Beitragvon schwizermeischterfcz » 23.01.21 @ 18:33
Der FCZ-Spieler Marco Schönbächler sagt: «Klar, Barcelona war mein Traum»
Einst galt er als grösstes Talent der Schweiz. Doch Marco Schönbächler blieb im FCZ. Warum?
Christine Steffen
23.01.2021, 05.00 Uhr
Marco Schönbächler, was kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie an sich als 17-Jährigen denken?
Ich war unbeschwert. Und ich kam beim FCZ in die erste Mannschaft. Alles war neu, plötzlich spielte ich mit Erwachsenen.
Das ist 15 Jahre her, Sie sind immer noch hier im FCZ, waren auch nie weg. Wo stehen Sie heute?
Man kann nicht von einer Karriere sprechen, in der es ständig aufwärtsging, es gab viele Ups and Downs. Aber dadurch bin ich als Person gereift. Und ich sehe gewisse Dinge anders als damals.
Was sehen Sie anders?
Mir wurde einmal mehr bewusst, dass Gesundheit das Wichtigste ist. Das wird gerade auch in der jetzigen Krise offensichtlich.
Früher hiess es, Sie seien exaltiert. Sie haben mit Frisuren experimentiert, und auf Ihrem Shirt stand «Schönbi». Gibt es diesen Wesenszug noch?
In der heutigen Zeit wäre nicht mehr speziell, was ich damals gemacht habe. Viele finden lässig, wie sich die Fussballer heute geben. Für mich war es nie wild, wenn ich eine spezielle Frisur hatte. Der Name auf dem Leibchen war mehr als Gag gedacht. Doch es gab auch ein paar kritische Stimmen.
Sie waren sehr früh sehr weit oben. Muss man im Rückblick sagen, dass es zu schnell ging?
Es ist sicher gut, wenn man als junger Spieler mit der ersten Mannschaft trainieren kann. Es bringt nichts, wenn du mit Junioren spielst und merkst, du kannst hier keine wirklichen Fortschritte mehr machen. Da fehlt die Herausforderung. Aber wichtig ist auch, dass ein junger Fussballer dann regelmässig spielen kann.
Das konnten Sie nicht. Wie vielen Jungen mangelte es Ihnen an Konstanz. Wie geht man damit um, wenn man plötzlich nicht mehr spielt?
Vielleicht wäre es gut gewesen, man hätte mich einmal in die Challenge League ausgeliehen, damit ich regelmässig zum Spielen gekommen wäre. Heute ist das selbstverständlich, damals war es eher selten. Man spielt nicht regelmässig, fällt aus dem Rhythmus, die Karriere gerät ins Stocken.
Hat Ihre lange Verletzungsgeschichte einen Transfer verhindert, oder waren Sie im Kopf nicht bereit?
Wahrscheinlich beides. Ich war zu den dümmsten Zeiten verletzt. Um zu wechseln, braucht es eine Reihe guter Spiele, eine gute Saison. Ich wurde älter, das macht es nicht einfacher. Und ich habe immer sehr geschätzt, was ich an der Stadt Zürich habe und am Klub.
Spielt der FCZ gegen den FC Basel mit Blerim Dzemaili?
cen./ram. Marco Schönbächler war als junger Fussballer schnell weit oben, doch er wurde immer wieder von langwierigen Verletzungen zurückgeworfen. Der 31-Jährige ist neben dem Trainer Massimo Rizzo am längsten im FCZ. Er war als 17-Jähriger Teil des Teams, das 2007 zum zweiten Mal in Folge die Meisterschaft gewann – zweimal vor dem FC Basel, dem Gegner vom Samstag.
Für Blerim Dzemaili, 2007 einer der Anführer im FCZ, bedeutet der Match im St.-Jakob-Park nach dreizehneinhalb Jahren im Ausland die Rückkehr in die Super League. Ob Dzemaili spielen wird, lässt Rizzo offen. «Ich habe auf und neben dem Platz einen sehr guten Eindruck von Blerim», sagt Rizzo, «wir werden sehen, wie viele Minuten er bekommen wird in den kommenden Wochen.» Dzemaili hat seit über einem Jahr nicht mehr gespielt.
Das Ziel für den fünftplatzierten FCZ bleibt ein Platz im Europacup. «Nach dem turbulenten Start haben wir uns stabilisiert – nun wollen wir einen Platz unter den ersten drei Klubs angreifen», sagt der Sportchef Marinko Jurendic.
Sie hätten 2018 zu Urs Fischer nach Berlin wechseln können, Sie kennen ihn gut aus Zürich. Warum sind Sie hiergeblieben?
Berlin hätte ich mir durchaus vorstellen können. Aber das Angebot kam nach meiner Kreuzbandverletzung, ich hatte nur ein Spiel gemacht. Ich wollte die Sicherheit, dass ich einen guten Aufbau habe. Wenn man in diesem Stadium wechselt, ist nicht garantiert, dass man langsam herangeführt wird. Ein neuer Klub erwartet, dass du zu hundert Prozent da bist.
Sind Sie jemand, der viel Sicherheit braucht?
Auf jeden Fall.
Als Blerim Dzemaili zurückkam, dachten Sie da nicht: Der hat die halbe Welt gesehen, und ich war immer in Zürich?
Er sagte: «Was, du bist immer noch da?» Ich musste schon schmunzeln. Aber ich gönne ihm seine Karriere.
Wenn man Sie sprechen hört, hat man das Gefühl, Sie hätten sich mit Ihrer Karriere versöhnt.
Als ich zum FC Zürich kam, war mein primäres Ziel, in der ersten Mannschaft zu spielen, was ich durch harte Arbeit erreicht habe. Klar, Barcelona war mein Traum, aber das wäre schwierig geworden. Und ich spiele hier. Ich bin nach wie vor sehr ambitioniert, aber für mich wäre es immer ein Bonus gewesen, zu gehen.
Sie wurden wahnsinnig gehypt. Es hiess, Sie seien das grösste Talent der Schweiz. Denkt man da nicht, Barcelona sei nicht so weit weg?
Ich bin realistisch. Ich habe immer gesehen, was mir fehlt. Talent haben viele. Aber eine schöne Karriere hinzulegen, ist schwierig.
Was hat Ihnen gefehlt?
Vielleicht ein früher Transfer ins Ausland. Ich hätte andere Mitspieler gehabt, mich womöglich anders weiterentwickelt.
Und das wollten Sie nicht?
Ich hatte zu viel Respekt davor, so jung wegzugehen.
«Ich habe es nicht
verstanden, als ich in die U 21 geschickt wurde. Wir sind ja alles Menschen, wir können miteinander reden.»
Sie haben mit Massimo Rizzo den neunten Trainer, seit Sie im FCZ sind. Was ändert sich mit Trainerwechseln?
Man muss sich mit jedem Wechsel beweisen. Auch jene, die glaubten, Sie hätten ihren Platz auf sicher. Der Kampf um die Plätze ist neu lanciert. Meistens geht ein Ruck durch die Mannschaft.
Die Trainer haben Sie unterschiedlich angepackt. Urs Meier sagte einmal, Sie hätten sich in den Liegestuhl gesetzt, als Sie einen Profivertrag unterschrieben. Er versuchte, Sie rauszukitzeln. Rolf Fringer schickte Sie in die U 21. Wie bringt man Sie dazu, das Beste zu geben?
Das Wichtigste war für mich immer eine klare Kommunikation. Ich will wissen, was man von mir erwartet. Ich habe es nicht verstanden, als ich in die U 21 geschickt wurde. Wir sind ja alles Menschen, wir können miteinander reden. Wenn es ein Problem gibt, klärt man es. Redet ein Trainer wenig mit dir, weisst du nicht, woran du bist. Oder wenn er irgendwelche Spielchen mit dir macht. Das bringt beiden nichts.
Dass Trainer mit Spielern reden, ist nicht selbstverständlich?
Überhaupt nicht. Es gibt sehr unterschiedliche Trainer. Die guten Trainer, die ich hatte, führten viele Einzelgespräche mit den Spielern.
Hat es auch mit dem Alter der Trainer zu tun?
Das könnte sein.
Anzunehmen ist, dass Urs Fischer und Urs Meier viel kommuniziert haben. Massimo Rizzo macht das auch, Bernard Challandes und Rolf Fringer wohl eher weniger.
Sie hatten eine andere Art. Die Jüngeren haben sich möglicherweise an ihre eigene Spielerkarriere erinnert und ihre Schlüsse daraus gezogen.
Sind Sie einer, der es braucht, das Vertrauen des Trainers zu spüren?
Hat man das Vertrauen des Chefs, fühlt man sich sicherer, man arbeitet ganz anders. Alles fällt leichter, wenn man weiss, dass der Rückhalt da ist. Hat man einen Chef, der das nicht vermittelt, kann man die Leistung nicht abrufen.
Das passiert Ihnen?
Ich studiere dann viel mehr herum. Als Fussballer solltest du das aber nicht tun. Du sollst auf den Platz gehen, ohne an etwas anderes zu denken, und deine Qualitäten ausspielen.
Als Sie Ihre Lehre auf der FCZ-Geschäftsstelle machten, arbeitete Massimo Rizzo dort im Büro. Ist es nicht seltsam, dass er heute Ihr Trainer ist?
Wir kennen uns tatsächlich schon sehr lange. Aber ich habe ihn ja auch schon als Assistenten erlebt – sehr positiv. Er machte immer gute Trainings, er zieht sein Ding durch. Mir gefällt, wie er Fussballspielen lassen will.
Marco Schönbächler und Massimo Rizzo kennen sich schon lange: Als der Mittelfeldspieler seine Lehre auf der FCZ-Geschäftsstelle machte, arbeitete er mit dem gegenwärtigen FCZ-Coach zusammen im Büro.
Marco Schönbächler und Massimo Rizzo kennen sich schon lange: Als der Mittelfeldspieler seine Lehre auf der FCZ-Geschäftsstelle machte, arbeitete er mit dem gegenwärtigen FCZ-Coach zusammen im Büro.
Christoph Ruckstuhl / NZZ
Was ist der Vorteil, wenn man so lange in einem Verein ist wie Sie?
Man verfährt sich nicht.
Und sonst?
Man kennt alles in- und auswendig. Aber sonst?
Ist es einfacher zu sagen, welches die Nachteile sind?
Man wird mit sich selbst von früher verglichen. Kommt ein neuer Spieler, wissen die Fans nicht, was er vor zwei Saisons gemacht hat. Bei mir wissen sie es. Solche Vergleiche sind nicht immer zum Vorteil der Spieler.
Welche Bedeutung hat der Fussball heute in Ihrem Leben?
Schon eine etwas andere als früher. Ich schaue Fussball heute eher als Beruf an. Als ich jünger war, dachte ich: «Wow, tschutte . . .» Heute verstehe ich die ganzen Mechanismen und Hintergründe des Fussball-Business besser.
Wenn Sie heute dem 17-jährigen Marco Schönbächler etwas sagen könnten: Was wäre es?
Dass er etwas sturer und egoistischer sein soll auf dem Fussballplatz. Wenn du es allen recht machen willst, verpasst du, für dich zu denken.
Und Sie wollen es allen recht machen?
Dafür bin ich der Typ. Ich kann fast niemandem böse sein.
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