Einer trifft das Tor – der andere die hohen Töne nicht mehr
Beim 1:0-Sieg überragt Assan Ceesay alle, währenddessen sich ein in die Jahre gekommener Fussballer auf das Einfache besinnt.Assan Ceesay – Er vertraut dem ProzessAls André Breitenreiter am Freitag gefragt wurde, wer denn zur Zeit der beste Stürmer der Liga sei, da gab sich der Mann, der gerne erzählt, erstaunlich wortkarg. Man kann seine Antwort so zusammenfassen, dass es in der Super League einige gute Stürmer gebe.
Unter diesen weilt seit dieser Saison auch Assan Ceesay, das zeigt der Gambier auch gegen Lugano. Weil er viel läuft, weil er viel versucht, weil ihm Entscheidendes gelingt. Nach ein paar Fehlschüssen hat er schliesslich in der 77. Minute seine Visiervorrichtung justiert. Zum achten Mal trifft er in dieser Saison, und er macht das ziemlich toll. Aus vollem Lauf schiesst er ein prächtiges Zuspiel von Antonio Marchesano ins lange Eck. Weil es sich zugleich auch um den Siegtreffer handelt, ist Ceesay einmal mehr Matchwinner.
Ceesay hat an sich gearbeitet, vor allem an den Automatismen. Nicht überlegen, einfach machen. Breitenreiter erzählt von der Arbeit an der Abschlusstechnik. Kürzlich zeigte er seinen Spielern das Spiel zwischen Bayern München und Fürth. Die Bayern-Spieler Müller und Kimmich erzielten ihre Tore mit dem Innenrist. Es war ein Anschauungsbeispiel für einen, der in der vergangenen Saison meist mit dem Vollrist abschloss und die Streuung einer Schrotflinte mit abgesägtem Lauf aufwies.
Nun also der Wandel. Aus Ceesay, dem Überhasteten, wurde Ceesay, der Abgeklärte. Wer hätte das gedacht? Es soll zwar Leute geben, die mantraartig «der kommt noch» in Richtung Himmel gerufen haben, viele hatten aber schon mit ihm abgeschlossen.
Ceesay hat übrigens auch so etwas wie ein Mantra. Mit «Trust the process» unterlegt er häufig seine Beiträge in den Sozialen Medien, auch nun, nach seinem jüngsten Tor: Vertrau dem Prozess. Die Ausdauer hat sich gelohnt.
André Breitenreiter – Der SiegbringerDas Lob kam nach dem Spiel vom Gegner. Luganos Trainer Mattia Croci-Torti sprach davon, wie Kollege Breitenreiter dem Spiel eine entscheidende Wendung gab, indem er Ante Coric und Wilfried Gnonto einwechselte. Der Gelobte bedankte sich höflich und wusste: Der Trainerkollege aus Lugano hat einen Punkt.
Tatsächlich hingen die Spieler Luganos in der zweiten Halbzeit in den Seilen, Angriff um Angriff der Zürcher mussten sie abwehren, als Breitenreiter mit seinen Einwechslungen voll auf Karte Sieg setzte. Der Druck nahm noch einmal zu, am Ende gewann Zürich verdient. «Ein Arbeitssieg», sagt Breitenreiter. Es war aber auch ein Sieg, der zeigte, wie der Deutsche das Spiel mit seinen Entscheiden gewinnbringend beeinflussen kann.
Breitenreiter muss sich nun für das kommende Derby gegen GC etwas ausdenken. Ausgerechnet Ceesay fehlt gesperrt, er hat gegen Lugano die vierte Gelbe Karte geholt.
Blerim Dzemaili – Er verzichtet auf die hohen TöneEr ist wieder da. Er schreit und grätscht, er kämpft und reklamiert. Es ist unübersehbar. Blerim Dzemaili steht erstmals seit Mai in der Startformation des FC Zürich. Unter der Woche hat er ein Speziallob seines Trainers bekommen. «Absolut vorbildlich», sei es, wie er die Mannschaft führe. Nach der Partie sagt der gleiche Mann: «Nach 60 Minuten hat man gemerkt, dass ihm die Kraft fehlt.» Nach 64 Minuten wird Dzemaili ausgewechselt.
Davor gelingt ihm eine solide Partie. Es wird ihm gut tun. Denn seit geraumer Zeit rätselt man darüber, was der 35-Jährige noch leisten kann. Vergangene Saison spürte man ein Ungleichgewicht zwischen Wollen und Können. Er wollte viel, er konnte wenig. Dazu kam ein Körper, der ihn im Stich liess. Man sah sich an einen Bluessänger erinnert, der die hohen Töne nicht mehr trifft.
Gegen Lugano spielt Dzemaili smart. Er verzichtete auf die ganz hohen Töne und konzentriert sich auf das Einfache. Er schliesst geschickt Räume und macht immer wieder mit klugen Pässen das Spiel schnell. Ihm unterlaufen Fehlpässe, das dann schon, doch er kompensiert diese mit gewonnenen Zweikämpfen. Am deutlichsten dann, als er mit einem Tackling Mickael Facchinetti fällt wie eine morsche Eiche. Ein Raunen geht durch das Stadion. Er ist wieder da.
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