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withe lion
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Re: Medien

Beitragvon withe lion » 12.08.22 @ 22:59

likavi hat geschrieben:Na ja. Die Aussagen zum Fussball(-Nationalteam) sind natürlich sehr überheblich, populistisch und stammtischmässig. Scheint in gewissen Kreisen zum guten Ton zu gehören. Wenn sich jemand wichtig machen will, muss man einfach sagen: "Fussballer sind doof!".

Es geht dabei natürlich um die Click Bait-Schlagzeile und das hat ja auch wunderbar geklappt. Sie sollte die NZZ für diese sehr generöse Werbung an ihrem Gewinn beteiligen.


Finde die Aussagen auch nicht alle gut. Die populistische Komponente gehört meiner Meinung nach auch eher in einer andere Zeitung.
Jedoch finde ich, dass es aufzeigt, dass der Fussball teilweise etwas hinerher hinkt und noch von gewissen älteren Bildern geleitet ist.

Irgendwie hat es mich auch an AB erinnert, der die Fähigkeit zu haben schien, den Spielern ein gewisses Selbstvertrauen zu geben und auf die Stärken zu fokusieren. Da nicht jeder Trainer diese Fähigkeit hat, sehe ich es als Option den Trainerstab um diese Komponente zu ergänzen.

Z.B. denke ich es könnte Willy helfen, mit dem rasanten Aufstieg umzugehen und den dadurch entstandenen Druck.


old guy
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Re: Medien

Beitragvon old guy » 13.08.22 @ 9:06

likavi hat geschrieben:
withe lion hat geschrieben:Ein interessanter Bericht aus der NZZ

Die Sportpsychologin Cristina Baldasarre sagt: «Im Schweizer Fussballnationalteam gäbe es viel zu tun»


Na ja. Die Aussagen zum Fussball(-Nationalteam) sind natürlich sehr überheblich, populistisch und stammtischmässig. Scheint in gewissen Kreisen zum guten Ton zu gehören. Wenn sich jemand wichtig machen will, muss man einfach sagen: "Fussballer sind doof!".

Es geht dabei natürlich um die Click Bait-Schlagzeile und das hat ja auch wunderbar geklappt. Sie sollte die NZZ für diese sehr generöse Werbung an ihrem Gewinn beteiligen.

"Dass sie das Penalty-Schiessen gegen Spanien verloren haben, hat mich geärgert". "Das ist Psychologie-Standard". Wenn also beide Teams zum Psychologen gegangen wären, hätte keines von beiden das Penaltyschiessen verlieren können? Auch nicht nach 120 Minuten gegen den Favoriten Spanien, als viele Schweizer Spieler in Unterzahl wohl mehr als 15 Kilometer gerannt sind? Und weniger als vier Tage zuvor 2'000 km entfernt im Penaltyschiessen (alle fünf verwandelt) den Weltmeister Frankreich eliminiert haben? Ich würde die Psychologin mal gerne sehen, wie sie nach einem 15km-Lauf am persönlichen Limit mit sehr vielen eingestreuten Sprints und technischen Aktionen irgendeine anspruchsvolle Präzisionsübung auf hohem Niveau hinkriegt.


Sorry, ich finde jetzt eher Deinen Post als überheblich und stammtischmässig. Sie sagt nicht, "Fussballer sind doof". Sie sagt, im Spitzenfussball würden die Möglichkeiten der Sportpsychologie noch viel zu wenig genutzt, weil Vorurteile herrschen und der mögliche Nutzen vielfach nicht erkannt wird. Generell antwortet sie klug und überlegt; es ist eine grosse Erfahrung erkennbar. Gerade das Penaltyschiessen ist doch weitgehend eine Kopfsache. Aus eigener Erfahrung weiss ich, dass ein Sportpsychologe sehr viel bewirken kann. Voraussetzung ist allerdings, dass der Sportler auch von den Möglichkeiten überzeugt ist und voll mitmacht. Bei einer Abwehrhaltung nützt das Ganze natürlich nichts. In diesem Fall arbeitet der Sportpsychologe besser mit dem Trainer zusammen, wenn der denn will. Dieser kann dann gewisse Elemente in sein Trainingsprogramm bzw. in die Gespräche mit den Spielern übernehmen. Ich habe keine Ahnung, ob beim FCZ ein Sportpsychologe tätig ist. Aufgrund von wundersamen Leistungssteigerungen würde ich das zumindest nicht ausschliessen. Vielleicht ist aber auch AB ohne Studium ein begnadeter Psychologe, was bei Foda wohl weniger zutrifft. Ein Sportpsychologe in seinem Team könnte das allenfalls ausgleichen.

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trellez
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Re: Medien

Beitragvon trellez » 13.08.22 @ 12:16

Tagi online (Thomas Schifferle)

size=150]«Es ist kein Makel mehr, aus Winterthur zu sein»[/size]
Politisch und fussballerisch steht Winterthur im Schatten Zürichs. Aber da haben es sich Stadt und FCW gut eingerichtet. Am Sonntag kommt der Meister, mit dem man etwas gemein hat.

Andreas Mösli, der Macher: Selbstironie als Statement
Kurz vor 14.15 Uhr wird es sein, wenn am Sonntag auf der Schützenwiese die Höllenglocken ertönen. Und Angus Young in die Saiten greift. «Diese Dramaturgie, diese Glocken, dieser Gitarrenriff», sagt Andreas Mösli, «das hat Identität geschaffen. Und wenn diese Musik ertönt, beginnt das Spiel.» FCW gegen FCZ ist es diesmal. Die Tabellenletzten sind dabei unter sich.

AC/DC, «Hells Bells», es ist ein kleines Stück St. Pauli, das Mösli aus Hamburg nach Winterthur gebracht hat. St. Pauli hat den 57-jährigen Alt-Punker inspiriert, um einem vor zwanzig Jahren beinahe bankrotten Club ein Gesicht zu geben. Längst ist der FCW dank seiner Arbeit in der Geschäftsführung eine Marke, die für Antikommerz steht und ihre Heimat in einem Stadion hat, das keinem Hochglanzkatalog entspringt und genau darum so fasziniert. Gagarin überwacht weiterhin alles auf dem Dach des Salon Erika.
Die «Schützi» steht mitten in der Stadt, fünf Gehminuten vom Bahnhof weg. Das gibt es nirgends sonst in der Super League. Komfort und VIP-Polstersessel sucht man vergebens. «Das Stadion hat eine Seele», sagt Mösli, «es ist nicht austauschbar. Das Alter macht etwas aus.»

Mit dem Alter kommen aber auch die Wehwehchen, bei der Schützenwiese heisst das, dass die Haupttribüne aus den Fünfzigerjahren in ihrem Innern aus allen Nähten platzt. Der Club ist gewachsen, alles ist gewachsen, die Geschäftsstelle, die Junioren- und Frauenabteilung. «Ein Abriss wäre schade», sagt Mösli, «aber die Nostalgie darf nicht vor der Zweckmässigkeit stehen.»
Eine neue Tribüne würde das Bild verändern, natürlich, die «Schützi» würde es trotzdem so überstehen, wie sie den Neubau der Gegengeraden überstanden hat. Das Problem ist jetzt nur das Geld: Woher kommen die vielleicht 30 Millionen Franken, die benötigt würden?
Mösli redet gern vom «einzig echten Fussballstadion im Kanton Zürich». Und weil er es plakativ mag, hat er auch den Begriff «Planet FCW» erfunden. Oder einen Club, der 37 Jahre auf die Rückkehr in die höchste Liga gewartet hatte, als «Erstklassig zweitklassig» bezeichnet. Mösli sieht das als Selbstironie, die zeigen soll, dass man auch jemand ist.

Winterthur galt einst als verschlafen. Auch die Autobahn macht einen Bogen um die Stadt herum. «Was früher negativ ausgelegt wurde, wird jetzt positiv gesehen», sagt Mösli, er sieht Zürich auch nicht mehr als furchteinflössendes schwarzes Loch, das alles aufsaugt. Lieber streicht er den Wandel hervor, den die einstige Büezerstadt Winterthur hinter sich hat, ohne die eigene Identität zu verlieren: «Die Menschen schätzen Überschaubarkeit und die Ruhe hier. Es ist kein Makel mehr, aus Winterthur zu sein.»

«Ich bin grollender Donner, strömender Regen / Ich komme rüber wie ein Hurrikan», singen AC/DC. Ganz so arg wird die Geschichte nicht werden, wenn der FC Zürich am Sonntag nach Winterthur kommt. Der Aufsteiger gegen den Meister. Der sieglose Neunte gegen den sieglosen Letzten. Das kleine Stadion wird voll sein.

Der FCW ist beliebt, auch in Zürich. Der FCZ wiederum hat seine Sympathisanten in der Bierkurve. Hier steht er nicht für das laute, arrogante Zürich, das sich einst als «Downtown Switzerland» anpries. Mösli erklärt sich das mit den Wurzeln, die bei beiden Clubs im Arbeitermilieu liegen. Dass der FCW nach dem Zerfall 2001 von einem Millionär gerettet wurde, von Hannes W. Keller, und dass der FCZ von einem millionenschweren Ehepaar geführt wird, den Canepas, ändert kein bisschen an dieser Wahrnehmung.

Nicolas Galladé, Stadtrat: Den Komplex abgelegt
Die goldenen Jahre des FCW Anfang der Siebziger erlebte Nicolas Galladé noch nicht, er ist erst 1975 geboren. Wenigstens war er am 23. März 1985 dabei, als der grosse FCZ mit Karl Grob, Heinz Lüdi, Jure Jerkovic und Wynton Rufer auf die Schützenwiese kommt. Galladé hat noch die Bilder vor Augen, wie es auf der Waldseite hinter dem Tor aussah. Der Boden ist zum Teil eine Wiese, zum Teil ein Steinbelag, leicht terrassiert mit langen SBB-Holzelementen. Eine Bierkurve gibt es noch nicht.

4:2 gewinnt der FCW, Adi Noventa heisst der Trainer einer Mannschaft, in der er es keinen Konietzka, Risi, Nielsen oder Meili mehr gibt. Das 4:2 ist der einsame Höhepunkt einer Saison, nach der Winterthur fast für vier Jahrzehnte in der Unterklassigkeit verschwindet.

Nicolas Galladé
Galladé ist Politiker geworden, seit zwölf Jahren sitzt er für die SP im Stadtrat, zuständig für Soziales. Als Bub hat er noch gedacht, eines Tages werde er älter sein als seine grössere Schwester. Den kleinen Irrtum hat er bald eingesehen, heute sagt er: «Zürich ist für Winterthur wie die grosse Schwester.» Soll heissen: Zürich wird immer grösser sein, aber auch immer der Orientierungs- und Bezugspunkt für Winterthur.

Wenn es heisst: Zürich sei gross und links und verdächtig, und wenn damit der Antireflex bedient werden soll, entgegnet Galladé so einiges. Die Nähe zu Zürich sei eines «der grössten Assets» für seine Stadt, sagt er. «Wir sind ein Teil der grossen Region Zürich. In 19 Minuten sind wir in Zürich. Und wieder daheim. Zürich ist eine andere Liga, ja. In Zürich spielen die Toten Hosen vor 45’000 Zuschauern, wir haben die Steinberggasse für die Musikfestwochen, und das ist es. Auch so kann man eine Identität schaffen. Selbstbewusstsein bedeutet auch, sich seiner selbst bewusst zu sein. Der Komplex gegenüber Zürich ist abgelegt.»
Vom Gesellschaftlichen schlägt Galladé den Bogen zum Fussball. Auch da sei Zürich am nächsten, sagt er. Der FCZ ist der grosse Rivale, nicht GC, obschon es aus der gleichen Stadt kommt. Das liegt am Z im Namen. Wenn es zum Beispiel um einen Traumcupfinal geht, soll nicht Basel oder YB der Gegner sein, «nein», sagt Galladé, «gegen Zürich, das wäre etwas …»

Der FCW betreibt beste Werbung für den Standort, er findet medial statt und wird sehr wohlwollend behandelt. So sieht das Galladé. Die Zuschauer wollen den Club spielen sehen. Diese Energie, die zum Saisonstart gegen Basel in der Luft lag, treibt die Mannschaft zum 1:1. Aber wie lange so etwas anhält? «Die Super League ist hartes Brot für uns», sagt Galladé, «von der Qualität her sind wir Zehnter. Das schleckt keine Geiss weg.»

Vielleicht bleiben dann einmal ein paar Zuschauer weg, wenn der Reiz des Neuen ausgelebt ist und die Punkte fehlen. Galladé schreckt diese Vorstellung nicht, weil der FCW selbst dann 4000 Zuschauer anzog, als er in der Challenge League dümpelte. «Und wenn wir mit etwas Erfahrung haben, dann mit der Erfolglosigkeit.»

Die Spiele seines Clubs verfolgt er auch als Stadtrat am liebsten am Rand der Bierkurve. Nur am Sonntag wird er fehlen. Er ist zu einer Hochzeit nach Hamburg eingeladen. Einen kleinen Trost hat er: Er hat ein Billett fürs Heimspiel von St. Pauli gegen Magdeburg erhalten.

Mario Fehr, Regierungsrat: Mit dem Herzen eines Fans
In erster Linie ist Mario Fehr Politiker, im Regierungsrat zuständig für Sicherheit, Soziales und Sport im Kanton. Seit elf Jahren sitzt er in diesem Gremium, und in ein paar Wochen will er bekannt geben, ob er als Parteiloser nochmals für vier Jahre kandidiert.

In zweiter Linie ist Fehr Fussballfan. Im roten Schweizer Leibchen fuhr er schon mit dem Zug nach Rimini, um das Nationalteam gegen San Marino zu sehen. Beim FCZ besitzt er eine Saisonkarte, bei Tottenham auch, von beiden Clubs ist er Fan. Gerade wenn er von Spielen an der White Hart Lane berichtet, scheint sein Herz höherzuschlagen.

Primär, das will er trotzdem betonen, sieht er sich als Sportminister, wenn es um die Belange des FCZ, von GC und Winterthur geht. Er berichtet von der Zusammenarbeit der drei Clubs im Bereich der Nachwuchsförderung (Footeco), bei der sich der Kanton engagiert. Und irgendwann sagt er auch: «Wir können nur glücklich sein, dass wir drei Clubs in der Super League haben.»

Am Sonntag zieht es ihn auf die Schützenwiese, wie schon öfters in der Vergangenheit. Dass er einmal, im Mai 2017 nach dem bislang letzten Besuch des FCZ auf der «Schützi», in der Stadionbeiz von einem vollen Bierbecher getroffen wurde, hat an seiner Sympathie weder für Winterthur noch für den FCW etwas geändert.

An Winterthur hat er früheste Kindheitserinnerungen, weil seine Grosseltern im EPA-Warenhaus gleich neben dem Bahnhof als Hauswarte arbeiteten und er sie immer wieder besuchte. Dass Winterthur als grau galt, als provinziell, als Ort, wo nachts um elf Uhr die Trottoirs hochgeklappt wurden, damit mag Fehr nun gar nichts anfangen. «Winterthur hat eine grosse Geschichte, eine gute Gegenwart und eine schöne Zukunft», sagt er. Und mit sich selbst zufrieden schiebt er nach: «Das könnte jetzt ein Politikersatz sein.»

2008 war Winterthur stolz darauf, endlich 100’000 Einwohner zu haben. Inzwischen sind es 119’068, Stand Ende Juli. Fehr nimmt das als Zeichen der Bedeutung dieser Stadt und erinnert an Bern, «die Hauptstadt der Schweiz», die mit 143’000 nicht viel mehr Einwohner habe. «Winterthur hat alles Recht, selbstbewusst zu sein», sagt er. Und schlägt den Bogen zum FCW: «Er ist Ausdruck einer lebensfrohen, integrierenden Stadt, die stolz sein darf auf das, was sie ist.»

Der FCW stand lange nicht für den Ehrgeiz, unter allen Umständen in die höchste Liga zurückzukehren. Das Genügsame gehörte bei ihm dazu, «er galt immer als locker», sagt Fehr. Die Verpflichtung von Alex Frei als Trainer im letzten Winter zeigte ihm dann aber eines: «Jetzt will der FCW aufsteigen.»

Den Match vom Sonntag hat sich Fehr in seiner Agenda schon lange eingetragen. FCW - FCZ, dass da nun Vorletzter auf Letzten trifft, damit hat er nicht unbedingt gerechnet. Egal, sagt Fehr, «ich bin überzeugt, das gibt ein grosses Fussballfest». Und egal, was sonst noch passieren wird diese Saison, zwei Prognosen wagt er: «Die Fans werden ihrem Club treu bleiben – so wie beim FCZ nach dem Abstieg 2016. Und absteigen wird keiner der drei Zürcher Clubs. Auch davon bin ich überzeugt.»
Wer spät zu Bett geht und früh heraus muss, weiss, woher das Wort Morgengrauen kommt. (R. Lembke)

CT
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Re: Medien

Beitragvon CT » 13.08.22 @ 13:37

trellez hat geschrieben:(…) «Winterthur hat eine grosse Geschichte, eine gute Gegenwart und eine schöne Zukunft», sagt er. Und mit sich selbst zufrieden schiebt Fehr nach: «Das könnte jetzt ein Politikersatz sein.»
(…)
Und egal, was sonst noch passieren wird diese Saison, zwei Prognosen wagt Fehr: «Die Fans werden ihrem Club treu bleiben – so wie beim FCZ nach dem Abstieg 2016. Und absteigen wird keiner der drei Zürcher Clubs. Auch davon bin ich überzeugt.»

der (zweit-)letzte satz in diesem artikel ist ein wahrer politikersatz. aber diese pointe hat der biedere schifferle leider übersehen.
Zanni hat nicht aufgepasst!

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Mushu
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Beitragvon Mushu » 14.08.22 @ 8:55

Abo Tages-Anzeiger
Interview Ancillo Canepa

«Ich stehe immer noch zu dieser Aussage. Ja!»
Der Präsident des FCZ erklärt, was von den Millionen im Europacup übrig bleibt, liefert Gründe für den Fehlstart in der Liga und glaubt weiter, dass das Team besser ist als letzte Saison.

Thomas Schifferle
Publiziert heute um 07:30 Uhr

Am Tag nach dem erlösenden Sieg gegen Linfield Belfast ist Ancillo Canepa wieder früh auf den Beinen, um 7 Uhr schon. Viel Zeit, um die Berichte zum 3:0 am Vorabend zu lesen, hat der Präsident des FC Zürich trotzdem nicht. Er muss bald mit Kooki, seiner Schäferhündin, zum Arzt. Und über Mittag ist er in Schaffhausen. Vor dem 50er-Club des FC Schaffhausen hält er ein Referat zur Führung eines Profi-Fussballclubs.

Am Nachmittag redet er in seinem Büro in der Zürcher Innenstadt nicht gleich zur Lage der Nation, aber zur Lage des FCZ nach dem Fehlstart in die Meisterschaft, dem Erfolg gegen Linfield, der im Minimum den Einzug in die Gruppenphase der Conference League gesichert hat, und zur Aussicht, sich gegen Heart of Midlothian gar für die Gruppenspiele der Europa League zu qualifizieren.

Wie beruhigt haben Sie geschlafen mit ein paar Millionen unter dem Kopfkissen?
Schon jetzt von ein paar Millionen zu reden, scheint mir verwegen.

Welche denn?
Ja, es gibt Prämien, zwischen 3 und 4 Millionen. Ja, wir werden zusätzliche Zuschauer-Einnahmen generieren. Ja, ein wichtiger Teil des strukturellen Defizits kann damit gedeckt werden. Und ja, die Qualifikation für die Conference League ist von daher schon wertvoll. Aber die Kosten sind gigantisch.
Die Ausgaben für die Reisen sind wegen des ganzen Chaos in der Fliegerei so hoch wie nie. Ausserdem müssen wir zwei Heimspiele auswärts in St. Gallen bestreiten, weil der Letzigrund wegen irgendwelcher Konzerte für uns gesperrt sein wird. Das allein verursacht uns einen Millionenschaden. Und was viele wieder vergessen haben: Wir müssen noch Covid-Bundesdarlehen in Millionenhöhe zurückzahlen. Darum kann ich nicht sagen, rein finanziell sei alles super, wirklich nicht.

Der Flug nach Baku kostete 200’000 Franken …
… und nach Belfast auch mehr als 100’000 Franken. Alles absurd hohe Beträge.

Mit dem Sieg gegen Linfield ist immerhin ein erstes Saisonziel erreicht.
Dass vor allem vor dem Rückspiel bei mir eine gewisse Anspannung da war, weil im Fussball vieles passieren kann, das ist sicher so. Jetzt betone ich gerne: Wir sind die erste Mannschaft der Super League, die ihr erstes kurzfristiges Ziel erreicht hat. Punkt. Ich denke, der eine oder andere Club würde möglicherweise gern mit uns tauschen.

Mit einem Team, das in der Liga mit einem Punkt und null Toren Tabellenletzter ist?
Trotzdem, ja.

Diese Saison verläuft bisher ziemlich verwirrend. 0:4 verloren in Bern, gegen Karabach in der Champions-League-Qualifikation ausgeschieden, in St. Gallen verloren, zwischen den Spielen gegen Linfield gegen Sion 0:3 verloren …
Wenn wir die Ergebnisse anschauen, sind wir alle nicht zufrieden. Wenn wir aber die Leistungen differenziert beurteilen, sieht es anders aus. Wir haben durchaus gute Spiele gezeigt. In Bern waren wir in den ersten 60 Minuten im Minimum auf Augenhöhe, bis wir den Elfmeter verschiessen.

Das braucht doch noch lange keinen solchen Einbruch zur Folge zu haben.
Fussball ist Kopfsache. Und wenn du am Anfang der Saison bist und nicht weisst, wo du stehst, und wenn du weisst, wie schwierig es in Bern auf dem Kunstrasen ist, dann macht eine solch vergebene Chance etwas mit dir. Und YB ist dann clever genug, eine, wenn ich dem so sagen darf, Trauerphase auszunutzen und tac, tac die Tore zu schiessen. Aber machen wir weiter …

… mit St. Gallen …
… ich mag mich nicht erinnern, dass wir uns in St. Gallen je so viele Chancen erspielt haben. Wir hätten vier, fünf Tore schiessen können.

Vielleicht hätte Assan Ceesay das eine oder andere Tor erzielt.
Und ich könnte sagen: Wie war das mit ihm in den ersten drei Saisons? Wenn Marchesano in Topform ist, wenn Tosin in Topform ist, dann machen sie aus ihren Chancen ihre Tore. Im Fussball geht es auch um Selbstvertrauen, um Sicherheit, um Psychologie. Die Spieler mussten den Erfolg der letzten Saison und die vielen Feierlichkeiten verarbeiten und auch die Spiele mit der Nationalmannschaft verkraften. Die Sommerpause war für viele extrem kurz. Aber nochmals: Die Leistungen bisher waren teilweise gut.

Wirklich?
Für mich besteht auf jeden Fall kein Grund, in Panik zu verfallen oder wie Espenlaub zu zittern.

Und was war mit dem 0:3 gegen Sion, diesem Auseinanderfallen innert elf Minuten?
Natürlich ist das mehr als ärgerlich. Wir hatten diesen Match fast 60 Minuten lang kontrolliert. Aber dann unterlaufen uns individuelle Fehler, es fällt ein unnötiges Gegentor aus dem Nichts. Statt ruhig und konzentriert weiterzuspielen, reagiert die Mannschaft übermotiviert und erhält das nächste Tor. Das hat natürlich auch mit Routine zu tun. Ein Dzemaili hätte uns in dieser Situation sicherlich geholfen.

Beissen Sie bei einem solchen Spiel aus Ärger in Ihre Pfeife?
Freude hatte ich sicher nicht, aber auch die Mannschaft war enttäuscht. Gegen Sion kann man so nicht verlieren. Das ist eigentlich gar nicht möglich.

Der FCZ ist seit 2003 nie mehr so schlecht in eine Saison gestartet …
… und trotzdem bin ich mehr als gelassen. Wir stehen erst am Anfang der Saison, und ich bin sicher, dass wir relativ schnell vom letzten Platz wegkommen. Wir haben ja vor der Saison kommuniziert: Das erste Ziel ist das Erreichen der Gruppenphase eines europäischen Wettbewerbs. Darauf hat der Fokus gelegen, auch bei mir. Dass wir dieses Ziel erreicht haben, wird der Mannschaft Schub, Sicherheit und Selbstvertrauen geben. Davon bin ich überzeugt.

Der Europacup ist Ihnen vor allem wirtschaftlich wichtig.
Nein, nicht nur! Es geht doch um sportliche Gründe. International mitspielen zu können, das ist für einen Club das Höchste der Gefühle. Schauen Sie, welche Gegner wir haben können, wenn wir uns im Playoff gegen Heart of Midlothian für die Europa League qualifizieren: Manchester United, Arsenal, Union Berlin, Sturm Graz, Roma, Lazio … Und klar, auch wirtschaftliche Gründe sind für uns relevant. Wir budgetieren jede Saison mit einem strukturellen Defizit. Um das zu decken, gibt es zwei Varianten: Du machst Transfers oder spielst im Europacup.

Dieses Defizit beträgt rund 5 Millionen …
… plus/minus …

… wieso bringen Sie vor einer Saison kein ausgeglichenes Budget zustande?
Bei allem Respekt: Eine solche Frage kann nur jemand stellen, der nicht in der operativen Verantwortung eines Proficlubs steht. Wenn man gewisse Ansprüche und Ambitionen hat, muss das Kader ein Mindestmass an Qualität aufweisen. Das bekommt man auch in der Schweiz nicht zum Nulltarif. Im Rahmen der Budgetierung kennen wir die Kosten, die Einnahmen sind aber nicht zuletzt abhängig vom sportlichen Erfolg. Deshalb verzichten wir darauf, uns ein Budget zusammenzulügen und Fantasiezahlen einzusetzen.

Also planen Sie zum Beispiel ohne Einnahmen aus dem Europacup?
Auch ohne Einnahmen aus dem Cup. Und bei den Transfers ist es nur ein ganz moderater Betrag, ein tiefer einstelliger Millionenbetrag. In der Fachsprache nennt man das Kostenwahrheit.

Zwei Tage vor dem Saisonstart haben Sie beschwingt gesagt, die Mannschaft sei besser als jene der Meistersaison.
Das habe ich so wortwörtlich nicht gesagt. Das wird mir jetzt permanent im Mund herumgedreht. Im Schweizer Fernsehen auch wieder: «Herr Canepa, Sie haben doch gesagt …» Man muss doch sehen, wie die Aussage entstanden ist. An der Medienkonferenz vor der Saison fragte mich ein Journalist: «Herr Canepa, ist die Mannschaft besser, gleich gut oder schlechter als letzte Saison?» Ich sagte: Besser. Punkt.

Dieser Journalist sitzt vor Ihnen.
Was ich sagen will: Ich habe nicht aus eigener Initiative gesagt, wow, wir sind besser.

Am Ende bleibt trotzdem die Wertung, dass Sie die Mannschaft stärker einschätzen.
Ich stehe nach wie vor zu dieser Aussage. Ja! Wir haben zwei Spieler abgegeben, die wir nicht abgeben wollten. Das sind Doumbia und Ceesay. Dafür haben wir fünf Spieler geholt – allesamt mit viel Potenzial, mit Erfahrung, mit grossem Talent, gutem Charakter. Deshalb ist das Kader auf dem Papier besser als letzte Saison.

Die Neuen heissen Condé, Selnaes, Okita und Santini.
Condé ist der Nachfolger von Doumbia, er ist ein junger Spieler mit sehr viel Potenzial. Wir haben Ole Selnaes geholt, einen norwegischen Nationalspieler, er ist auf einem sehr guten Weg. Wir haben Santini geholt, einen, der weiss, wo das Tor steht, und der im Sechzehner Assists machen kann, wie ich das selten gesehen habe. Wir haben Okita geholt, einen Stürmer, der in St. Gallen ein paar Sachen zeigte, die man so sonst in der Schweiz nicht sieht.

Und Avdijai ist nachträglich gekommen.
Wer etwas vom Fussball versteht und nur schon die ersten zwei Spiele von ihm gesehen hat, der erkennt sein riesiges Leistungsvermögen. Mit diesen fünf Spielern haben wir das Kader von den Anlagen her einen Schritt weiterentwickeln können. Aber logisch, es braucht noch ein wenig Geduld.

Besteht mit Ihrer Annahme, die Mannschaft sei besser geworden, nicht die Gefahr einer erhöhten Erwartungshaltung?
Überhaupt nicht. Ich habe das schon festgehalten: Wir wollen nicht gleich den Serienmeister ausrufen. Wir wissen, woher wir kommen und was wir können. Wir haben ja auch nur ein Ziel formuliert: die Gruppenphase im Europacup zu erreichen. Nichts mehr, nichts weniger.

Was macht Sie so stolz, dass Franco Foda Ihr Trainer ist?
Weil er genau dem Profil entspricht, welches wir definiert haben. Er ist sehr erfahren, extrem engagiert, weiss, wie man Erfolg hat, und überzeugt als Persönlichkeit. Auch als Spieler hat er eine grosse Karriere gemacht. Er passt menschlich perfekt zum FCZ, und die Tatsache, dass er diese Aufgabe als Nachfolger eines Meistertrainers angenommen hat, spricht ebenfalls für ihn.

Nach aussen macht er nicht den Eindruck, als würde er die gleiche Wärme ausstrahlen wie André Breitenreiter. Wie ist es nach innen?
Wir suchten keine Kopie von André Breitenreiter. Wichtig ist, dass ein Trainer die Mannschaft mit seiner fachlichen und menschlichen Kompetenz überzeugt. Dass Franco das gelingen wird, daran zweifle ich keine Sekunde. Natürlich muss auch er die Mannschaft und das ganze FCZ-Umfeld noch besser kennen lernen. Dass sich die Zusammenarbeit laufend weiterentwickelt, spürt man als Insider tagtäglich.

Wie viel Verständnis bringen Sie für seine Rotationen und Systemwechsel auf?
Zum Rotieren: Wir haben sechs Wochen, in denen wir Sonntag-Mittwoch-Sonntag spielen. Angenommen, er hätte immer mit der gleichen Mannschaft gespielt, käme sofort der Vorwurf: Wieso rotiert er nicht? Das Rotieren ist bei dieser Belastung absolut vernünftig. Nur ein dummer Trainer würde das nicht machen.

Auch in dem Ausmass, mit bis zu sieben Spielern?
Das ist ja auch unser Credo. Alle Positionen sollen gleichwertig ersetzt werden können. In der Fachsprache nennt man das «breites Kader». Das machte uns gerade letzte Saison stark. Wir gewannen den Titel nicht zuletzt dank unserer Ersatzbank. Und diese ewige Thematik vom System: Einige Vorgänger von Franco wollten flexible Systeme einführen. Auch André Breitenreiter.

Dann liess er es doch sein.
a. Franco sagte uns beim ersten Gespräch: Ich habe gesehen, wie ihr gespielt habt, 3-5-2, aber ich möchte flexibler sein. Wir haben auch unter ihm einige Male mit der Dreierkette gespielt. Ich spüre inzwischen, dass die Mannschaft mental flexibler geworden ist. Das System ist nicht das Problem. Chancen vergeben wir nicht deswegen. Die vielen Gegentore haben damit auch nichts zu tun, sondern mit individuellen Fehlern. Die Spieler wissen das selbst auch. Sie sind alle sehr selbstkritisch.

Was den FCZ weiterhin begleitet, ist die Unsicherheit über die Zukunft von Wilfried Gnonto und Becir Omeragic. Sind die beiden im Winter noch in Zürich?
Das kann ich heute nicht sagen. Die Ausgangslage ist klar: Sie haben Verträge, die im nächsten Sommer auslaufen, wir möchten mit beiden gerne verlängern, die Transferfrist läuft noch bis Ende August, und gerade für Gnonto sind sehr viele konkrete Angebote gekommen.

Aus England, Deutschland, Italien, Frankreich, Holland?
So schaut es aus.

Und nichts hat Sie überzeugt?
Nein. Es ist kein Geheimnis, dass ich klare Vorstellungen vom Wert von Wilfried Gnontos habe. Wir werden keinen verschenken, auch Omeragic nicht.

Also lieber am Preisschild von 10 Millionen festhalten …
(unterbricht) Was auch immer auf diesem Preisschild steht. Ich habe nie explizit von 10 Millionen geredet.

Trotzdem sind Sie zum Risiko bereit, Gnonto notfalls Ende Saison gratis abgeben zu müssen.
Das ist theoretisch möglich. Oder aber er macht einen Transfer im Winter. Oder er verlängert doch noch. Alle Optionen sind offen.

Wie ist der Stand bei Omeragic?
Er hatte das Pech, lange verletzt gewesen zu sein. Und international konnte er nicht den Hype erleben wie Gnonto nach seinen Länderspielen für Italien.
Doumbia und Ceesay gingen ablösefrei, das Gleiche droht bei den zwei Jungen.

Sind Sie zu knausrig, um sie zu einer vorzeitigen Verlängerung bewegen zu können?
Das hat damit nichts zu tun. Das Problem bei jungen Spielern ist, dass man mit ihnen aus reglementarischen Gründen zu Beginn keine langfristigen Verträge abschliessen kann. Einen 16-Jährigen kann man höchstens für drei Jahre binden. Und wenn bei einem Spieler wie Gnonto plötzlich viele neue Türen aufgehen, dann kann es sein, dass sein Umfeld nervös wird. Das ist «the name of the game». Wäre er nicht im Nationalteam, hätten wir den Vertrag mit ihm problemlos verlängern können.

Und jetzt sind Sie nervös?
Wir werden so oder so Lösungen zum Wohlergehen von allen finden. Ich bin weiterhin völlig entspannt.

Am Sonntag geht es für den FCZ in Winterthur weiter. Über den FCW haben Sie sich nach seinem Aufstieg sehr wohlwollend geäussert. Dann freuen Sie sich sicher auf dieses Derby.
Absolut. Es ist Zeit geworden, dass Winterthur in der Super League angekommen ist. Ich freue mich einfach auf das Wiedersehen mit der geliebten Schützenwiese, auf dieses traditionelle Stadion, das mit Erinnerungen verbunden ist. Wie ich als Bub, mit 12, 13 Jahren, im Schneidersitz neben dem Tor sitzen durfte und das Netz in der Hand hielt, wenn Zürich in Winterthur spielte.

Sie gehen davon aus, dass der FCZ jetzt gewinnt.
Ich gehe davon aus, dass wir eine gute Leistung auf den Platz bringen werden. Das Ergebnis? Sie wissen, Derbys haben eigene Gesetze.

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Jure Jerković
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Re: Medien

Beitragvon Jure Jerković » 14.08.22 @ 9:25

Fachsprache und Insiderwissen im Tagi-Interview mit AC

(Sorry, doppelt gepostet…)

”Ich stehe immer noch zu dieser Aussage. Ja!”

Der Präsident des FCZ erklärt, was von den Millionen im Europacup übrig bleibt, liefert Gründe für den Fehlstart in der Liga und glaubt weiter, dass das Team besser ist als letzte Saison. 

Am Tag nach dem erlösenden Sieg gegen Linfield Belfast ist Ancillo Canepa wieder früh auf den Beinen, um 7 Uhr schon. Viel Zeit, um die Berichte zum 3:0 am Vorabend zu lesen, hat der Präsident des FC Zürich trotzdem nicht. Er muss bald mit Kooki, seiner Schäferhündin, zum Arzt. Und über Mittag ist er in Schaffhausen. Vor dem 50er-Club des FC Schaffhausen hält er ein Referat zur Führung eines Profi-Fussballclubs. 

Am Nachmittag redet er in seinem Büro in der Zürcher Innenstadt nicht gleich zur Lage der Nation, aber zur Lage des FCZ nach dem Fehlstart in die Meisterschaft, dem Erfolg gegen Linfield, der im Minimum den Einzug in die Gruppenphase der Conference League gesichert hat, und zur Aussicht, sich gegen Heart of Midlothian gar für die Gruppenspiele der Europa League zu qualifizieren.

Wie beruhigt haben Sie geschlafen mit ein paar Millionen unter dem Kopfkissen?
Schon jetzt von ein paar Millionen zu reden, scheint mir verwegen.

Welche denn?
Ja, es gibt Prämien, zwischen 3 und 4 Millionen. Ja, wir werden zusätzliche Zuschauer-Einnahmen generieren. Ja, ein wichtiger Teil des strukturellen Defizits kann damit gedeckt werden. Und ja, die Qualifikation für die Conference League ist von daher schon wertvoll. Aber die Kosten sind gigantisch.
Die Ausgaben für die Reisen sind wegen des ganzen Chaos in der Fliegerei so hoch wie nie. Ausserdem müssen wir zwei Heimspiele auswärts in St. Gallen bestreiten, weil der Letzigrund wegen irgendwelcher Konzerte für uns gesperrt sein wird. Das allein verursacht uns einen Millionenschaden. Und was viele wieder vergessen haben: Wir müssen noch Covid-Bundesdarlehen in Millionenhöhe zurückzahlen. Darum kann ich nicht sagen, rein finanziell sei alles super, wirklich nicht.

Der Flug nach Baku kostete 200’000 Franken …
… und nach Belfast auch mehr als 100’000 Franken. Alles absurd hohe Beträge.

Mit dem Sieg gegen Linfield ist immerhin ein erstes Saisonziel erreicht.
Dass vor allem vor dem Rückspiel bei mir eine gewisse Anspannung da war, weil im Fussball vieles passieren kann, das ist sicher so. Jetzt betone ich gerne: Wir sind die erste Mannschaft der Super League, die ihr erstes kurzfristiges Ziel erreicht hat. Punkt. Ich denke, der eine oder andere Club würde möglicherweise gern mit uns tauschen.

Mit einem Team, das in der Liga mit einem Punkt und null Toren Tabellenletzter ist?
Trotzdem, ja.

Diese Saison verläuft bisher ziemlich verwirrend. 0:4 verloren in Bern, gegen Karabach in der Champions-League-Qualifikation ausgeschieden, in St. Gallen verloren, zwischen den Spielen gegen Linfield gegen Sion 0:3 verloren …
Wenn wir die Ergebnisse anschauen, sind wir alle nicht zufrieden. Wenn wir aber die Leistungen differenziert beurteilen, sieht es anders aus. Wir haben durchaus gute Spiele gezeigt. In Bern waren wir in den ersten 60 Minuten im Minimum auf Augenhöhe, bis wir den Elfmeter verschiessen.

Das braucht doch noch lange keinen solchen Einbruch zur Folge zu haben.
Fussball ist Kopfsache. Und wenn du am Anfang der Saison bist und nicht weisst, wo du stehst, und wenn du weisst, wie schwierig es in Bern auf dem Kunstrasen ist, dann macht eine solch vergebene Chance etwas mit dir. Und YB ist dann clever genug, eine, wenn ich dem so sagen darf, Trauerphase auszunutzen und tac, tac die Tore zu schiessen. Aber machen wir weiter …

… mit St. Gallen …
… ich mag mich nicht erinnern, dass wir uns in St. Gallen je so viele Chancen erspielt haben. Wir hätten vier, fünf Tore schiessen können.

Vielleicht hätte Assan Ceesay das eine oder andere Tor erzielt.
Und ich könnte sagen: Wie war das mit ihm in den ersten drei Saisons? Wenn Marchesano in Topform ist, wenn Tosin in Topform ist, dann machen sie aus ihren Chancen ihre Tore. Im Fussball geht es auch um Selbstvertrauen, um Sicherheit, um Psychologie. Die Spieler mussten den Erfolg der letzten Saison und die vielen Feierlichkeiten verarbeiten und auch die Spiele mit der Nationalmannschaft verkraften. Die Sommerpause war für viele extrem kurz. Aber nochmals: Die Leistungen bisher waren teilweise gut.

Wirklich?
Für mich besteht auf jeden Fall kein Grund, in Panik zu verfallen oder wie Espenlaub zu zittern.

Und was war mit dem 0:3 gegen Sion, diesem Auseinanderfallen innert elf Minuten?
Natürlich ist das mehr als ärgerlich. Wir hatten diesen Match fast 60 Minuten lang kontrolliert. Aber dann unterlaufen uns individuelle Fehler, es fällt ein unnötiges Gegentor aus dem Nichts. Statt ruhig und konzentriert weiterzuspielen, reagiert die Mannschaft übermotiviert und erhält das nächste Tor. Das hat natürlich auch mit Routine zu tun. Ein Dzemaili hätte uns in dieser Situation sicherlich geholfen.

Beissen Sie bei einem solchen Spiel aus Ärger in Ihre Pfeife?
Freude hatte ich sicher nicht, aber auch die Mannschaft war enttäuscht. Gegen Sion kann man so nicht verlieren. Das ist eigentlich gar nicht möglich.

Der FCZ ist seit 2003 nie mehr so schlecht in eine Saison gestartet …
… und trotzdem bin ich mehr als gelassen. Wir stehen erst am Anfang der Saison, und ich bin sicher, dass wir relativ schnell vom letzten Platz wegkommen. Wir haben ja vor der Saison kommuniziert: Das erste Ziel ist das Erreichen der Gruppenphase eines europäischen Wettbewerbs. Darauf hat der Fokus gelegen, auch bei mir. Dass wir dieses Ziel erreicht haben, wird der Mannschaft Schub, Sicherheit und Selbstvertrauen geben. Davon bin ich überzeugt.

Der Europacup ist Ihnen vor allem wirtschaftlich wichtig.
Nein, nicht nur! Es geht doch um sportliche Gründe. International mitspielen zu können, das ist für einen Club das Höchste der Gefühle. Schauen Sie, welche Gegner wir haben können, wenn wir uns im Playoff gegen Heart of Midlothian für die Europa League qualifizieren: Manchester United, Arsenal, Union Berlin, Sturm Graz, Roma, Lazio … Und klar, auch wirtschaftliche Gründe sind für uns relevant. Wir budgetieren jede Saison mit einem strukturellen Defizit. Um das zu decken, gibt es zwei Varianten: Du machst Transfers oder spielst im Europacup.

Dieses Defizit beträgt rund 5 Millionen …
… plus/minus …

… wieso bringen Sie vor einer Saison kein ausgeglichenes Budget zustande?
Bei allem Respekt: Eine solche Frage kann nur jemand stellen, der nicht in der operativen Verantwortung eines Proficlubs steht. Wenn man gewisse Ansprüche und Ambitionen hat, muss das Kader ein Mindestmass an Qualität aufweisen. Das bekommt man auch in der Schweiz nicht zum Nulltarif. Im Rahmen der Budgetierung kennen wir die Kosten, die Einnahmen sind aber nicht zuletzt abhängig vom sportlichen Erfolg. Deshalb verzichten wir darauf, uns ein Budget zusammenzulügen und Fantasiezahlen einzusetzen.

Also planen Sie zum Beispiel ohne Einnahmen aus dem Europacup?
Auch ohne Einnahmen aus dem Cup. Und bei den Transfers ist es nur ein ganz moderater Betrag, ein tiefer einstelliger Millionenbetrag. In der Fachsprache nennt man das Kostenwahrheit.

Zwei Tage vor dem Saisonstart haben Sie beschwingt gesagt, die Mannschaft sei besser als jene der Meistersaison.
Das habe ich so wortwörtlich nicht gesagt. Das wird mir jetzt permanent im Mund herumgedreht. Im Schweizer Fernsehen auch wieder: «Herr Canepa, Sie haben doch gesagt …» Man muss doch sehen, wie die Aussage entstanden ist. An der Medienkonferenz vor der Saison fragte mich ein Journalist: «Herr Canepa, ist die Mannschaft besser, gleich gut oder schlechter als letzte Saison?» Ich sagte: Besser. Punkt.

Dieser Journalist sitzt vor Ihnen.
Was ich sagen will: Ich habe nicht aus eigener Initiative gesagt, wow, wir sind besser.

Am Ende bleibt trotzdem die Wertung, dass Sie die Mannschaft stärker einschätzen.
Ich stehe nach wie vor zu dieser Aussage. Ja! Wir haben zwei Spieler abgegeben, die wir nicht abgeben wollten. Das sind Doumbia und Ceesay. Dafür haben wir fünf Spieler geholt – allesamt mit viel Potenzial, mit Erfahrung, mit grossem Talent, gutem Charakter. Deshalb ist das Kader auf dem Papier besser als letzte Saison.

Die Neuen heissen Condé, Selnaes, Okita und Santini.
Condé ist der Nachfolger von Doumbia, er ist ein junger Spieler mit sehr viel Potenzial. Wir haben Ole Selnaes geholt, einen norwegischen Nationalspieler, er ist auf einem sehr guten Weg. Wir haben Santini geholt, einen, der weiss, wo das Tor steht, und der im Sechzehner Assists machen kann, wie ich das selten gesehen habe. Wir haben Okita geholt, einen Stürmer, der in St. Gallen ein paar Sachen zeigte, die man so sonst in der Schweiz nicht sieht.

Und Avdijai ist nachträglich gekommen.
Wer etwas vom Fussball versteht und nur schon die ersten zwei Spiele von ihm gesehen hat, der erkennt sein riesiges Leistungsvermögen. Mit diesen fünf Spielern haben wir das Kader von den Anlagen her einen Schritt weiterentwickeln können. Aber logisch, es braucht noch ein wenig Geduld.

Besteht mit Ihrer Annahme, die Mannschaft sei besser geworden, nicht die Gefahr einer erhöhten Erwartungshaltung?
Überhaupt nicht. Ich habe das schon festgehalten: Wir wollen nicht gleich den Serienmeister ausrufen. Wir wissen, woher wir kommen und was wir können. Wir haben ja auch nur ein Ziel formuliert: die Gruppenphase im Europacup zu erreichen. Nichts mehr, nichts weniger.

Was macht Sie so stolz, dass Franco Foda Ihr Trainer ist?
Weil er genau dem Profil entspricht, welches wir definiert haben. Er ist sehr erfahren, extrem engagiert, weiss, wie man Erfolg hat, und überzeugt als Persönlichkeit. Auch als Spieler hat er eine grosse Karriere gemacht. Er passt menschlich perfekt zum FCZ, und die Tatsache, dass er diese Aufgabe als Nachfolger eines Meistertrainers angenommen hat, spricht ebenfalls für ihn.

Nach aussen macht er nicht den Eindruck, als würde er die gleiche Wärme ausstrahlen wie André Breitenreiter. Wie ist es nach innen?
Wir suchten keine Kopie von André Breitenreiter. Wichtig ist, dass ein Trainer die Mannschaft mit seiner fachlichen und menschlichen Kompetenz überzeugt. Dass Franco das gelingen wird, daran zweifle ich keine Sekunde. Natürlich muss auch er die Mannschaft und das ganze FCZ-Umfeld noch besser kennen lernen. Dass sich die Zusammenarbeit laufend weiterentwickelt, spürt man als Insider tagtäglich.

Wie viel Verständnis bringen Sie für seine Rotationen und Systemwechsel auf?
Zum Rotieren: Wir haben sechs Wochen, in denen wir Sonntag-Mittwoch-Sonntag spielen. Angenommen, er hätte immer mit der gleichen Mannschaft gespielt, käme sofort der Vorwurf: Wieso rotiert er nicht? Das Rotieren ist bei dieser Belastung absolut vernünftig. Nur ein dummer Trainer würde das nicht machen.

Auch in dem Ausmass, mit bis zu sieben Spielern?
Das ist ja auch unser Credo. Alle Positionen sollen gleichwertig ersetzt werden können. In der Fachsprache nennt man das «breites Kader». Das machte uns gerade letzte Saison stark. Wir gewannen den Titel nicht zuletzt dank unserer Ersatzbank. Und diese ewige Thematik vom System: Einige Vorgänger von Franco wollten flexible Systeme einführen. Auch André Breitenreiter.

Dann liess er es doch sein.
a. Franco sagte uns beim ersten Gespräch: Ich habe gesehen, wie ihr gespielt habt, 3-5-2, aber ich möchte flexibler sein. Wir haben auch unter ihm einige Male mit der Dreierkette gespielt. Ich spüre inzwischen, dass die Mannschaft mental flexibler geworden ist. Das System ist nicht das Problem. Chancen vergeben wir nicht deswegen. Die vielen Gegentore haben damit auch nichts zu tun, sondern mit individuellen Fehlern. Die Spieler wissen das selbst auch. Sie sind alle sehr selbstkritisch.

Was den FCZ weiterhin begleitet, ist die Unsicherheit über die Zukunft von Wilfried Gnonto und Becir Omeragic. Sind die beiden im Winter noch in Zürich?
Das kann ich heute nicht sagen. Die Ausgangslage ist klar: Sie haben Verträge, die im nächsten Sommer auslaufen, wir möchten mit beiden gerne verlängern, die Transferfrist läuft noch bis Ende August, und gerade für Gnonto sind sehr viele konkrete Angebote gekommen.

Aus England, Deutschland, Italien, Frankreich, Holland?
So schaut es aus.

Und nichts hat Sie überzeugt?
Nein. Es ist kein Geheimnis, dass ich klare Vorstellungen vom Wert von Wilfried Gnontos habe. Wir werden keinen verschenken, auch Omeragic nicht.

Also lieber am Preisschild von 10 Millionen festhalten …
(unterbricht) Was auch immer auf diesem Preisschild steht. Ich habe nie explizit von 10 Millionen geredet.

Trotzdem sind Sie zum Risiko bereit, Gnonto notfalls Ende Saison gratis abgeben zu müssen.
Das ist theoretisch möglich. Oder aber er macht einen Transfer im Winter. Oder er verlängert doch noch. Alle Optionen sind offen.

Wie ist der Stand bei Omeragic?
Er hatte das Pech, lange verletzt gewesen zu sein. Und international konnte er nicht den Hype erleben wie Gnonto nach seinen Länderspielen für Italien.

Doumbia und Ceesay gingen ablösefrei, das Gleiche droht bei den zwei Jungen. Sind Sie zu knausrig, um sie zu einer vorzeitigen Verlängerung bewegen zu können?
Das hat damit nichts zu tun. Das Problem bei jungen Spielern ist, dass man mit ihnen aus reglementarischen Gründen zu Beginn keine langfristigen Verträge abschliessen kann. Einen 16-Jährigen kann man höchstens für drei Jahre binden. Und wenn bei einem Spieler wie Gnonto plötzlich viele neue Türen aufgehen, dann kann es sein, dass sein Umfeld nervös wird. Das ist «the name of the game». Wäre er nicht im Nationalteam, hätten wir den Vertrag mit ihm problemlos verlängern können.

Und jetzt sind Sie nervös?
Wir werden so oder so Lösungen zum Wohlergehen von allen finden. Ich bin weiterhin völlig entspannt.

Am Sonntag geht es für den FCZ in Winterthur weiter. Über den FCW haben Sie sich nach seinem Aufstieg sehr wohlwollend geäussert. Dann freuen Sie sich sicher auf dieses Derby.
Absolut. Es ist Zeit geworden, dass Winterthur in der Super League angekommen ist. Ich freue mich einfach auf das Wiedersehen mit der geliebten Schützenwiese, auf dieses traditionelle Stadion, das mit Erinnerungen verbunden ist. Wie ich als Bub, mit 12, 13 Jahren, im Schneidersitz neben dem Tor sitzen durfte und das Netz in der Hand hielt, wenn Zürich in Winterthur spielte.

Sie gehen davon aus, dass der FCZ jetzt gewinnt.
Ich gehe davon aus, dass wir eine gute Leistung auf den Platz bringen werden. Das Ergebnis? Sie wissen, Derbys haben eigene Gesetze.
RIP Jure. Du warst einer der Besten, die je für den FCZ gespielt haben!

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Re: Medien

Beitragvon bluesoul » 14.08.22 @ 11:05

Heute in der NZZ am Sonntag


Franco Foda, der Missverstandene
Der FC Zürich ist unter seinem neuen Trainer schlecht in die Saison gestartet. Franco Foda fällt mit Aktionismus und harter Rhetorik auf. Wie funktioniert der 56-jährige Deutsche? Auf Spurensuche in seiner fussballerischen Heimat Österreich.

Fabian Ruch
13.08.2022, 21.45 Uhr

Das Interview mit Franco Foda ist ein paar Wochen her. Und das Gefühl nach der Unterhaltung war zwiespältig, was vermutlich für beide Seiten galt. Foda gab sich distanziert, er reagierte gereizt auf Fragen zu seiner Arbeit als österreichischer Nationaltrainer und zu den kritischen Berichten in Österreich über ihn. Er sagte, das Thema langweile ihn, er sage nichts dazu, Geschichten seien erfunden worden.

Mittlerweile hat Foda als Trainer des FC Zürich acht Pflichtspiele bestritten und einzig den nordirischen Klub Linfield FC in der Europa-League-Qualifikation zweimal bezwungen. So schwach wie der FCZ ist noch nie ein Schweizer Meister in die Liga gestartet, am Sonntag tritt er als Letzter mit einem Punkt aus vier Begegnungen zum Derby beim Aufsteiger FC Winterthur an.

Foda ist bisher vor allem durch Aktionismus aufgefallen. Er steuert die Belastung seiner Fussballer mit vielen personellen Wechseln, verändert das System regelmässig. Die FCZ-Spieler reagieren verunsichert, treten fehlerhaft auf. Und man fragt sich, warum Foda nicht vorerst auf die bewährte 3-5-2-Formation aus der Meistersaison gesetzt hat.

«Sieger keiner Herzen»

Foda betont, er wolle die Mannschaft weiterentwickeln, die Fussballer sollen flexibler sein. Am letzten Sonntag, nach dem 0:3 gegen den FC Sion, meinte der Deutsche, der Fehlstart habe nichts mit dem System zu tun, seine Spieler müssten halt besser performen. Es waren für einen neuen Trainer erstaunlich harte Aussagen, die in der Spielerkabine erneut kaum Begeisterungsstürme ausgelöst haben.

Ein erstes Saisonziel, den Sprung in eine europäische Gruppenphase, hat Foda mit dem 3:0 am Donnerstag gegen Linfield FC erreicht. Doch der Trainer wirkt manchmal verkniffen, er ist kein Kumpeltyp, die «Zeit» schrieb einmal über ihn: «Sieger keiner Herzen». Fodas Auftreten irritiert und fasziniert gleichzeitig, weil er sich scheinbar gar nicht erst Mühe gibt, sympathisch zu sein. Er wirkt wie ein Gegenentwurf zum jovialen Vorgänger André Breitenreiter.

Harte Kritik in Österreich

Wenn man sich mit Menschen unterhält, die Franco Foda länger begleitet haben, verfestigt sich das Bild eines Trainers, der unbeirrt seinen Weg geht. Den Lebensmittelpunkt hat der 56-Jährige seit über zwei Jahrzehnten in Graz. Michael Schuen ist Sportchef der dort ansässigen «Kleinen Zeitung». Er beschreibt Foda als «zielstrebig, exakt, ehrlich».

Aber auch als einen Menschen, der viel Zeit benötige, um Vertrauen zu gewinnen. Aufgrund seiner Erfolge und Titelgewinne, zuerst als Spieler, später als Trainer, sei Foda bei Sturm Graz eine Klublegende. Deshalb werde er in der Steiermark freundlicher beurteilt als im Rest des Landes.

Das spürt man in den Gesprächen über Foda. Extrem misstrauisch sei dieser, heisst es, jemand sagt, Foda sei einer, bei dem das Glas immer halb leer sei. Wenn es um die Arbeit als Nationaltrainer Österreichs von Herbst 2017 bis zur Trennung in diesem Frühling geht, sind die Urteile erstaunlich streng. Tobias Waidhofer von der «Tiroler Tageszeitung» findet Foda stur und schwierig im Umgang. Zudem sei er, auch das erwähnen mehrere Leute, ein Defensivtrainer und damit nur geeignet für Aussenseitermannschaften.

Österreichs Ausnahmefussballer David Alaba von Real Madrid sagte nach einem starken Auftritt beim 1:1 gegen Weltmeister Frankreich Anfang Sommer unter Fodas Nachfolger Ralf Rangnick: «Es zeigt einfach, dass wir vielleicht irgendwo die Schnauze voll hatten von einer gewissen Art, Fussball zu spielen, wie wir es immer wieder in den Jahren zuvor hatten.» Foda entgegnete, er habe mit Alaba immer konstruktiv zusammengearbeitet. Zudem habe der Spieler die Aussagen später entschärft, es sei nicht gegen ihn als Trainer gegangen.

Dennoch werden in Österreich Geschichten über Fodas Wirken kolportiert, die nicht besonders schmeichelhaft sind. So habe er unmittelbar vor der Euro im letzten Sommer ein Führungsseminar besuchen müssen, weil die Nationalspieler verärgert über die barsche Kommunikation des Coachs gewesen seien.

Und nicht nur das Magazin «Profil» schrieb, die Fussballer hätten im EM-Achtelfinal gegen Italien eigenmächtig die vorsichtige Taktik Fodas über den Haufen geworfen und entschieden, mutiger zu sein. Herausgekommen ist die beste Leistung unter Foda in viereinhalb Jahren, Österreich verlor gegen den späteren Europameister Italien unglücklich nach Verlängerung.

Am liebsten immer 1:0 durch ein Kontertor

Man könnte Franco Foda in eine Schublade stecken. Aber so einfach ist die Sache natürlich nicht. Der Trainer sagt mit Recht, Resultate seien entscheidend. «Und wir standen erstmals in einem EM-Achtelfinal.» Foda wird als fussballbesessen und als akribischer Arbeiter beschrieben, als Familienmensch, bodenständig, bescheiden. Graz und nicht Wien. Sein Vorgänger Marcel Koller lobt, Foda habe als Nationaltrainer eine gute Bilanz gehabt.

Das ist noch zurückhaltend formuliert. Mit 1,81 Punkten im Schnitt aus 48 Länderspielen ist Foda einer der erfolgreichsten Nationaltrainer in der Geschichte Österreichs. Sein durchzogenes Image kontrastiert mit einer positiven sportlichen Bilanz.

Auch Koller war als Ausländer zunächst argwöhnisch betrachtet worden. Doch mit einer attraktiven, erfolgreichen Spielweise eroberte der Schweizer das Fussballland, setzte sich ein Béret auf und erschien mit Baguette zu einer Medienkonferenz, als die Qualifikation für die EM 2016 in Frankreich feststand. «Obwohl ich ja auch eher zurückhaltend bin.»

Es gibt das wunderbare österreichische Wort «Verhaberung», das sinngemäss bedeutet, sich zu verbrüdern und miteinander zu klüngeln. Der Grazer Journalist Michael Scheun sagt, Foda fehle dieser Schmäh. Der Deutsche kam nie richtig in der Wiener Welt an. Angesprochen auf das Wort «Verhaberung», reagierte Foda im Gespräch vor ein paar Wochen sauer, fast aggressiv. Er sagt, er habe unter dem Verhältnis zu den Medien nie gelitten.

Dass es um dieses Verhältnis nicht zum Besten stand, ist offenkundig. Einmal schrieb Foda ein Interview mit «90minuten.at» mehrmals um, strich zahlreiche Fragen, ehe das Portal nach 45 Tagen hin und her entschied, das Gespräch in dieser weichgespülten Form nicht zu publizieren – und nur die Fragen veröffentlichte.

Foda würde neben den Antworten auch die Fragen ganz gerne selbst formulieren.

Angesichts seiner mangelnden Beliebtheit taten sich österreichische Medienvertreter leicht, seinen Abgang zu fordern. Mehrere Beobachter vertreten noch heute die Meinung, Foda hätte spätestens nach der Europameisterschaft 2021 entlassen werden müssen. Man habe mit einer historisch talentierten Mannschaft Zeit vergeudet.

Die WM wurde im Play-off gegen Wales verpasst. «Fodas Zeit war längst abgelaufen», sagt Andreas Heidenreich vom «Kurier» in Wien. «Er arbeitet hart und will nichts dem Zufall überlassen. Aber er hielt die Spieler zu stark an der kurzen Leine.» Am liebsten, so formuliert es Heidenreich, möchte Foda jedes Spiel durch ein Kontertor 1:0 gewinnen.

Was, nebenbei gesagt, keine so schlechte Sache wäre.

Ein paar Millimeter – und Foda hätte Legendenstatus

In Österreich ist man wenig überrascht über den ersten Eindruck, den Foda in der Schweiz hinterlassen hat. Es würden die gleichen Dinge wie schon in Österreich moniert. «Hat sich der FC Zürich eigentlich nicht erkundigt, wie Foda funktioniert?», fragt jemand. Beim FCZ lobt man die Arbeit des neuen Trainers in anspruchsvoller Ausgangslage. Der Präsident Ancillo Canepa sagt, er könne die Debatten um verschiedene Systeme nicht nachvollziehen, ein Profifussballer müsse damit umgehen können.

Foda wird seinen Weg weitergehen. Ohne Verhaberung, ohne Brimborium, ohne Anbiederung. Und wenn ein Trainer fast fünf Jahre ein Nationalteam betreut hat sowie bei Sturm Graz insgesamt rund dreizehn Jahre tätig war, können Art und Auftreten nicht total verkehrt sein.

Vielleicht wird die Frage sein, ob Zürich eher wie Graz ist oder wie Wien. Und sowieso: Es ist vieles so eng im Fussball. Wäre der Stürmer Marko Arnautovic im EM-Achtelfinal bei seinem Tor nicht Millimeter im Abseits gestanden, hätte Österreich vermutlich Italien geschlagen – und heute würde vor dem Ernst-Happel-Stadion in Wien womöglich eine Statue von Franco Foda stehen.

NZZ am Sonntag, Sport


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