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Der Vater des Höhenflugs
Weshalb die FCZ-Spieler diesen Breitenreiter so mögen
Als Spieler hat er geraucht, als Trainer treibt André Breitenreiter den FC Zürich nach ganz oben. Er zeigt der Liga, was ein guter Trainer ist – und doch gibt es ein grosses Fragezeichen.
Christian Zürcher
Publiziert heute um 08:00 Uhr
FCZ-Trainer André Breitenreiter hat mit dem FCZ eine Erfolgsserie gestartet: 37 Punkte und 40 Tore aus 17 Spielen – kein Club steht besser da.
Foto: Boris Müller
Alles geht. Alles ist leicht. Der Zauber des Anfangs flirrt durch das FCZ-Land. Heiterkeit und Glück, überall. Doch einer macht da nicht mit. Er ist der Vater dieses Zustands: André Breitenreiter.
Der Deutsche sitzt an einem verregneten Tag im Odeon, in dieser legendären Bar in Zürich, einst Heimat von Avantgardisten, von Leuten, die radikal die Normen verändern wollten. Der 48-Jährige erzählt von seinem Fussball, der an guten Tagen radikal vertikal ausfällt. Ohne Zögern, ohne Zweifel, immer nach vorne.
Natürlich, er ist stolz, glücklich, erleichtert. Alles, was Leute in der Fussballbranche in guten Momenten über ihr Befinden sagen. Die Euphorie des Höhenflugs will er zwar nicht bremsen, doch seinen Anteil daran bemessen, das mag er auch nicht. Und noch weniger hält er davon, vorauszusagen, wohin das alles noch führen könnte. Bloss nicht übermütig werden. Es wäre ähnlich vermessen, wie das Zürcher Wetter im Mai zu prognostizieren. Viel schlimmer: Es könnte den fragilen Zauber stören.
Von Trübsal zum besten Fussball der Liga
André Breitenreiter ist in diesen Tagen Stolz und Zier des FC Zürich. Der Deutsche kam im Juni und wirkte wie ein Rundumelixier. Nach Saisons der Abstiegsangst, nach Jahren der Trübsal, steht der Verein wieder ganz oben in der Tabelle. Und das nicht zufällig. Der FCZ spielt den besten Fussball der Liga. Kampfeslust treibt ihn an. Offensivgeist hebt ihn aus der Masse. Unerschrocken geht der FCZ seinen Weg. Was hat Breitenreiter bloss gemacht?
«Wir haben einen richtig guten Teamspirit. Und wir haben einen Plan, Fussball zu spielen. Diesen verfolgen wir konsequent», sagt Breitenreiter. Das klingt eher banal, doch es gibt einen Moment, der ziemlich gut zeigt, was er damit meinen könnte. Die FCZ-Spieler tanzen im November in Genf nach ihrem Sieg vor den vielen mitgereisten Fans. Als sie in die Kabine zurückkehren, sehen sie am anderen Ende des Spielfelds, wie die Genfer Spieler sich bei ihren zornigen Anhängern rechtfertigen müssen. Zwei Zürcher Spieler gehen darauf zu Breitenreiter und sagen: «Hast gesehen, Trainer?» Sie erzählen ihm, wie sie in den vergangenen drei Jahren immer wieder in der gleichen Situation waren. Sie verloren, waren schlecht gelaunt und mussten sich bei noch schlechter gelaunten Fans erklären. Sie seien so froh, dass das endlich einmal anders sei.
Die Szene erzählt von der Demut der Spieler, der Dankbarkeit auch. Und sie zeigt fast schon beiläufig die Gabe Breitenreiters, ihnen zu zeigen, wie man erfolgreich Fussball spielt. Der FCZ gewinnt. Wer es im Fussball schafft, diese beiden Dinge zu kombinieren, Demut und Erfolg, baut Verheissungsvolles. Eine Maschine, die auch nach ein paar Siegen nicht nachlässt. Es ist wie beim Emporkömmling, der der Armut entflieht. Er will nie wieder zurück. Um keinen Preis.
Ist André Breitenreiter ein Animator der guten Laune? «Nein, das bin ich nicht. Sicher nicht.»
Foto: Anna-Tia Buss
Breitenreiter war in seinem Spielerleben Stürmer, längst nicht so professionell wie seine Spieler heute. Er hat geraucht und eher genügsam trainiert, doch aus dieser Zeit stammt seine Idee von Fussball. Immer nach vorne, mit möglichst wenig Ballkontakten. Er hat seine Trainer beobachtet und aufgesogen, was wirkt – und was nicht. Und er hat in all seinen Profijahren ein Gespür bekommen, wie die Kabine funktioniert.
Als er nach dem YB-Sieg seinen Spielern per Videobotschaft zwei Tage frei gab, tollten diese herum wie junge Labradore. Breitenreiter hatte in diesem Moment etwas von einem Animator der guten Laune. Er widerspricht. «Nein, das bin ich nicht. Sicher nicht.» Der gute Spirit komme aus der Mannschaft. Er versucht darauf beim Cappuccino zu ergründen, ob dieser gute Teamgeist vom Siegen kommt oder das Siegen vom guten Teamgeist. Am Ende schliesst er, dass man das so genau nicht sagen könne.
Doch die Siege ganz zu Beginn der Saison hätten sicherlich geholfen und den Spielern gezeigt, dass das gar nicht so schlecht sei, was er jeden Tag erzähle. Die Folge: 37 Punkte und 40 Tore aus 17 Spielen, ein immenses Selbstvertrauen – kein Club steht besser da.
Der Mann ist leicht zu verstehen und schwer misszuverstehen.
Das hat mit Breitenreiter zu tun, ohne Zweifel. Der Mann ist leicht zu verstehen und schwer misszuverstehen. Das klingt sehr selbstverständlich, ist es aber mit Blick auf seine Vorgänger überhaupt nicht. Bei Ludovic Magnin und seinen emotionalen Ausbrüchen wusste man nie so recht, ob das nun kalkulierte Impulse für die Mannschaft waren oder persönliche Aussetzer. Und bei Massimo Rizzo fragte man sich: Kann er nicht emotionaler sein – oder will er nicht?
Breitenreiter ist klar und direkt. Das beginnt mit der Sprache und endet mit dem Spielstil. Wenn man davon ausgeht, dass sich das Wesen des Trainers auf die Mannschaft überträgt, dann veränderte sich das Spiel von erratisch (Magnin) über risikoscheu (Rizzo) zu geradlinig.
Hitzfelds Formel für einen guten Trainer
Der Aufstieg des FCZ ist faszinierend wie überraschend, und er wirft wieder einmal die Frage auf, was einen guten Trainer ausmacht.
Ottmar Hitzfeld war einer der erfolgreichsten Fussballbetreuer auf diesem Planeten, er beantwortete die Frage kürzlich dem Fussballmagazin «Zwölf» ganz pragmatisch: «Er muss mehr gewinnen als verlieren.» Hitzfeld hat schon recht. Wer hier das richtige Verhältnis schafft, lebt mit einer informellen Jobgarantie. Der ehemalige Schweizer Nationaltrainer ging dann noch etwas ins Detail, ebenfalls wichtig sind: «Authentizität. Geduld. Und die Menschenführung, vor allem das.» Er meinte die Gabe, 25 Spielern das Gefühl zu geben, dass sie alle gebraucht würden.
Breitenreiter sagt von sich, dass er authentisch sei. Natürlich, alles andere wäre ja auch rufschädigend. Doch das Wort fällt in seinem Umfeld in einer Regelmässigkeit, die seinen Worten Glaubwürdigkeit schenkt. Breitenreiter hat zudem beim FCZ gezeigt, dass er angeschlagene Spieler nicht forciert, so wichtig sie auf dem Papier auch scheinen. Er gibt ihnen Zeit, genauso wie er sich nach familiären Tiefschlägen Zeit nahm, bis er wieder in den Fussball zurückkehrte. Breitenreiter erzählt, wie er in diesen siegreichen Tagen vor allem mit jenen spricht, die wenig spielen. Und wenn man sieht, wie sich die Spieler auf der Ersatzbank über Treffer ihrer direkten Konkurrenten im Team freuen, dann trifft er offensichtlich den Ton.
In aller Kürze zusammengefasst: Breitenreiter gewinnt viel, ist authentisch, geduldig und empathisch. Dieser Breitenreiter scheint nach hitzfeldschen Kriterien ein ziemlich guter Trainer zu sein.
Ein grosses Fragezeichen
Und doch ist da die eine grosse Unbekannte. Wie wirkt der Deutsche, wenn es einmal nicht mehr so gut läuft? Wenn plötzlich knappe Spiele verloren gehen? Wenn statt Selbstvertrauen Zweifel in den Köpfen seiner Spieler wohnen?
In Zürich kennt man diese Phase noch nicht. Breitenreiters Profitrainerkarriere bei den Clubs Paderborn, Hannover und Schalke ist gezeichnet von fulminanten Starts und weniger guten Phasen danach. Wie stark also nutzt er sich ab? Die Frage macht ihm keine Freude. Breitenreiter sagt, dass man die Stationen nicht mit Zürich vergleichen könne. Er war nach seinen Erfolgen konfrontiert mit überzogenen Erwartungen der Vereinsleitungen. Auf Schalke gab es zudem stete mediale Unruhe. Und bei Hannover verlor er in der zweiten Saison nach dem Aufstieg die besten Spieler, dazu verweigerten die Fans wegen der Clubführung ein Jahr lang die Unterstützung. Ganz anders beim FCZ: Hier gehe es nur um Fussball, hier könne man in Ruhe arbeiten und Spieler besser machen.
Tatsächlich stehen unter Breitenreiter viele im Club besser da. Nicht nur Spieler wie der bereits abgeschriebene Assan Ceesay, wie der lange fehleranfällige Mirlind Kryeziu, wie der vor einem halben Jahr noch mit sich selbst kämpfende Blerim Dzemaili.
Auch Präsident Ancillo Canepa macht eine gute Figur: 12 Trainer hat er seit 2007 ins Amt berufen und wieder hinauskomplimentiert. Und regelmässig wurde die Frage aufgeworfen, ob jede Ernennung einem klaren Masterplan folgt. Mit Breitenreiter sind diese Fragen verschwunden, Canepa wirkt souveräner, Erfolg macht gelassen.
Vielleicht kann er auch einfach darauf vertrauen, dass es dieser Breitenreiter schon richtig macht und es seine Expertise nicht braucht. Wobei das bereits neue Probleme birgt. Breitenreiter ist ein Kind der Bundesliga. Und wenn einer so gut ist, wollen ihn andere auch.