verschiedenen Orten Trainer gewesen, doch den FCZ bezeichnete er als «Traumklub». Diesmal sollen über 50 Trainer angeboten worden sein, zuoberst auf der Liste, von Anfang an: Fringer. Nach 19 Spielen unten durch: Fringer. Das Verhältnis Wunschtrainer/Traumklub endete vor Gericht.
Danach: Urs Meier, gern unterschätzt, als Spieler, als Trainer. Auch ihn beförderte der FCZ aus dem eigenen Nachwuchs. Meier führte den FCZ zum Cup-Sieg 2014, doch in Erinnerung ist nicht weniger, wie er im Frühling 2015 den Goaliewechsel von David Da Costa zu Yannick Brecher moderierte. «Er war in vielen Spielen nicht so gut», sagte Meier über Da Costa. Ein paar Minuten später: «David war ein Goalie, der seine Sache gut machte.» Das Ehepaar Canepa habe Meier alleingelassen, hiess es damals.
Und ganz, ganz, ganz allein, nämlich entlassen, war Meier vier Monate später, nach drei Runden der Meisterschaft 2015/16.
Sami Hyypiä, der Trainer, den die Spieler nicht mehr wollten
Früher oder später liess sich im Canepa-FCZ ein System erkennen: Eine Trainerwahl war oft eine Reaktion auf den Coach, der den Klub hatte verlassen müssen. Auf den Nachwuchstrainer Meier folgte eine Persönlichkeit aus der grossen Fussballwelt: Sami Hyypiä, als Spieler Champions-League-Sieger, als Trainer kurz in der Bundesliga, aber mit wenig Erfahrung. Beim letzten Arbeitgeber vor dem FCZ, Brighton, hatte er von 22 Meisterschaftsspielen 3 gewonnen. Aber Canepa sagte: «Hyypiä hat Carte blanche.»
Die Freifahrt führte zum Abstieg. Hyypiä beklagte die Genügsamkeit der Spieler, die sich vor den Kopf gestossen fühlten, weil er viel Arbeit forderte und wenig Humor zeigte. Damals schien jegliche Freude aus dem Klub zu schwinden. Keine Trennung war so entwürdigend wie der Abschied von Hyypiä. Er stellte dem Team die Vertrauensfrage, die Spieler berieten sich, senkten den Daumen.
Nachfolger: Uli Forte, der drei Jahre zuvor mit dem Stadtrivalen GC Cup-Sieger geworden war und am 1. Juni 2013 über GC gesagt hatte: «Wir haben in dieser Saison ein Fundament gelegt, jetzt bauen wir weiter» – und am selben Tag als neuer YB-Trainer präsentiert worden war.
Als ihn der FCZ präsentierte, sagte Canepa: «Ich hatte sofort einen Namen im Kopf.» Forte übernahm am 13. Mai 2016, exakt zehn Jahre nach dem legendären FCZ-Meistertitel in Basel. In diesen Tagen fand im Volkshaus ein Jubiläumsfest statt mit Konzerten, Videoschaltungen und so weiter, alles war irgendwie typisch FCZ, emotional aufgeladen, nostalgisch, nett, chaotisch, Abstieg, Cup-Sieg.
Forte begleitete den FCZ durch die Challenge League, stieg wieder auf und führte ihn in der Super League unter die Spitzenteams zurück, und doch musste er 2018 Platz machen, dem nächsten Gegenentwurf, dem nächsten Trainer aus dem eigenen Nachwuchs, Ludovic Magnin. Er galt als Ziehsohn von Heliane und Ancillo Canepa, «wir haben eine sehr persönliche Beziehung», sagte der Präsident. «Mit den Canepas kann ich sein, wie ich bin», sagte Magnin.
Auch Magnin brachte dem FCZ einen Cup-Sieg, aber wenig Konstanz. Ihn ersetzte 2020 Massimo Rizzo, auch er: mit FCZ-Herz, aber ohne Charisma, so, wie er war. «Soll ich wieder eine langweilige Antwort geben?», fragte Rizzo einst zurück.
André Breitenreiter, der ein Kind der Bundesliga war, kein Ziehsohn des FCZ
Danach, die Rückkehr der Bundesliga: André Breitenreiter, Spieler im Hamburger SV, Trainer bei Schalke. «Wir bleiben schön demütig, wir wissen, wo wir herkommen», sagte Breitenreiter langweilig, bis die Zürcher 2022 an einen Ort hingekommen waren, wo sie nicht mehr einzuholen waren, auf den ersten Platz.
«Ich habe die Zeit beim FCZ nicht nur genossen, ich habe sie geliebt!», sagte der Meistertrainer Breitenreiter am Freitag in den Tamedia-Zeitungen. Aber die Zeit endete mit der Symbiose all der Trainer-Klub-Beziehungen der letzten 15 Jahre: mit den Sitten der Bundesliga und den Sitten, die sich der FCZ angeeignet hatte.
Canepa sagte, er «schliesse es eigentlich aus», dass Breitenreiter nach Deutschland zurückkehre – «André ist gescheit genug, dass er sicher nicht zu Hertha gehen würde.» Doch am Tag des letzten Meisterschaftsspiels sagte Breitenreiter, ein Kind der Bundesliga, kein Ziehsohn des FCZ, dass er nach Hoffenheim wechsle. Ein Favre-Wechsel light, 15 Jahre später.
Es kam Franco Foda, von dem bis heute niemand weiss, was er hätte sein sollen, Kopie oder Gegenentwurf. Aus den 200 Prozent, mit denen Canepa einst an Fischer geglaubt hatte, war die Hälfte geworden. Er sagte: «Ich bin zu 100 Prozent überzeugt: Franco Foda passt perfekt zum FC Zürich.»
Es ging keine drei Monate, bis Foda nicht mehr passte, und als im Herbst 2022 der Nachfolger kam, Bo Henriksen, sagte Canepa, von ihm sei er zu 100 Prozent überzeugt. Und später in der «NZZ am Sonntag»: «Wir spürten bald, dass er perfekt zum FCZ passen könnte, er war unsere Wunschlösung.» Der Journalist entgegnete: «Genau das Gleiche sagten Sie über Franco Foda.» Canepa: «Eine Garantie, dass es gut kommt, gibt es nie. Das ist auch bei einer Heirat so.»
Glaube, Liebe, Heirat. Grosse Gefühle, FCZ pur.
Nachdem Anfang August 2023 Breitenreiters Aussagen die Runde gemacht hatten, er habe frühzeitig erkannt, dass «der Erfolg in Zürich als selbstverständlich hingenommen wurde. Der Verein war nicht bereit, für den nächsten Schritt zu investieren», da sagte Canepa zu «Blick»: «Wäre er beim FCZ geblieben, hätte er heute zumindest noch einen Job.»
Wer weiss. Gewiss, Breitenreiter hat seit der Entlassung in Hoffenheim keinen Job. Aber: Hyypiä war seit der Entlassung im FCZ nirgends mehr Cheftrainer. Fringer: seither nirgends mehr Cheftrainer. Auch Foda: seither nirgends mehr Cheftrainer, vielleicht bald in Kosovo. Rizzo trainierte nicht wieder einen Klub, er arbeitet heute im Verband. Meier trainierte noch Rapperswil, aber seit fünf Jahren ist auch er ohne Trainerjob.
Über wen sagt das mehr aus: über die Trainer oder über den FCZ?