«Man erreicht nicht immer das Richtige, wenn man nur lieb ist»Der FCZ-Goalie erklärt, warum er ganz froh ist, wenn es in der Garderobe des FC Zürich mal richtig laut wird. Und warum er glaubt, dass er der richtige Captain ist.Florian Raz
Was für ein Club ist der FC Zürich?
Worauf bezogen?
Auf alles. Sie sind seit bald 15 Jahren beim FCZ. Kaum einer kann die Frage besser beantworten als Sie.
Ich bin enorm lange dabei und habe sehr viel erlebt. Höhen und Tiefen, das ist so. Der FCZ ist nach wie vor einer der grössten Clubs in der Schweiz. Vor allem auch, was die Unterstützung der Fans betrifft. Was wir gerade in der jetzigen Situation ganz besonders merken.
Also merken Sie, dass die Unterstützung der Fans fehlt – oder dass sie trotz Pandemie ausgedrückt wird?
Das Fehlen im Stadion merken wir schon auch. Aber unsere Fans reisen nach Lugano, nur um uns auf dem kurzen Weg vom Hotel zum Stadion zu pushen. Ich glaube nicht, dass ein anderer Schweizer Club das von sich behaupten kann. Es gab Plakate bei uns an den Trainingsfeldern, Fans waren da, als wir zu Spielen abgefahren sind – oder als wir zurückkamen. Sie sind nach wie vor für uns da.
Nach wie vor da – das gilt auch für Sie. Im normalen Geschäftsleben heisst es: Wer nie den Arbeitgeber wechselt, bleibt immer der Lehrling.
Ich glaube, diese Position habe ich definitiv nicht mehr. Ich habe mich extrem entwickelt. Vom Jungtalent, das eher ruhig war, zum Captain, der sehr viel kommuniziert und auch extrem eingebunden ist vom ganzen Verein. Ich denke, der Verein hat auch immer gewusst, was er an mir hat. Und wen er in mir für die Zukunft sieht. Jetzt sind wir an einem Punkt, an dem wir beide sehr zufrieden sind.
Als Ihr Team in der Pause gegen Luzern 0:2 zurücklag, konnte man Sie in der FCZ-Garderobe brüllen hören. Wie laut muss ein Captain sein, wie laut darf er sein?
Am Ende muss es immer respektvoll bleiben. Aber es gibt Situationen, wie gegen Luzern, in denen es in der Garderobe einfach lauter werden muss. Diesmal war ich es. In einem anderen Match kann das ein anderer Spieler sein. Das sind Weckrufe ans Team, die wichtig sind. Mir ist die Mannschaft derzeit manchmal zu ruhig. Es muss in der Garderobe die richtige Atmosphäre herrschen. Alle müssen alles tun wollen, um das Spiel zu gewinnen.
Wenn ich mir vorstelle, mein Chef würde uns im Büro anbrüllen … Ich weiss nicht, ob das als positive Unternehmenskultur durchgehen würde.
Die Frage ist immer: Warum macht man so etwas? Du kannst mal einen schlechten Tag haben, okay. Aber: Was du immer machen kannst, ist, vom Einsatz her ans Limit zu gehen. Ich glaube nicht, dass das in anderen Jobs so anders ist. Wenn dein Chef das Gefühl hat, dass du deine Arbeit nicht richtig erledigst, streichelt er dir nicht über den Kopf und sagt: «Du bist ein super Typ, aber kannst du mal mehr Gas geben?» Manchmal braucht es eine gewisse Lautstärke, um die Botschaft richtig rüberzubringen. Nur mit lieb sein, erreicht man nicht immer das Richtige.
Sie sind derzeit das Gesicht dieser Mannschaft.
Das ist der Captain häufig. Ausserdem bin ich schon so lange dabei und komme aus der FCZ-Academy.
Haben Sie diese Aufgabe gesucht?
Ich habe mich Schritt für Schritt für diese Position empfohlen, würde ich sagen. Ich würde zwar im Team nicht anders auftreten, wenn ich nicht Captain wäre. Aber ich mag die zusätzlichen Aufgaben, die ich jetzt habe. Man kann sagen, dass ich die Position zu einem gewissen Mass gesucht habe. Ich wollte das immer, ich habe die Persönlichkeit, um das zu machen.
Als Captain sind Sie Sprecher der Mannschaft, verlängerter Arm des Trainers und Repräsentant des Clubs. Diese drei müssen aber nicht immer derselben Meinung sein. Wie gehen Sie den Balanceakt an?
Ich mache mir sehr, sehr viele Gedanken. Was kann ich beeinflussen, was soll ich überhaupt beeinflussen? Es ist eine Herausforderung, die Balance zu finden. Du sollst die Mannschaft repräsentieren. Aber manchmal musst du dich vielleicht auch eher hinter den Verein stellen, der etwas anderes will als die Mannschaft. Du musst spüren, wann der richtige Moment ist, um mit dem Trainer zu reden. Aber ich habe jetzt doch schon einige Trainer erlebt und denke, ich bin erfahren genug, um zu wissen, was man wann tun kann.
Und wenn Sie das Gefühl haben, das Team stehe hinten zu offen, dann klopfen Sie bei Massimo Rizzo an der Tür und sagen was?
Massimo ist super. Er spricht sehr viel mit uns Spielern und holt unsere Meinungen ab. Ich rede regelmässig mit ihm über die Spiele. Wohl auch, weil er merkt, dass ich mich nach den Matchs extrem lange damit auseinandersetze. Ihm ist es wichtig, alle Meinungen zu hören. Trotzdem hat er seine eigene Meinung. Ich bin mit Dingen gekommen, bei denen er mir beigepflichtet hat. Andere hat er ganz anders gesehen. Und dann ist klar, dass er entscheidet.
Können Sie uns diese FCZ-Mannschaft erklären?
Was soll ich Ihnen erklären? (lacht)
Es ist zum Beispiel von aussen nicht ganz einfach zu verstehen, warum das Team nach der Pause plötzlich so passiv ist.
Aktuell sind wir zu unbeständig. Die Gründe dafür sind schwierig zu finden. Möglich, dass die fehlenden Fans dazugehören. Es fehlt die Atmosphäre, du bist vom Adrenalin her nicht auf derselben Höhe wie sonst. In einem Spiel wie gegen Lausanne hätten uns die Fans sicher dabei helfen können, viel schneller in die zweite Halbzeit zu finden.
Wie hätten die Fans helfen können?
Die Schwierigkeit ist derzeit, dass du dich in jedem Spiel selber so weit pushen musst, dass du über 90 Minuten immer voll da bist, dass du jedes Duell gewinnen willst. Daran müssen wir arbeiten. Wir haben Phasen, in denen wir super sind, mit vielen Emotionen auf dem Platz. Und dann haben wir wieder 15 Minuten, in denen der Flow raus ist. Und die Liga ist so ausgeglichen, dass jedes Team so eine Phase bestrafen kann.
Eigentlich passen Sie perfekt in diese Liga. Jeder schlägt jeden. Ausser Ihr Gegner vom Sonntag.
Ja, das ist klar. Jeder schlägt jeden, nur die Young Boys sind vorne weg. Es ist spannend. Aber uns wäre lieber, wir würden mal wieder eine Serie hinlegen. Sodass die anderen in der Liga wissen: Gegen den FCZ ist es schwierig, auch nur einen Punkt zu gewinnen.
Ist der FCZ denn momentan auf dem Weg nach oben oder nach unten?
Wir sind näher an Rang zwei als am Barrageplatz. Also ist klar: Wir wollen nach oben, wir wollen auf die europäischen Plätze.
Aber jedes Mal, wenn der FCZ auf Rang 2 kommen könnte, versaut er das Spiel.
Das war bis jetzt so, ja.
Gibt es da eine mentale Blockade?
Vor einem Jahr haben wir manchmal versucht, diese Chance als Extramotivation zu nutzen. Aber in dieser Saison war es gar nie ein Thema. Also glaube ich nicht, dass das ein mentales Problem ist bei uns.
Ist Ihnen in all den Jahren beim FCZ noch nie langweilig geworden?
Nein, dazu habe ich zu vieles erlebt. Und ich denke auch nicht, dass es mir in Zukunft langweilig wird.
Also könnte es ein Ziel sein, als Clubikone in die FCZ-Geschichte einzugehen?
Ein Ziel? Das glaube ich jetzt weniger. Wenn ich den Rest der Karriere hier verbringe, wird es vielleicht automatisch in diese Richtung gehen. Aber es ist jetzt nicht ein Titel, den ich unbedingt anstrebe.
https://www.tagesanzeiger.ch/man-erreic ... 3903572465
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