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MetalZH
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Re: Medien

Beitragvon MetalZH » 05.11.23 @ 17:10

neinei hat geschrieben:Könnte jemand den Tagibericht reinstellen? Dankemerci!


Als der Trainer leise wird, ist es mit dem FCZ vorbei
Die erste Niederlage der Saison: Der FC Zürich verliert zuhause gegen Servette nach einer schwachen Leistung 0:2.
Nicolas Kaiser, Fabian Sangines

Natürlich, niemand wird gerne angeschrien, aber es gibt Menschen, für die ist das nun mal eine Art konstruktive Kritik – so lautstark sie auch sein mag. Bo Henriksen gehört offenbar zu ihnen, auch deshalb soll der FCZ-Trainer in Dänemark Kultstatus geniessen. So heisst es zumindest in dessen Heimat. Oft, sehr oft, tigert dieser Mann mit der so kräftigen Stimme in seiner Coachingzone herum. Setzt er sich hin, ist das oftmals kein gutes Zeichen.

So auch in der zweiten Halbzeit gegen Servette, rund eine Viertelstunde ist da gespielt. In der ersten Halbzeit stand er eigentlich durchgehend, gestikulierte wild herum, schimpfte immer mal wieder mit seinen Spielern. Und nun? Sitzt er da, als wüsste er, dass sein Team gleich das 0:2 kassieren würde. Dass Timothé Cognat nach einem Eckball unbedrängt flanken darf, dass Lindrit Kamberi unter dem Ball durchspringt – und dass Steve Rouiller aus kurzer Distanz zwischen den Beinen von Yanick Brecher hindurch trifft.

Der Meister erobert die Tabellenspitze zurück

Spätestens ab da wird auch dem letzten Optimisten der 12’910 tapferen Anwesenden im eiskalten, windigen und verregneten Letzigrund bewusst, dass es das gewesen sein wird mit der Tabellenführung. Vorerst zumindest. Wegen dem 4:1-Sieg der Young Boys in Winterthur steht der Meister wieder an der Spitze.

Zumindest von der Tribüne aus ist Henriksens Reaktion auf dieses 0:2 nicht zu vernehmen, ganz anders war das während der Halbzeitpause. Die Schalldämpfung der Kabinen ist für seine Stimme nicht stark genug, so kann im Medienraum jeder hören, wie unzufrieden er mit der ersten Halbzeit sein muss. 0:1 steht es da, weil früh im Spiel Chris Bedia und Dereck Kutesa die FCZ-Verteidiger Kamberi und Silvan Wallner narren, nach Kutesas hübschem Pass mit der Ferse trifft Bedia zur Genfer Führung, gespielt sind noch keine vier Minuten. Zur Geschichte gehört aber auch, dass die Zürcher da schon hätten führen können, Bledian Krasniqi entwischt nach 20 Sekunden Servettes Abwehr, auch er tut das ganz ansehnlich, scheitert mit seinem Schuss aber am Genfer Goalie Joël Mall.

Es ist der Beginn einer sehr unterhaltsamen Startphase zwischen zwei Teams, die durchaus verdient in der oberen Tabellenregion angesiedelt sind. Unlängst wurde Servette von Mario Frick ja zum legitimisten YB-Herausforderer erkoren. Es gibt immer wieder Ansätze, die erahnen lassen, wie Luzerns Trainer auf diese Idee kommen konnte.

Gegen den Ball sind die Genfer kompakt, mit dem Ball gelingen ihnen immer wieder sinnvolle Kombinationen, dem FCZ hingegen fällt eher wenig ein. Er wird immer schwächer. Vielleicht tobt Henriksen deshalb Mitte der ersten Halbzeit, hüpft, gestikuliert, ärgert sich über einen einfachen Fehler im Spielaufbau. Aber immerhin, da reagiert er noch, die zweite Halbzeit ist er kaum mehr zu hören, je länger je mehr hat sein Anblick etwas Resignierendes. Kurz vor Schluss kommt Kamberi zum Kopfball, für Mall ist das kein Problem. Mehr kommt nicht mehr, auch wenn Servette die Nachspielzeit in Unterzahl spielen muss, weil Miroslav Stevanovic nach einem groben Foul vom Platz gestellt wird. Henriksen regt sich kurz auf und setzt sich danach wieder hin. Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als die erste Niederlage der Saison zu akzeptieren.
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MetalZH
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Re: Medien

Beitragvon MetalZH » 05.11.23 @ 17:13

neinei hat geschrieben:Könnte jemand den Tagibericht reinstellen? Dankemerci!


Der FCZ fällt zurück auf den Boden der Realität
Mit dem 0:2 gegen Servette endet eine beeindruckende Zürcher Serie. Die Niederlage ist nach zuletzt sinkenden Leistungen logisch – für den Trainer dennoch ein Tiefpunkt.
Fabian Sangines

Es ist verständlich, dass Bo Henriksen gerade an vielen Orten lieber wäre als im Medienraum des Letzigrunds. Er reisst sich auch kein Bein aus, um das zu verstecken. Die übliche Medienkonferenz kurz nach Spielschluss läuft noch, als er die Lesebrille aufsetzt, seine beiden Handys auf den Tisch legt, eines davon in die Hand nimmt und sich darauf konzentriert. Immerhin kaschiert das seinen Gesichtsausdruck, dieses 0:2 gegen Servette nimmt ihn sichtlich mit.

Das hat mehrere Gründe. Zum einen müssen sie sich beim FCZ erst mal wieder an dieses Gefühl gewöhnen, wie es ist, ein Spiel zu verlieren. Fast ein halbes Jahr ist es her, dieses 2:3 gegen Lugano von Ende Mai. Danach haben die Zürcher 15 Matches bestritten, plus eine Handvoll Testspiele. Nun reisst diese Serie. Wie er damit umgehe, wird Henriksen gefragt. Er fasst sich ans Herz, verzieht das Gesicht, stöhnt leicht gequält, leicht ironisch und sagt: «Ich werde wohl nicht so viel schlafen.» Das meint er eher scherzhaft, danach wird er wieder ernst: «Mir geht es um die Art und Weise.»

Die schlechteste Leistung der Saison

Ein paar Minuten zuvor bezeichnete er noch den Auftritt seines Teams als den schlechtesten der Saison. «By far» – mit Abstand.

«Vielleicht», mutmasst der dänische Trainer, hätte das Ganze einen anderen Lauf genommen, wenn Bledian Krasniqi seine Chance genutzt hätte. 30 Sekunden waren gespielt, als der den Ball mit der Hacke mitnimmt, in Richtung Servette-Tor loszieht, dann aber an Goalie Joël Mall scheitert. Dann dieser frühe Rückstand nach vier Minuten, «er killte unseren Gameplan». Das wars dann mit den Ausreden.

Es ist sein Job, zu erkennen, dass seine Spieler sich beim 0:1 durch Chris Bedia etwas cleverer hätten anstellen können. «An der Seitenlinie hat das begonnen. Da muss der Ball weggekickt werden – und der gegnerische Spieler gleich mit», findet Henriksen. Er mag recht haben, für den neutralen Fussballfan wäre es allerdings schade gewesen, wenn diese hübsche Kombination zwischen Beda und Dereck Kutesa zerstört worden wäre.

Antonio Marchesano rechnet gut vor, dass er und seine Kollegen danach ja noch 90 Minuten Zeit gehabt hätten, um das Ganze wieder geradezubiegen. Doch bis auf ein paar gute Ansätze zu Beginn gelingt dem FCZ herzlich wenig, obwohl er viel im Ballbesitz ist. 59 Prozent der Spielzeit, um genauer zu sein, die Zürcher wissen aber herzlich wenig damit anzufangen. «Sie gaben uns den Ball», sagt Henriksen, «aber wir hatten zu wenig Qualität.» Das ärgert ihn, weil er nicht das Team gesehen habe, das er sonst kenne.

Untypisch ist es nicht für ihn, dass er deshalb in der Halbzeitpause laut wird. Sehr laut, wer im Innern des Stadions ist, hört das ziemlich gut. Dabei fallen auch nette Sätze wie in etwa: «Ich liebe es immer noch, mit euch zu arbeiten.» Dann folgt das grosse Aber: «Jetzt muss es besser werden!»

Das wird es kaum, stattdessen folgt das 2:0 für die Gäste nach einer knappen Stunde. Spätestens ab da ist es vorbei mit der Zürcher Gegenwehr. Es ist fast schon erschreckend, wie wenig danach von dem Team kommt, das bis dahin immerhin neun Spieltage der aktuellen Super-League-Saison als Tabellenführer abschloss. «Wir haben alles vermissen lassen, was uns zu Saisonbeginn stark gemacht hat», findet Goalie und Captain Yanick Brecher. Die Zeitspanne wählt er wohl bewusst, denn für ihn habe sich diese Niederlage zuletzt etwas abgezeichnet. Auf das gute 0:0 auswärts gegen YB folgten zwei schwache Auftritte gegen Stade Lausanne-Ouchy und Bellinzona (Cup), das 0:2 gegen Servette ist deshalb eine logische Konsequenz.

Brecher will sie auch nicht mit der Absenz von Fabio Daprelà und Nikola Katić entschuldigen, obwohl die beiden zuletzt so soliden Abwehrspieler gerade bei den Gegentreffern schmerzlich vermisst wurden. Andererseits ist es mit Lindrit Kamberi ausgerechnet die letzte verbleibende Stammkraft der defensiven Dreierkette, die beim 0:1 abgeschüttelt wird und beim 0:2 durch Steve Rouiller unter dem Ball durchspringt.

Damit endet die schöne Zürcher Serie, daran ändert auch die Rote Karte gegen Miroslav Stevanovic nach hässlichem Foul an Ifeanyi Mathew kurz vor Schluss nichts. Die Tabellenführung ist wegen YBs 4:1 in Winterthur auch weg, «jetzt sind wir zurück auf dem Boden der Realität», resümiert Brecher. Trotzdem bleibt Henriksen stolz auf seine Spieler, es ist ihm wichtig, das zu betonen. Dann ist die Medienkonferenz vorbei, Henriksen umarmt kurz Konkurrent René Weiler und verschwindet dann ganz schnell.
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neinei
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Re: Medien

Beitragvon neinei » 05.11.23 @ 17:27

MetalZH hat geschrieben:
neinei hat geschrieben:Dankemerci!


MetalZH hat geschrieben:
neinei hat geschrieben:Dankemerci!
Officer Jon Baker: I'd like to nominate my partner, Frank Poncherello.

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Z
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Beitragvon Z » 18.11.23 @ 8:38

Hat jemand einen guten Paywall Bypass oder Remover für Blick.ch..?
(12ft funzt leider nicht…)

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mitleser
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Beitragvon mitleser » 18.11.23 @ 9:24

Z hat geschrieben:Hat jemand einen guten Paywall Bypass oder Remover für Blick.ch..?
(12ft funzt leider nicht…)


https://1ft.io/

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Ruud Gullit
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Re: Medien

Beitragvon Ruud Gullit » 26.11.23 @ 9:07


Dem FC Zürich gelingt mit dem 3:1 gegen den enttäuschenden Meister YB ein grosser Sieg


Die Young Boys schwächeln vor dem Champions-League-Match gegen Roter Stern Belgrad. Der FCZ zeigt eine reife Leistung und ist neuer Leader.
Stephan Ramming, Zürich 25.11.2023, 21.38 Uhr

Das Tor zum 3:1 in der Nachspielzeit: FCZ-Spieler Bledian Krasniqi trifft gegen YB-Goalie Anthony Racioppi.
Ennio Leanza / KEYSTONE

9 Minuten Nachspielzeit zeigt der Schiedsrichter an, aber Ancillo Canepa hält es schon lange fast nicht mehr aus in der Coaching-Zone. Der FCZ-Präsident hat mit dem Schiedsrichter diskutiert, den FCZ-Trainer Bo Henriksen beruhigt, sich abgewendet, wenn YB in Ballbesitz gewesen ist. Dann wird der Präsident erlöst. Der eingewechselte Bledian Krasniqi erobert den Ball vor dem FCZ-Strafraum, ein Pass, ein langer Lauf, 3:1. Der Letzigrund bebt, wie er schon lange nicht mehr gebebt hat.

YB-Goalie Racioppi verteilt Geschenk

Es ist das Ende eines hochklassigen Matches, in dem die Zürcher die bessere Mannschaft gewesen sind als die Young Boys, die fast alles in Bern gelassen haben, was sie zum dominierenden Team der letzten Monate gemacht hat: Biss, Hunger, Genauigkeit. «Wir machen Dinge, die wir im Training gar nie geübt haben», sagte YB-Verteidiger Loris Benito nach dem Spiel.

YB-Goalie Anthony Racioppi ist es, der schon in der 6. Minute Dinge tut, die nicht auf dem Übungsplan für Torhüter steht: Er spielt einen schlechten Pass ins Zentrum, den Abschluss von FCZ-Stürmer Jonathan Okita müsste Racioppi abwehren. YB-Trainer Raphael Wicky sprach von einem «Geschenk» und summierte Racioppis Aussetzer unter «die vielen Eigenfehler», die am Ende zur Niederlage führten.

Die frühe Führung hat dem FCZ in die Karten gespielt, das 2:0 von Abwehrchef Nikola Katic nach knapp einer halben Stunde verbessert die Ausgangslage für den FCZ nochmals: Die Zürcher überlassen den Bernern den Ball, verteidigen nur bei Meschack Elias Anschlusstreffer nachlässig und sind in den entscheidenden Momenten aggressiver und gedankenschneller.

Auch in der Schlussphase gelingt es den Bernern nicht, eine Chance zum Ausgleich zu erzwingen. Krasniqis Siegtreffer ist das Abbild der ganzen Partie: Der FC Zürich ist der grosse Sieger des Spitzenspiels und führt die Tabelle an. YB muss am Dienstag ein ganz anderes Gesicht zeigen, wollen sie in der Champions League gegen Roter Belgrad bestehen.
Henriksen von ganz unten nach ganz oben

Für den FCZ stellt sich allmählich die Frage, was in dieser Saison noch alles möglich sein könnte, ganz ähnlich wie vor zwei Jahren. «Wir haben heute gezeigt, dass wir gegen die beste Mannschaft gewinnen können – das ist alles», sagte Henriksen mit einem Lächeln. Als der Däne vor 13 Monaten in Zürich mit einem 0:0 gegen den gleichen Gegner den Einstand gab, war der FCZ Tabellenletzter. Von ganz unten nach ganz oben – kein Wunder freut sich der Canepa und der ganze FCZ.

https://www.nzz.ch/sport/fussball/dem-f ... ld.1767626
„Du hörst erst mit Lernen auf, wenn du aufgibst.“
Ruud Gullit

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Ruud Gullit
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Re: Medien

Beitragvon Ruud Gullit » 26.11.23 @ 9:15


Mit Liebe oder mit Tritten in den Hintern: Wie Bo Henriksen aus dem FCZ ein Spitzenteam gemacht hat – und warum er Ende Saison trotzdem gehen könnte


Der FC Zürich empfängt am Samstagabend den Meister und Leader YB zum Spitzenkampf. Der Trainer Bo Henriksen hat den Klub innerhalb von 13 Monaten von ganz unten nach fast ganz oben geführt. Der Däne ist authentisch geblieben – aber vorsichtiger geworden.
Fabian Ruch 25.11.2023, 05.30 Uhr

Bo Henriksen hat nicht viel Zeit benötigt, um die Urteile über ihn aus seiner Heimat Dänemark zu bestätigen.

Das Gespräch ist keine zwei Minuten alt, da hat Bo Henriksen schon mindestens drei Sätze rausgehauen, bei denen man denkt: «Wow!» Oft sind Fussballtrainer im Austausch langweilig oder zumindest professionell phrasendreschend. Treffen mit Henriksen sind anders.

Man fühlt sich wohl mit ihm, seine Antworten sind ausführlich, sie gehen in die Tiefe, es gibt selten ein Taktieren. Der Chefcoach des FC Zürich hat gerade gesagt: «Ein Fussballtrainer muss mutig sein. Er muss ehrlich sein. Und er muss authentisch sein. Ich verliere sonst das Team, die Spieler folgen mir nicht mehr. Und dann bin ich in der Kabine tot.»

Henriksen scheut sich nicht, die Dinge beim Namen zu nennen. Das hat ihm zu Beginn seiner Zeit in Zürich dann und wann Ärger eingebracht, weil es nicht alle für angebracht hielten, wenn er sich mutig, ehrlich oder authentisch artikulierte. Die NZZ titelte im Oktober 2022 nach Henriksens erstem Super-League-Spiel: «0:0 gegen YB – hat der FCZ Spieler, die füreinander sterben wollen, wie es der neue Trainer fordert?»

Das ist 13 Monate her. Es sind 13 Monate, in denen Bo Henriksen den FCZ von ganz unten nach fast ganz oben in der Liga geführt hat. Im Oktober 2022 lag seine Mannschaft nach dem fürchterlichen Start mit seinem Vorgänger Franco Foda mit vier Punkten aus zehn Partien sieglos am Tabellenende – als Meister.

Er schaffte es, einen Draht zu den Spielern aufzubauen

Im Heimspiel von diesem Samstagabend geht es wieder gegen YB, aber mit ganz anderen Vorzeichen als damals beim 0:0. Heute gilt: Spitzenkampf, Zweiter gegen Erster, Meister 2022 gegen Meister 2023. Und Henriksen sagt: «Ich erinnere mich an meine Gefühle nach dem 0:0 beim Einstand gegen YB. Ich wusste: Das wird harte Arbeit, aber es ist einiges möglich. Ich sah eine Mannschaft, die völlig verunsichert war. Deren Spieler jedoch bereit waren, füreinander zu kämpfen.»

Der Däne sagt «kämpfen» und nicht «sterben». Weil er seinen Wortschatz nach gelegentlicher Kritik angepasst hat. Ab und zu rutscht ihm noch ein martialisch klingender Satz heraus wie: «Und dann bin ich in der Kabine tot.» Aber er ist vorsichtiger geworden. Henriksen sagt: «Es gibt da draussen Sprachlehrer.»

Das bedeutet nicht, dass sich Henriksen verbiegen lässt. Manchmal erschrickt er selber, wenn er Bilder von sich an der Seitenlinie sieht; wie er mit weit aufgerissenen Augen herumschreit, mit wilder Mähne herumrennt, sich mit den Schiedsrichtern anlegt. Gleich im zweiten Super-League-Spiel, einem 0:0 in Basel, sah er die rote Karte.

Er benötigte nicht lange, um die Urteile über ihn aus seiner Heimat zu bestätigen: Aus Dänemark hatte es geheissen, Henriksen sei ein spezieller Charakter, ein Original, er trage das Herz auf der Zunge. Aber er sei auch ein «good guy», einer, mit dem man gerne Zeit verbringe. Und vor allem sei er ein Trainer, der es schaffe, «eine Kabine zu überzeugen» und lebendig zu halten. Was aus dem Jargon übersetzt heisst: dass er einen Draht zu seinen Spielern aufbauen könne.

Zum Glück sei die Familie am Anfang nicht in Zürich gewesen: «Ich war total kaputt und wollte nur schlafen»

Es ist das Lieblingsthema von Henriksen: die Menschenführung. «Um das geht es doch im Leben. Um Beziehungen. Um Vertrauen. Um Glauben. Und als Trainer ist es entscheidend, dass die Spieler für dich kämpfen. Dass du weisst und spürst, welcher Spieler Liebe braucht und welcher einen Tritt in den Hintern.»

Das benötige viel Energie, sagt Henriksen. Er sei deshalb froh gewesen, dass er zu Beginn seiner Zeit im FCZ ohne Familie in der Schweiz gelebt habe. «Ich war am Abend im Hotel total kaputt und wollte nur schlafen.» Längst sind seine Frau und zwei seiner drei Söhne in Zürich, am letzten Wochenende reichte es der Familie in der Länderspielpause sogar zu einem Kurztrip nach Como.

Henriksen hat den FC Zürich mit Mut, Zuversicht und Leben gefüllt. Zuerst hatte er die Mannschaft stabilisiert, die Auftritte waren solid, aber meistens wenig attraktiv, der Fokus lag auf der Verteidigung. Im Sommer hiess es dann, er müsse Lösungen für die Offensive präsentieren. Und es gab Zweifel daran, ob es ihm gelingen würde, diese Erwartungen zu erfüllen. Weil er in der Heimat den Ruf hat, ein Trainer für Teams zu sein, die Aussenseiterfussball spielen.

Nun sagt Henriksen, der FCZ sei heute aktiver, habe mehr Abschlüsse, schiesse mehr Tore. Er sei präsenter im gegnerischen Strafraum, trete forscher auf. Und: «Ich habe in 18 Jahren als Trainer immer überperformt.» Sprich: Er habe die Erwartungen immer übertroffen – klingt selbstbewusst, kommt aber nicht überheblich rüber. Seine Bilanz bringt ihn seinem Ziel näher, einmal in einer Top-5-Liga zu arbeiten – und seinem Traum, irgendwann dänischer Nationaltrainer zu sein.

Die Frage, ob Henriksen auch ein Trainer für grosse Klubs sei, begleitet ihn schon lange. Aber das sei ihm egal, sagt er: «Mich interessiert, was in meiner Macht liegt. Meine Aufgabe ist es, eine gute Kultur zu schaffen, damit die Spieler das Beste aus ihren Möglichkeiten herausholen. Daran lasse ich mich messen. Alles andere ist Gerede und Gerüchte.»

Was sagt er zu seinem besten Freund?

Und damit zum Vertrag von Bo Henriksen. Dänische Medien vermeldeten im letzten Sommer, dass der 48-Jährige dem FCZ mitgeteilt habe, den Verein Ende Saison zu verlassen. Wenn man sich heute mit Leuten in Dänemark unterhält, die hinter dieser spektakulären Geschichte stehen, beteuern sie noch immer, die Entscheidung sei so gefallen, es gebe keinen Weg zurück. Henriksen sei sehr konsequent und mit Vorgängen im Klub nicht zufrieden gewesen.

Die Standardantwort des Trainers zu diesem Thema lautet: «Ich bin nicht verantwortlich dafür, was andere sagen. Wir werden uns in der Winterpause zusammensetzen und diskutieren. Es geht darum, was der Klub will. Und es geht darum, was ich will.» Mutig, ehrlich, authentisch? Man glaubt, dass man Henriksen glauben möchte.

Gerne hätte man gewusst, was Milos Malenovic dazu meint. Der neue FCZ-Sportchef will aber zurzeit nicht mit Journalisten reden. Er stellt den Klub um und neu auf, er engagiert Spezialisten in vielen Bereichen und trimmt den FCZ fit für eine Zukunft, in der er wieder stärker ein Ausbildungsverein sein soll, der junge Fussballer formt und für respektable Ablösesummen ins Ausland verkauft. Ist Henriksen der passende Trainer dafür?

Es gibt viele Dinge, über die sich ein FCZ-Trainer in den letzten Monaten geärgert haben könnte: die Unruhe im Klub und im Umfeld, die freiwilligen Abgänge auf der Geschäftsstelle, den Wirbel um den Geschäftsführer, welcher sogar zu Fan-Protesten führte, den Wechsel des wertvollen Sportchefs Marinko Jurendic zu Augsburg, das lange Warten auf den Nachfolger Jurendics.

Henriksen sagt: «Das sind Angelegenheiten, auf dich ich keinen Einfluss hatte.» Er habe sich im Sommer für ein paar Monate zur Verfügung gestellt, um auch die Tätigkeiten des Sportchefs zu übernehmen, aber dies sei nicht sein Traumjob gewesen: «Du hängst ständig am Telefon, alle Berater rufen dich an und sagen, sie hätten den besten Spieler für dich.»

Gerne würde man wissen, was Bo Henriksen seinem besten Freund in Dänemark über den FCZ und über seine Zukunft erzählt. Henriksen schmunzelt, überlegt, legt die Arme auf den Tisch und antwortet: «Hör zu, ich sage meinem besten Freund genau das Gleiche: Ich liebe meine Arbeit als Trainer, ich liebe meine Spieler, ich liebe unsere Kultur. Und ich will Fussballspiele gewinnen.»

Der Sportchef Bo Henriksen hat dem Trainer Bo Henriksen nicht helfen können

Henriksen will so viele Fussballspiele gewinnen, dass es am Ende für einen Titel reicht. «Drei Siege braucht es noch im Cup. Vielleicht 15, vielleicht 17 in der Meisterschaft», rechnet er vor. Sowieso benötige es keinen Raketenwissenschafter, um herauszufinden, dass die Young Boys die Favoriten in der Super League seien. «Sie haben mehr Geld zur Verfügung, die teureren Spieler, das breiteste Kader der Liga.»

Aber er habe viele Wunder im Fussball erlebt, die eben keine Wunder gewesen seien, weil es Aussenseitern gelungen sei, die beste Kultur bei ihnen zu etablieren. Er denkt zum Beispiel an den Meistertitel von Herfölge, einem Dörfchen mit 4000 Einwohnern, im Jahr 2000, da war er als Spieler dabei. Oder an den Titel von Leicester City in der Premier League 2016. Oder an den Sieg des dänischen Kleinklubs Odense 1994 im Europacup gegen Real Madrid.

Was Henriksen damit vielleicht auch sagen will: dass Odense damals weiter entfernt war von Real Madrid, als es der FCZ heute von YB ist. Er sagt: «Man lernt am meisten über sich, wenn man verliert. Vor einem Jahr lagen unsere Spieler am Boden, aber sie haben es aus eigener Kraft zurück an die Spitze geschafft. Das war eine unheimlich spannende psychologische Entwicklung. Wenn du solche Dinge verändern kannst, ist alles möglich.»

Der Sportchef Bo Henriksen war im Übrigen im Sommer nicht unwesentlich daran beteiligt, dass der Trainer Bo Henriksen nun keinen Goalgetter im Kader hat: «Wir haben uns mit vielen Stürmern befasst. Aber es war keiner dabei, der deutlich besser gewesen wäre als jene Spieler, die wir haben. Ein grosser Name kann eine gute Kultur auch zerstören.»

Und so wirkt das FCZ-Kader in diesem Herbst etwas schmal. Ein verletzter Stammspieler wie Fabio Daprelà kann kaum ersetzt werden. Aber Bo Henriksens Weg geht über Vertrauen, Mentalität, Glauben. Nach vier Duellen mit YB ist er noch immer ungeschlagen. Henriksen sieht es anders, er sagt: «Ich bin noch sieglos gegen YB.»

https://www.nzz.ch/sport/fussball/fcz-t ... ld.1767374
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