Geheimprojekt: Hochhaus-Schule
Die Stadt wusste schon vor der Abstimmung, dass sie neben dem Hardturmstadion ein Schulhaus bauen möchte. Nicht nur diese Zurückhaltung irritiert.
Beat Metzler
Publiziert heute um 13:42 Uhr
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Vor einigen Wochen verkündete die Stadt, dass sie gleich neben dem neuen Hardturm-Fussballstadion eine Schule plant: sechs Primar- und zwölf Sekundarklassen, verteilt auf die sechs untersten Stockwerke eines der beiden Hochhäuser, die mit dem Stadionprojekt verknüpft sind. Ursprünglich waren im Sockel dieses Turms Büros geplant.
Es ist eine Überraschung, die gut klingt. Die Schülerinnen würden das neue Hardturmareal beleben. Und der Stadtrat erfüllt damit den Auftrag des Parlaments, unkonventionellen, zeitlich begrenzten Schulraum zu schaffen.
Doch das überzeugt die Kritiker nicht. Sie vermuten im Schulhaus einen Vorwand, um das umstrittene Turmprojekt zu unterstützen.
«Wir haben eine Vermischung von zwei unterschiedlichen Fragen vermieden.»
Urs Spinner, Hochbaudepartement der Stadt Zürich
Klar ist: Die Überraschung war als solche geplant. Urs Spinner, Departementssekretär im Hochbaudepartement von André Odermatt (SP), bestätigt den Verdacht, den mehrere Kritiker äussern. Der Entscheid, das Schulhaus in den Turm zu integrieren, stand schon im Sommer fest, Monate vor dem Urnengang Ende September. «Wir haben diese Information bewusst nicht in die Abstimmungsdebatte getragen», sagt Spinner.
Die Stadt habe sich damit keinen Vorteil verschaffen wollen. Im Gegenteil. Wahrscheinlich hätte das Ensemble-Projekt vom Vorhaben profitiert. Schulhäuser erreichen in städtischen Abstimmungen immer eine hohe Zustimmung. «Wir wollten uns nicht dem Vorwurf aussetzen, im letzten Moment noch ein Sahnehäubchen draufzupacken», sagt Spinner.
Die Meinungsäusserungsfreiheit habe die Stadt damit nicht beschnitten. Die Stimmbevölkerung wird sich laut Spinner später noch zum Schulhaus äussern können. «So haben wir auch eine Vermischung von zwei unterschiedlichen Fragen vermieden.»
Braucht es so viele Schulzimmer?
Noch umstrittener als der Zeitpunkt ist der Inhalt der Ankündigung. Die Grünen bezweifeln, dass Zürich-West überhaupt so viel Schulraum braucht. «Bis vor einem Jahr behauptete der Stadtrat selber, dass es dort genug Schulhäuser hat», sagt Gemeinderat Markus Knauss. Beim in der Nähe liegenden Schulhaus Pfingstweid habe man deshalb auf einen dritten Stock verzichtet. Zudem entstehe in der Grünau bereits eine Sekundarschule. «Zusammen ergäbe das 36 neue Sekklassen im gleichen Einzugsgebiet.»
Knauss findet auch, dass sich «Turm West» nicht für ein Schulhaus eigne. «Das ist die lauteste Ecke des Areals, direkt an der Pfingstweidstrasse.»
Visualisierung: Nightnurse Images, Zürich
Urs Spinner vom Hochbaudepartement weist die Einwände zurück. «Die Stadt hat auch in diesem Gebiet grossen Bedarf nach Schulraum, zumindest in den nächsten 25 Jahren.» Freie Flächen dafür seien rar. Bei der Suche nach Platz habe sich das Hardturmareal angeboten. «Es ging sicher nicht darum, der Credit Suisse eine Nutzung zu beschaffen.»
Die lärmige Lage sieht Urs Spinner nicht als Problem. «Für Schulhäuser gelten gesetzliche Grenzwerte, die Bauherrschaft muss diese einhalten.» Und der Pausenplatz komme nicht direkt an der Pfingstweidstrasse zu liegen.
Doppelte Quersubventionierung
Die SP beschäftigt vor allem die Finanzierung. Für die zwei Türme rechnet die Credit Suisse mit einer Rendite von 4,5 Prozent. «Wir sind nicht bereit, einer Grossbank über ein Schulhaus solch unanständige Gewinne zu finanzieren», sagt Präsident Oliver Heimgartner.
Hinzu kommt: Der Boden, auf dem die zwei CS-Hochhäuser stehen, gehört der Stadt selber. Sie gibt ihn der Grossbank zu einem tiefen Zins ab. Mit dem zusätzlichen Gewinn, der diese Vergünstigung ermöglicht, finanziert die Credit Suisse wiederum das Hardturm-Stadion. Dieses Modell soll das «Gratis-Stadion» ermöglichen, das der Gemeinderat verlangt hatte.
Die Miete für das Schulhaus würde die Stadt also für ein eigenes Grundstück zahlen. Es wäre die Quersubventionierung einer Quersubventionierung. «Ein problematisches Konstrukt», findet Oliver Heimgartner. Denn die Behauptung, dass das Stadion die Steuerzahlerinnen nichts koste, habe den Ausschlag gegeben für die Mehrheit bei der Abstimmung 2018.
Den genauen Mietpreis habe man noch nicht ausgehandelt, sagt Hochbau-Departementssekretär Urs Spinner. «Wir haben der Credit Suisse aber klargemacht, dass die Kosten nicht höher sein dürfen, wie wenn die Stadt selber ein neues Schulhaus bauen würde.» Dem Stadtrat sei bewusst, dass eine überrissene Miete politisch keine Chance hätte.
Das sieht auch die Ensemble-Trägerschaft so. Die Miete werde sich nach den städtischen Möglichkeiten richten, sagt Sprecher Hans Klaus. An den finanziellen Erwartungen für die Türme ändere sich dadurch nichts. «Am Ende wird ein Mix aus allen Mieten relevant sein.» Das heisst: Die Schule könnte gewisse Wohnungen oder Gewerbeflächen «leicht» verteuern.
Trotzdem begrüsse man das Schulhaus, sagt Klaus. Es betone den Quartiercharakter der neuen Siedlung und mache diese attraktiver. Das Interesse an den Gewerbeflächen sei schon jetzt gross.
Baubewilligung Ende Frühling
Nach der Ausarbeitung der Turmschule wird der Gemeinderat diese bewilligen müssen. Dort ist die Überraschung nicht überall schlecht angekommen. Bezüglich des benötigten Schulraums bestünden berechtigte Fragen, sagt SVP-Gemeinderat Stefan Urech. «Aber grundsätzlich finden wir die Idee gut.» Urech deutet die Zweifel der Linken als «Nachwehen» der zwei Abstimmungsniederlagen.
Am Gesamtprojekt würde ein Nein zum Schulhaus nichts ändern. Einzig Rekurse können das Grossprojekt noch verzögern oder gefährden.
Ob Einsprachen kommen, wird sich Ende Frühling zeigen. Dann möchte das Konsortium die Baubewilligung ausschreiben.