Der FC Zürich geht eigene Wege: Aber wie schlau ist es, den Betrieb von einem Spielerberater durchleuchten zu lassen?Die Anstellung von Milos Malenovic als Berater im FCZ erstaunt. Der Klubpräsident Ancillo Canepa sieht kein Problem. Er will einmal das «Haus lüften» – und Inputs von aussen annehmen.
Fabian Ruch 06.07.2023, 05.30 Uhr
https://img.nzz.ch/2023/07/05/b9468cd5- ... 3230,x0,y0Ancillo Canepa will, dass auch andere einen kritischen Blick auf seinen Klub werfen – vor ein paar Jahren machte er schon einmal gute Erfahrungen mit einem externen Berater.Am Anfang ist die Aufregung: Der FC Zürich hat den bekannten Spielervermittler Milos Malenovic als Berater engagiert, er soll drei Monate lang die sportlichen Prozesse im Klub analysieren.
Diese Nachricht führt zu Unruhe und Ungläubigkeit in der Branche. Andere Spielerberater fühlen sich benachteiligt, von einem «Skandal» redet einer, von einem «Wahnsinn» ein anderer Kenner der Szene, und ein dritter findet, dass sich der FC Zürich mit dieser «weltweit einmaligen» Aktion blossstelle.
Von Interessenkonflikten ist die Rede und davon, dass Malenovic Einblick in die Geschäftsbücher des Klubs erhalte, was ein fragwürdiger Vorgang sei – schliesslich gehören auch fünf FCZ-Fussballer, unter anderem Antonio Marchesano, Fidan Aliti und Mirlind Kryeziu, zu Malenovics Klienten.
Auf den ersten Blick treibt der FC Zürich ein heikles Spiel. Und auf den zweiten?
Milos Malenovic, 38 Jahre alt, ist ein smarter Netzwerker. Er denkt und handelt schnell, hat seine Firma Soccer Mondial Schritt für Schritt aufgebaut und ausgebaut, laut seinen Angaben arbeiten rund 20 Leute für ihn. Er ist ein angenehmer Gesprächspartner, freundlich und professionell. Und kennt als international tätiger Spezialist Vertragswesen, Lohnstrukturen, Prämienreglemente.
Malenovics bekanntester Mandant ist der Schweizer Nationalstürmer Zeki Amdouni, der vom FC Basel in eine Topliga wechseln dürfte – für mindestens 12 Millionen Franken Ablösesumme. Der FCZ war übrigens vor einem Jahr ebenfalls stark am damaligen Lausanne-Spieler interessiert. Mit Ancillo Canepa, Besitzer und Präsident des FC Zürich, verbindet den früheren FCZ-Junior Malenovic ein langes, auf Vertrauen basierendes Verhältnis.
Canepa versteht die Entrüstung nicht. Er sagt, das sei ein ganz normales Mandat. «Gute Berater haben immer unterschiedliche Hüte auf.» Canepa arbeitete jahrzehntelang für die Prüfungs- und Beratungsfirma Ernst & Young. Er fragt: «Warum sollte es nicht logisch sein, dass wir unseren Betrieb von einem externen Experten durchleuchten lassen?» Canepa bezeichnet die Situation des FCZ in diesem Sommer als «Marschhalt». Es sei das Ziel, diverse Geschäftsfelder wie das Transferwesen, das Talentmanagement und die Spielerbetreuung zu optimieren. Er will einmal «das Haus lüften» und wertvolle Inputs von aussen annehmen.
Vor ein paar Jahren hatte Canepa gute Erfahrungen mit einem externen Berater gemacht, damals stand Peter Knäbel dem FCZ monatelang zur Seite. Canepa sagt, Malenovic rapportiere direkt an den Klub und äussere sich nicht in der Öffentlichkeit. «Das funktioniert in der normalen Wirtschaftswelt genauso.»
Canepa sagt, der FCZ sei fast wie eine Fussball-Universität
Nun ist der Fussball nicht zwingend mit der normalen Wirtschaftswelt zu vergleichen. Es gibt viele Beispiele von engen Verflechtungen zwischen Vereinen und Agenten: Bei GC etwa ist die portugiesische Agentur Gestifute von Jorge Mendes einflussreich, im FC Basel sind die Wege von Präsident David Degen zu Zwillingsbruder Philipp Degen und dessen Beratungsfirma SBE Management sehr kurz.
Canepa sagt, Malenovic übernehme keine Sportchef-Aufgaben, das sei Sache des FCZ und in diesem Sommer von Trainer Bo Henriksen sowie ihm selber.
Und damit zu Marinko Jurendic. Der Sportchef des FC Zürich wechselt wie Heinz Moser, Leiter Entwicklung und Ausbildung im FCZ, am 1. August zum Bundesligisten FC Augsburg. Jurendic arbeitet noch diese Woche und dann Ende Juli ein paar Tage in Zürich, hat aber alle die Zukunft betreffenden Dossiers abgegeben. Er sagt, er habe fünf wunderbare Jahre im Klub verbracht, drei davon als Sportchef mit dem Meistertitel 2022 als Höhepunkt.
Jurendic bezeichnet Canepa als Mentor und Coach. Und er sagt, es sei ihm nicht leichtgefallen, den FC Zürich zu verlassen und zusammen mit Frau, Sohn und Hund nach Deutschland zu ziehen. «Aber die Bundesliga ist auch für mich eine grosse Herausforderung.»
Den Abgang Jurendics nimmt Canepa zum Anlass, genau zu überlegen, wie sich der Verein im sportlichen Bereich aufstellen will. Er sei nicht gerade begeistert gewesen, als ihn Jurendic über das Interesse des FC Augsburg informiert habe. «Aber letztlich sind wir auch stolz auf seinen Karriereschritt.»
Der bekennende Bundesliga-Liebhaber Canepa sagt, der Wechsel Jurendics sei eine Art Anerkennung für den FCZ. Sein Klub bilde neben Spielern eben auch Trainer wie Urs Fischer (Union Berlin) oder Sportchefs wie Jurendic für die deutsche Eliteliga aus. Der FCZ sei sowieso fast wie eine Fussball-Universität. Im Frauenbereich etwa hätten die Schweizer Nationaltrainerin Inka Grings sowie Marion Daube, Leiterin Frauenfussball im Schweizerischen Fussballverband (SFV), und Tatjana Haenni, Daubes Vorgängerin beim SFV und heute Sportdirektorin der Frauenliga in den USA, im FC Zürich «ihren Master abschliessen können».
Rund um Malenovics Beratermandat werden viele Gerüchte gestreut. Ein Verwaltungsrat wolle den Rücktritt geben, heisst es. Das Klima im FC Zürich sei ohnehin angespannt, nachdem mehrere Angestellte die Geschäftsstelle verlassen haben. Und sogar: Malenovic werde Sportchef und seine Firma einem Nachfolger übergeben.
Canepa schmunzelt, als er das hört. Er habe persönlich keine negativen Reaktionen erhalten, Malenovics Mandat sei auf drei Monate beschränkt. Ein guter Berater sei kompetent, erfahren und integer. «Er kann uns bei der Analyse helfen, von der auch das Profil des Sportchefs abhängt.» Am 1. Oktober soll Jurendics Nachfolger feststehen.
Die seltsame Absage an den Stürmer Admir Mehmedi
Dass Malenovic keinen Einfluss auf die Kaderplanung hat, wird von Insidern bezweifelt. Ein Beispiel: Nachdem Canepa und Jurendic monatelang mit Admir Mehmedi gesprochen hatten und sich die Parteien einig gewesen sein sollen, wurde dem früheren Schweizer Nationalspieler vor kurzem mitgeteilt, der FCZ habe nun doch kein Interesse. Der 32-jährige Stürmer hatte seine Karriere in Zürich lanciert und war einst für fast fünf Millionen Franken Ablösesumme an Dynamo Kiew verkauft worden.
Der Verzicht auf Mehmedi ist seltsam. Man hört, am Ende sei auch der Trainer Henriksen nicht überzeugt gewesen vom verletzungsanfälligen Mehmedi. Erstaunlicherweise gab der Klub sogar eine Pressemitteilung zum Nicht-Transfer heraus («Admir Mehmedi nicht zum FC Zürich»), was ziemlich einzigartig ist. «Aus verschiedenen Gründen» habe der FCZ beschlossen, auf dessen Dienste zu verzichten.
Canepa sagt, im FC Zürich würden Personalentscheide intern gefällt, aber nicht extern kommentiert. Mehr gebe es dazu nicht zu sagen. In den letzten Monaten hatte der Präsident in mehreren Gesprächen davon geschwärmt, dass Mehmedi im Verein eine Rolle als Leader, Leistungsträger und Identifikationsfigur übernehmen könnte – wie in den letzten Jahren der kürzlich zurückgetretene Blerim Dzemaili.
Dabei dürfte der FCZ in diesem Sommer mindestens noch einen Stürmer verpflichten. Zumal der beste Angreifer, Aiyegun Tosin, verkauft werden soll, falls er seinen 2024 auslaufenden Vertrag nicht vorzeitig verlängert. Grundsätzlich seien die Kaderplanungen abgeschlossen, sagt Canepa. Rund die Hälfte des Kaders besteht aus eigenen Junioren, aufstrebende Fussballer wie der U-21-Nationalspieler Bledian Krasniqi sollen mehr Verantwortung übernehmen. Krasniqi unterschrieb am Dienstag vorzeitig einen neuen Vertrag bis 2026.
Ancillo Canepa macht einen gelassenen, zuversichtlichen Eindruck. Sicher auch, weil der FC Zürich an Popularität gewonnen hat. In der lange Zeit komplizierten letzten Saison stellte er deutliche Klubrekorde auf in Sachen Zuschauerdurchschnitt (15 387) und Dauerkarten-Verkauf (rund 9000).
Nach der resultatmässig erfolgreichen Rückrunde sollen Team und Trainer die Fortschritte in der neuen Saison bestätigen. Als erstes Ziel bezeichnet Canepa eine Platzierung in den Top 6, die im neuen Modus zur Teilnahme an der Championship Group berechtigt. Mehr Ruhe als in der letzten Saison würde die Aufgabe erleichtern.
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