CT hat geschrieben:https://www.sueddeutsche.de/sport/thomas-tuchel-fc-bayern-muenchen-tsv-krumbach-1.6219316?reduced=true
jemand ein abo und wär so nett? intressiert mich na zimmli.
Süddeutsche Zeitung
23.09.2023 00:00
HEIMAT VEREINE
„Tuchel? Dazu wollen wir nichts sagen“
Der TSV Krumbach ist Thomas Tuchels Heimatverein, doch davon will hier niemand etwas wissen. Woran liegt das?
Kaum eine Fußballerkarriere beginnt in der F-Jugend eines Profiklubs – die allermeisten starten bei einem kleinen Verein in der Nachbarschaft, bevor der Wechsel in ein Nachwuchsleistungszentrum ansteht. Die SZ hat die Heimatvereine prominenter Fußballerinnen und Fußballer, Trainer und Manager besucht. Teil 4: der TSV Krumbach und Thomas Tuchel.
Es wirkt ein bisschen wie der Anfang eines Horrorfilms – keiner im Ort will mehr über die Sache von vor vielen Jahren reden. Egal, mit wem man spricht: Sobald es um Thomas Tuchel und den TSV Krumbach geht, brechen alle das Gespräch ab. „Das Einzige, was ich dazu sagen kann, ist, dass sich niemand mehr dazu äußert“, teilt ein Abteilungsleiter des Vereins per Whatsapp mit. Keine Fragen, keine Antworten, kein Kommentar. Ob alte Vereinsvorstände oder Trainer: Niemand spricht hier gern über die Zeit von Thomas Tuchel beim TSV Krumbach.
Woran liegt das? Tuchel hat immerhin neun Jahre lang beim TSV gespielt, seine Eltern wohnen noch immer in Krumbach. Vater Rudolf war damals als Trainer der Jugendmannschaft aktiv, seine gesamte Kindheit hat der spätere Welttrainer hier verbracht. Mit der Schulmannschaft seines Gymnasiums in Krumbach, in der auch ein Großteil seiner Mannschaftskollegen spielte, wurde er 1987 sogar deutscher Meister. Als Jugendlicher soll Tuchel aber auch ins benachbarte Ulm gefahren sein, wenn er am Wochenende ausgehen wollte. „Schicki-Micki-Thomas“ lautete damals sein Spitzname. Schon auf früheren Vereinsfeiern habe Tuchel keinen Alkohol bestellt, nur Wasser oder Spezi.
„Da haben sich einfach beide Seiten voneinander entfernt“, sagt Markus Böker. Der 49-Jährige hat von der F-Jugend bis zur C-Jugend zusammen mit Tuchel gespielt. Er ist der Einzige, der nach längerem Hin und Her zusagt, ein paar Sätze über die gemeinsame Zeit preiszugeben. „Der war immer fokussiert und extrem motiviert“, erinnert er sich. Schon bei seinen fußballerischen Anfängen habe man gemerkt, dass der damalige Libero mehr vom Fußball verstehe als andere Jugendspieler: „Thomas war mit seiner fußballerischen Kenntnis den anderen voraus.“
Dieses Interesse an Taktik und Formationen führte letztendlich dazu, dass Tuchel sich nach seinen Stationen als Spieler beim FC Augsburg, den Stuttgarter Kickers und dem SSV Ulm dazu entschied, Trainer zu werden. Nach einem irreparablen Knorpelschaden 1998 war seine Karriere als Zweit- und Drittligaspieler jäh beendet. Nach Krumbach kehrte er deshalb nicht zurück. Seine Laufbahn als Jugendtrainer startete beim VfB Stuttgart.
Der weitere Verlauf von Tuchels Karriere ist bekannt. Champions-League-Sieg, Fifa-Welttrainer und jetzt Cheftrainer beim FC Bayern - all das hat man auch in Krumbach mitbekommen. „Es gibt sicher ein paar alte Mitspieler, bei denen Neid eine Rolle spielt“, sagt Böker. Um eine Karriere wie die von Tuchel hinzulegen, brauche es Fleiß, Können – aber auch Glück. „Dass dann der Trainer von Mainz plötzlich gefeuert wird und der Thomas bereitsteht, da muss man auch Glück für haben.“ Er spielt auf Tuchels ersten Job als Bundesligatrainer an: Nach internen Streitigkeiten und dem Aus im DFB-Pokal löste Tuchel noch vor dem ersten Spieltag Jörn Andersen als Cheftrainer in Mainz ab.
Nach seinem Aufstieg zum Bundesligatrainer schottete Tuchel sich immer mehr von der Öffentlichkeit ab. Sein Privatleben bleibt weitestgehend unbekannt. Das letzte Mal, dass Thomas Tuchel öffentlich in Krumbach auftrat, war bei einer Autogrammstunde im Jahr 2009. Zu seinem alten Verein brach der Kontakt ab, Veranstaltungen oder Spiele seines Heimatklubs mied er. Zum 75. Geburtstag des TSV hinterließ er eine Videobotschaft, die lediglich einen Satz lang ist. Andere berühmte Personen des Orts wie Claudia Roth oder Theo Waigel kommen persönlich vorbei. Und auch alte Weggefährten kritisieren ihn öffentlich, in Lokalzeitungen wird er als arrogant und distanziert bezeichnet.
Auf dem Vereinsgelände weist ebenfalls wenig auf die gemeinsame Vergangenheit hin. Wo bei anderen Vereinen Fotos, Urkunden oder Trikots im Vereinsheim hängen, fehlen beim TSV Erinnerungen an Thomas Tuchel. Die Gaststätte verspricht Biergartenbetrieb, gutbürgerliche Küche, den erfolgreichsten Fußballer des Dorfs sucht man hier vergeblich. Im Ortskern warb ein Wettanbieter vor seiner Schließung lange mit bekannten Fußballern, Tuchel fehlte auf dem Plakat.
Dass aber selbst Vereinsvorstände losgranteln, sobald man sie auf den Trainer anspricht, hat noch einen anderen Grund. Im Jahr 2018, Tuchel hatte gerade bei Paris Saint Germain angeheuert, wollten französische Medien die Vergangenheit des damals im Ausland noch unbekannten Trainers aufarbeiten. Die Zeitung L’Équipe schickte den international bekannten Reporter David Fioux samt Fotografen in die mittelschwäbische Provinz. Auch sie versuchten, Details über die gemeinsame Zeit herauszukriegen. „Da waren der Reporter aus Frankreich, davor schon mal ein Kamerateam von Sky, die haben alle die gleichen Fragen gestellt“, sagt Böker. „Danach haben wir von denen nie wieder was gehört oder die Artikel lesen können.“
Fioux hat damals ebenfalls das Vereinsgelände abgeklappert, Tuchels alter Sportlehrer stand ihm dabei zur Seite. Auf die Frage, ob es irgendein Symbol im Verein gäbe, das man sofort mit Tuchel in Verbindung bringe, hatte dieser eine simple Antwort parat: „Nein.“
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